NachDenkSeiten

NachDenkSeiten

NachDenkSeiten (vollständig: NachDenkSeiten. Die kritische Website) ist eine Website, auf der politische und gesellschaftliche Themen beobachtet und kommentiert werden. Im Zentrum stehen ein Blog und weitere Publikationen der ehemaligen SPD-Politiker Albrecht Müller und Wolfgang Lieb. Im März 2011 wurde Jens Berger, der das politische Blog Der Spiegelfechter betreibt, neu in den Kreis der Autoren aufgenommen.[1] Der erste Blogbeitrag in den NachDenkSeiten wurde von Albrecht Müller am 30. November 2003 veröffentlicht.[2]

Inhaltsverzeichnis

Form und Inhalte

Die Website bietet eine tägliche Medienschau zu politischen und gesellschaftlichen Themen (Hinweise des Tages). Beobachtet werden neben der überregionalen Presse auch Talkshows im Fernsehen sowie Wikipedia.[3] In Form eines Watchblogs kommentieren die Autoren Politik und Gesellschaft; insbesondere wollen sie Versuche der Einflussnahme auf den politischen Prozess durch Lobbyisten nachweisen. Die NachDenkSeiten setzen sich vor allem kritisch mit der Agenda 2010 auseinander und sehen eine Einflussnahme durch Interessenvertreter auf die jüngere Sozialpolitik, z. B. durch die Versicherungsbranche. Ein weiterer Schwerpunkt, dem das Blog Aufmerksamkeit schenkt, sind die gesellschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise ab 2007 und deren Verarbeitung durch Politik und Wirtschaft. Bekannte Gastautoren des Blogs sind Christoph Butterwegge, Heiner Flassbeck und Gerd Bosbach.

Die Website enthält kein Diskussionsforum und keine Kommentarfunktion, da immer mehr kommerzielle PR, auch Astroturfing genannt, in Online-Diskussionen eindringe.[4]

Das Blog versteht sich als Gegenöffentlichkeit, die aufklären und politische Diskussionen anregen möchte.[5] Die Beiträge der Website werden regelmäßig am Jahresende auch in Buchform veröffentlicht („Das kritische Jahrbuch – Nachdenken über Deutschland“).

Rezeption

Nach Einschätzung von Spiegel Online aus dem Jahr 2008 gehören die NachDenkSeiten zu den wenigen deutschen politischen Websites, die überhaupt wahrgenommen werden. Die technische Plattform allerdings wirke „gegen [amerikanische] Polit-Seiten [...] wie aus der Web-Steinzeit.“ Die behandelten Themen begrenzten sich auf eine Kritik am Neoliberalismus, so dass die Seite nicht mehr „als eine Internet-Gemeinde für enttäuschte Sozialdemokraten“ sei. Zudem bediene man sich einer auffallend scharfen und schneidigen Ausdrucksweise, was den Rezensenten konstatieren lässt: „David hat keinen Stein in der Schleuder. Also schmeißt er mit Dreck.“[6]

F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher ordnet „die ‚NachDenkSeiten‘ des einundsiebzigjährigen Albrecht Müller, die er zusammen mit Wolfgang Lieb betreibt“ in eine Reihe von Blogs ein, in denen „im besten Sinne alteuropäische Diskurse“ erfolgten, und er fragt sich, ob diese „im Augenblick nur deshalb so wirkungsvoll“ seien, „weil die Politik die Einfluss- und Manipulationsmöglichkeiten digitaler Kommunikation noch nicht verstanden“ habe.[7] In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bezeichnete Schirrmacher im August 2011 die kritischen Beiträge von Albrecht Müller zur Finanzkrise und zu ihrer Bewältigung im Rückblick als „unverzichtbar“.[8]

Vor dem Hintergrund eines von ihm beobachteten dogmatischen Wirtschaftsdenkens in der Öffentlichkeit schreibt der Wirtschaftsweise Peter Bofinger im Vorwort zum Jahrbuch der Nachdenkseiten 2011/2012: „Anstöße und Anregungen zu alternativen Denkansätzen bieten – anders als die etablierten Medien – die NachDenkSeiten.“[9]

Auszeichnung

Die Laudatio zum Alternativen Medienpreis 2009 sieht die NachDenkSeiten als Aufklärungsinstrument: „Politische Bildung tut not. Verlinkungen zu anderen kritischen Seiten stellen Zusammenhänge her und helfen, Lobbyismus und Meinungsmanipulation besser zu erkennen. Sehr wichtig finde ich beispielsweise die Aufklärung über die Kampagne zur Rentenversicherung. Jahrelange PR-Arbeit hat mit Hilfe der Mainstream-Medien das Ansehen der staatlichen Rente in der Öffentlichkeit ruiniert. Das Geld sollte in die Taschen der privaten Versicherungen fließen. Jetzt, in der Krise, schreiben dieselben Medien, dass die privaten Rentenversicherer in Not sind und tun auch noch überrascht dabei. Die Nachdenkseiten klären darüber auf.“[10]

Zugriffszahlen

Nach eigenen Angaben hatte NachDenkSeiten während der Bundestagswahl im September 2009 einen Anstieg der täglichen Leser von 40.000 auf 67.000 Leser.[11] Spiegel Online spricht von durchschnittlich 25.000 Lesern (Stand Juli 2008).[6] In den deutschen Blogcharts rangieren die NachDenkSeiten auf Platz 11 (Stand 30. April 2011).[12]

Förderverein und regionale Gesprächskreise

Das Blog wurde ursprünglich von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb privat finanziert. Träger und Unterstützer der NachDenkSeiten ist mittlerweile der 2005 von den Betreibern gegründete gemeinnützige Verein „Initiative zur Verbesserung der Qualität politischer Meinungsbildung“. Er finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und aus Spenden.

Daneben bestehen bundesweit „fast 100“ regionale Gesprächskreise der Leser des Blogs, die dem gemeinsamen Gedankenaustausch dienen. Sie werden von den Lesern selbst organisiert,[13] nachdem die Betreiber der NachDenkSeiten zu ihrer Gründung aufgerufen hatten.[14]

Öffentliche Veranstaltungen

Gemeinsam mit dem Förderverein werden öffentliche Diskussionsveranstaltungen abgehalten, in denen Politiker und Journalisten zu Themen sprechen, die im Blog aufgegriffen worden sind (Pleisweiler Gespräch). Die Veranstaltungen werden als Video aufgezeichnet und in einem Kanal auf YouTube dokumentiert. Gäste bei den Veranstaltungen waren bisher Hans-Ulrich Jörges, Heiner Flassbeck und Sarah Wagenknecht.

Literatur

  • Wolfgang Lieb, Albrecht Müller: Das kritische Jahrbuch 2007 – Nachdenken über Deutschland. Verlag Helmut Schmidt Medien, Kirchsahr 2008, ISBN 978-300-023733-1.
  • Wolfgang Lieb, Albrecht Müller: Das kritische Jahrbuch 2008/2009 – Nachdenken über Deutschland. Verlag Helmut Schmidt Medien, Kirchsahr 2008, ISBN 978-3-00-026393-4.
  • Wolfgang Lieb, Albrecht Müller: Das kritische Jahrbuch 2009/2010 – Nachdenken über Deutschland. Verlag Helmut Schmidt Medien, Kirchsahr 2009, ISBN 978-3-00-029424-2.
  • Wolfgang Lieb, Albrecht Müller: Das kritische Jahrbuch 2010/2011 – Nachdenken über Deutschland. Westend, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-938060-56-8.
  • Wolfgang Lieb, Albrecht Müller: Das kritische Jahrbuch 2011/2012 – Nachdenken über Deutschland. Westend, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-938060-62-9.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Lieb: Jens Berger macht bei den NachDenkSeiten mit. In: NachDenkSeiten. 4. März 2011, abgerufen am 13. Juli 2011.
  2. Albrecht Müller: INSM verbreitert die Öffentlichkeitsarbeit. In: NachDenkSeiten. 30. November 2003, abgerufen am 13. Juli 2011.
  3. Medienanalyse. In: NachDenkSeiten. 13. Juli 2011, abgerufen am 13. Juli 2011.
  4. Albrecht Müller: Auch die Mund-zu-Mund-Propaganda auf den Foren im Netz kann man sich gegen Geld organisieren lassen. In: NachDenkSeiten. 14. Mai 2009, abgerufen am 13. Juli 2011.
  5. Warum NachDenkSeiten? Und was bieten NachDenkSeiten? In: NachDenkSeiten. 13. Juli 2011, abgerufen am 13. Juli 2011.
  6. a b Markus Brauck, Frank Hornig und Isabell Hülsen: Die Beta-Blogger (2). Spiegel Online, 21. Juli 2008
  7. Frank Schirrmacher: Payback. Warum wir im Informationszeitalter gezwungen sind zu tun, was wir nicht tun wollen, und wie wir die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen. Karl Blessing Verlag, München 2009, ISBN 978-3-89667-336-7, S. 200.
  8. Frank Schirrmacher: Bürgerliche Werte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“. In: FAZ. 14. August 2011, abgerufen am 14. August 2011.
  9. Peter Bofinger: Vorwort zu Nachdenken über Deutschland. Das kritische Jahrbuch 2011/2012. http://westendverlag.de/westend/buch.php?p=61&n=leseprobe
  10. Sven Mainka: Alternativer Medienpreis 2009 – Laudatio Internet auf www.nachdenkseiten.de. 2009. Abgerufen am 23. Juni 2011.
  11. Albrecht Müller: Zwei gute Anregungen zum Zusammenhalt der NDS-Leser/innen und zur besseren Verbreitung. In: NachDenkSeiten. 1. Oktober 2009, abgerufen am 14. Juli 2011.
  12. (neue) deutsche blogcharts. Ausgabe 4/2011 vom 30. April 2011. Abgerufen am 9. Juli 2011.
  13. Regionale Gesprächskreise. In: NachDenkSeiten. 13. Juli 2011, abgerufen am 13. Juli 2011.
  14. Albrecht Müller, Wolfgang Lieb: Aufruf. Betrifft: Gesprächskreise von Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten. In: NachDenkSeiten. Abgerufen am 14. Juli 2011.

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