Attacke der Leichten Brigade

Attacke der Leichten Brigade
Charge of the Light Brigade, Gemälde von Richard Caton Woodville junior

Die Attacke der Leichten Brigade oder auch der Todesritt der leichten Brigade (engl. Charge of the Light Brigade) war ein Angriff britischer Kavalleristen in der Schlacht von Balaklawa. Sie erlangte Berühmtheit aufgrund ihrer großen Verluste und der Umstände, die zur Attacke geführt hatten. Die Schlacht von Balaklawa war eine militärische Auseinandersetzung am 25. Oktober 1854 zwischen dem russischen Zarenreich und den Alliierten (Briten, Franzosen, Osmanisches Reich) im Krimkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Die Attacke

Schematische Darstellung der Attacke

Im Verlaufe der Schlacht diktierte der britische Oberbefehlshaber Lord Raglan General Airey den Befehl, die Kavallerie einzusetzen, um die am Morgen durch die russische Armee erbeuteten Kanonen zurückzuerobern. Airey wiederum gab diesen Befehl mündlich an den Ordonnanzoffizier Nolan weiter. Da dieser Lord Lucan, den Befehlshaber der Kavalleriedivision, und dessen Schwager Lord Cardigan, den Chef der leichten Brigade, verachtete, gab er diesem den Befehl in sehr knapper Form weiter. Für Lucan war daher nicht zu erkennen, um welche Kanonen es sich handelte. Von seiner Position im Talgrund konnte Lucan keine anderen Kanonen entdecken als die Stellung der Russen am Ende des nördlichen Tals. Die am Morgen durch die Russen eroberten Geschützstellungen befanden sich dagegen auf den Fedioukine Hügeln, die das Tal nach Norden schlossen. Sie waren ebenfalls auf den Weg, den die Leichte Brigade nehmen sollte, gerichtet. Nolan war bei der Aufklärung des Irrtums offenbar auch keine große Hilfe. Nach Berichten fuchtelte er mit dem Säbel und rief, sich selbst an die Spitze der Attacke setzen zu wollen. Darüber hinaus beleidigte er Lord Lucan mit den Worten „Da sind Ihre Kanonen, da ist der Feind!“ und wies imaginär in Richtung der russischen Stellungen. Lord Lucan, Nolan in herzlicher Antipathie verbunden, glaubte, ob dieser Provokation keine andere Wahl zu haben, als dem Befehlshaber der Leichten Brigade den Angriff durch das Tal, in Richtung der russischen Kanonen, zu befehlen. Cardigans Hinweis, dass ein Frontalangriff bei gleichzeitigem Beschuss von beiden Flanken zu hohen Verlusten führen werde, wies er mit dem Hinweis auf den Befehl Raglans zurück.

The Charge of the Light Brigade at Balaklava, 1855 von William Simpson

Die Brigade bestand während der Attacke aus 673 Mann. Die 13. Light Dragoons, 17. Lancers und 11. Hussars bildeten die erste, die beiden anderen Regimenter die zweite Welle. Eine der ersten Kugeln tötete Hauptmann Nolan, der seinen Fehler eingesehen hatte und Cardigan zurückzuhalten versuchte. Das Bild der unter Beschuss von vorne und von beiden Seiten galoppierenden Truppen kommentierte der französische General Pierre Bosquet mit den heute berühmten Worten: „Das ist großartig, aber Krieg ist das nicht, es ist Wahnsinn.“ („C’est magnifique, mais ce n’est pas la guerre, c'est de la folie“[1]). 200 Mann der Angreifer erreichten tatsächlich die Kanonenstellungen und begannen, zum Erstaunen der Russen, diese zu attackieren. Die 13. Light Dragoons und ein Teil der 17. Lancers griffen die russischen Stellungen direkt an. Der Rest der 17. Lancers umging diese und griff sie von hinten an. Schließlich musste die Brigade aber vor einem Gegenangriff der russischen Schweren Kavallerie den Rückzug antreten. Da inzwischen zumindest auf der linken Seite durch die französischen 4. Chasseurs d’Afrique unter General Morris, die Kanonen ausgeschaltet waren, gelang dies auch.

Die Opfer

Die genaue Anzahl der Toten und Verwundeten wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Calthorpe nennt die Zahl von 156 getöten und 122 verwundeten Männern. [2] Adkin zitiert einen Brief Lord Cardigans, der von insgesamt 300 Toten, Verwundeten und Vermissten spricht. Unter Auswertung der Zahlen bei Whinyates, kommt Adkin zu dem Ergebnis, dass 110 Männer getötet wurden (inklusive 7, die an ihren Wunden später verstarben), 130 Verwundeten und 58 Gefangenen.[3] Insgesamt wurden, je nach Quelle, zwischen 355 und 396 Pferde getötet.

Die Überlebenden

Am 25. Oktober 1875 fand das erste Balaclava Bankett in London statt. Hierzu waren alle Überlebenden des Angriffs eingeladen, nach längeren Diskussionen wurden zu späteren Banketten nur die Männer eingeladen, die tatsächlich in das Tal des Todes eingeritten waren. Sechs Männer waren mit dem Victoria Cross ausgezeichnet worden, davon waren drei Träger bei dem ersten Diner anwesend. Einer von ihnen war der frühere Sergeant Charles Wooden der 17. Lancer, der zum Leutnant befördert worden war. Er ist einer von nur zwei Deutschen, denen das Victoria Cross verliehen worden ist. Das Bankett fand bis zum 25. Oktober 1913 jährlich statt.

Anlässlich des Diamantenen Thronjubiläums von Queen Victoria 1897 waren die Teilnehmer des Angriffs von T. Harrison Roberts, einem Verleger der Fleet Street eingeladen worden. Dabei zeigte sich, dass eine Anzahl von ihnen in schwierigen Verhältnissen leben musste. Daher wurde der Roberts Relief Fund gegründet und in Zeitungen zu Spenden aufgerufen. Bis 1920 zahlte der Fund kleine Renten aus. Der letzte Überlebende, Private Edwin Hughes, 13. Light Dragoons, verstarb am 18. Mai 1927.[4]

Bedeutung

Verluste

Überlebende der Leichten Brigade nach der Attacke

Nicht zuletzt durch die Schlachtdichtungen von Alfred Tennyson und anderen ist die Schlacht und insbesondere die Attacke der Leichten Brigade mystifiziert worden. So hieß es lange, bei der Attacke sei die Leichte Brigade vollständig aufgerieben beziehungsweise auf ein Drittel reduziert worden. Letzteres hat einen Anflug von Wahrheit für sich, denn durch den hohen Verlust an Pferden waren tatsächlich nur noch 195 Reiter einsatzbereit. Die oben bezifferten Verluste waren schwer, aber nicht ungewöhnlich für einen derartigen Reiterangriff. Auch wird im Fehlschlag der Beginn des Niedergangs der Kavallerie als effektive Waffengattung gesehen. Dies trifft bestenfalls im zeitlichen Kontext auf den Massenangriff zu. Bis zur Entwicklung motorisierter Einheiten blieb die Schnelligkeit der Kavallerie für Aufklärung und Umfassung von hoher Bedeutung.

Die Attacke in der Kunst

Die Attacke der Leichten Brigade wurde in mehreren Filmen, Musikstücken und Büchern behandelt. Noch 1854 veröffentlichte Alfred Tennyson sein Gedicht The Charge of the Light Brigade. Theodor Fontane übertrug in seinem Gedicht Balaklawa die Verse Tennysons frei ins Deutsche.

1936 wurde in Hollywood mit Errol Flynn, Olivia de Havilland und David Niven der erste Film zur Attacke gedreht – Der Verrat des Surat Khan (Originaltitel: The Charge of the Light Brigade) – Regie: Michael Curtiz. Dieser Film stellt die Attacke der leichten Brigade aber als Racheakt für ein Massaker Surat Khans an Angehörigen dieser Einheit, zwei Jahre zuvor, dar. Der Sturm auf die russischen Stellungen wurde zudem nicht durch Kommunikationsfehler ausgelöst, sondern durch bewusste Manipulation des Ordonnanzoffiziers, der statt einem Befehl zum Abzug einen Angriffsbefehl überbrachte. Der Angriff wird zwar ebenso als aussichtslos dargestellt, hätte aber den Sieg der Briten im Krimkrieg überhaupt erst ermöglicht.

Historisch wesentlich genauer in der Beschreibung und mit großer Detailtreue wurden die Ereignisse von Tony Richardson 1968 mit David Hemmings (Captain Nolan), Trevor Howard (Lord Cardigan) und John Gielgud (Lord Raglan) in Der Angriff der leichten Brigade verfilmt. In der entscheidenden Schlussszene des Films setzte der Regisseur sogar 670 Reiter ein.

Durch die Band Iron Maiden wurde 1983 der Song The Trooper über die Attacke der Leichten Brigade aufgenommen. Es existiert zudem eine Bearbeitung mit dem Titel The Charge durch die britische Indy-Rockband New Model Army.

Das musikalische Duo Phantom/Ghost bedient sich des Themas im ersten Lied The Charge Of A Light Brigade ihres 2009er-Albums Thrown Out Of Drama School.

Eine 1996 ausgestrahlte Episode der Fernsehserie The Outer Limits trägt den Titel The Light Brigade. In dieser Episode geht es um ein Raumschiff mit dem Namen „The Light Brigade“, das eine Waffe transportiert, welche die letzte Hoffnung der Menschheit in einem interstellaren Krieg ist.

In der Star Trek: Deep Space Nine Episode Sacrifice of Angels dt. Sieg oder Niederlage wird die dritte Strophe des Gedichtes The Charge of the Light Brigade von Miles O’Brien und Julian Bashir in einer vergleichbaren Situation zitiert (die Sternenflotte kämpft gegen eine mehr als doppelt so große Flotte des Dominion).

In dem Film The Four Feathers (Die vier Federn) von 1939 wird die Erzählung über den Angriff der leichten Brigade sowohl am Beginn des Film, wie auch an seinem Ende vom Vater des Protagonisten als Beispiel von großer Tapferkeit geschildert, die den Sohn anspornen soll.

In Black Beauty wird die Attacke aus Sicht eines überlebenden Pferdes geschildert. Hier werden vor allem die Bedingungen von Pferden im Krieg angeprangert.

Eingang in den Sprachgebrauch

Vor allem im britischen Sprachgebrauch wird „Charge of the Light Brigade“ noch heute verwendet, um ironisch eine Unternehmung zu kennzeichnen, die mit großem Mut und hoher Disziplin, jedoch mit mangelhafter Vorbereitung und untauglichen Mitteln durchgeführt wird. Ein Scheitern wird nicht nur als wahrscheinlich, sondern als sicher gesehen.

Gliederung der Leichten Brigade

Uniform des 17. Regiment of Light Dragoons (Lancers)
  • Leichte Brigade – Generalmajor Lord Cardigan
    • 4. (The Queen’s Own) Regiment of Light Dragoons – Oberstleutnant Lord George Paget
    • 8. (The King’s Royal Irish) Regiment of Hussars – Oberstleutnant Frederick Shewell
    • 11. (Prince Albert’s Own) Regiment of Hussars – Oberstleutnant John Douglas
    • 13. Regiment of Light Dragoons – Hauptmann John Oldman
    • 17. Regiment of Light Dragoons (Lancers) – Hauptmann William Morris

Die Leichte Brigade gehörte zur Kavalleriedivision. Diese stand unter dem Befehl von Lord Lucan, dem Schwager von Lord Cardigan.

Literatur

  • Mark Adkin: The Charge. The Real Reason Why the Light Brigade was Lost. Leo Cooper, London 1996, ISBN 0-85052-469-5, (auch: Pimlico, London 2004, ISBN 1-84413-734-1).
  • Somerset John Gough-Calthorpe, 7th Baron Calthorpe: Letters from Headquarters; Or, The Realities of the War in the Crimea, by an Officer on the Staff. 3rd Edition, condensed. John Murray, London 1857, Google Book Search. (Auch Deutsch: Briefe aus dem Hauptquartier oder die Wahrheit über den Krieg in der Krimm. 2 Bände (3 Teile), Schneider, Berlin 1857).
  • John & Boris Mollo: Into the Valley of Death. The British cavalry division at Balaclava. Windrow & Greene, London 1991, ISBN 1-872004-75-X.
  • Clive Ponting: The Crimean War. The Truth Behind the Myth. Chatto & Windus, London 2004, ISBN 0-70117-390-4.
  • Alexander Rodger: Battle Honours of the British Empire and Commonwealth Land Forces, 1662–1991. Crowood, Ramsbury 2003, ISBN 1-86126-637-5.
  • David Saul: Die größten Fehlschläge der Militärgeschichte. Von der Schlacht im Teutoburger Wald bis zur Operation Desert Storm. 3. Auflage, Taschenbucherstausgabe. Heyne, München 2003, ISBN 3-453-86127-2, (Heyne 19, Heyne-Sachbuch 833), (Originalausgabe: Military blunders).
  • Alfred Tennyson: Gedicht The Charge of the Light Brigade 1854.
  • German Werth: Der Krimkrieg. Geburtsstunde der Weltmacht Rußland. Lizenzausgabe. Ungekürzte Ausgabe. Ullstein, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-548-34949-8, (Ullstein-Buch. Zeitgeschichte 34949).

Anmerkungen

  1. Ponting
  2. Calthorpe
  3. Adkin S. 217
  4. Adkin, S. 247ff.

Weblinks


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