- Spinor
-
Ein Spinor ist in der Mathematik, und dort speziell in der Differentialgeometrie, ein Vektor in einer kleinsten Darstellung (ρ,V) einer Spin-Gruppe. Die Spin-Gruppe ist isomorph zu einer Teilmenge einer Clifford-Algebra. Jede Clifford-Algebra ist isomorph zu einer Teil-Algebra einer reellen, komplexen oder quaternionischen Matrix-Algebra. Diese hat eine kanonische Darstellung durch Spaltenvektoren, die Spinoren.
Ein Spinor ist in der Physik meist ein Vektor einer 2-dimensionalen komplexen Darstellung der Spin-Gruppe
, die zur Gruppe der Lorentz-Transformationen
des Minkowski-Raums gehört. Wichtig ist hier vor allem das Drehverhalten.
Inhaltsverzeichnis
Spinoren der Quantenphysik
Struktur der Gruppe Spin(1,3)
Die Gruppe
ist eine Teilmenge des geraden Teils
der Clifford-Algebra
. Die gesamte Algebra wird von den vier kanonischen Basisvektoren
,
,
,
des 4-dimensionalen Minkowski-Raums M4 mit quadratischer Form (in Koordinaten dieser Basis)
erzeugt. Dementsprechend antikommutieren die Produkte verschiedener Basisvektoren; für ihre Quadrate gilt v2 = − Q(v), also
,
.
Die Unteralgebra
der geraden Elemente wird erzeugt von zweifachen Produkten, die
enthalten:
,
,
. Diese antikommutieren ebenfalls; ihre Quadrate haben den Wert 1.
Die fehlenden zweifachen Produkte bilden eine „doppelt gerade“ Unteralgebra, die von geraden Produkten der
erzeugt wird:
Die von den
erzeugte Unteralgebra ist isomorph zur Algebra der Quaternionen. Mit Rücksicht auf die Pauli-Matrizen identifizieren wir
,
,
; Genaueres weiter unten.
Unter den Basisvektoren der geraden Unteralgebra fehlt noch das Volumenelement
Dieses kommutiert mit der gesamten geraden Unteralgebra, es gilt ω2 = − 1.
Isomorphe Matrixalgebra
Es ist leicht zu sehen, dass
die gerade Unteralgebra erzeugen und dass der ungerade Teil der Algebra als
zu erhalten ist. Insgesamt gilt:
und
erzeugen jeweils zu den Quaternionen isomorphe Unteralgebren,
- diese Unteralgebren kommutieren miteinander und
- spannen zusammen die gesamte Algebra auf.
Dies liefert den Isomorphismus φ
,
der eingeschränkt einen Isomorphismus
ergibt.
Es sei im folgenden immer
, wobei i eine imaginäre Einheit der Quaternionen ist. Dann kann der Isomorphismus wie folgt definiert werden:
Als Folge daraus ergeben sich mit
und
Darstellung in den Quaternionen, Majorana-Spinoren
Es gibt einen Isomorphismus
, der einem Tensorprodukt
die Abbildung
zuordnet. Damit ist
eine quaternionisch eindimensionale oder reell vierdimensionale Darstellung der gesamten Clifford-Algebra. Als letzteres hat sie den Namen Majorana-Spinor-Darstellung, nach Ettore Majorana.
Darstellung in den komplexen Zahlen, Weyl-Spinoren
Wir definieren eine bijektive Abbildung
als
. Diese Abbildung ist reell linear und komplex rechts antilinear, d. h.
. Sei θ: = S − 1 die Koordinatenabbildung. Damit definieren wir
, durch
,
d. h. einem Element
aus
wird die Abbildung, die durch
gegeben ist, zugeordnet. Dabei ist z. B.
.
Die Matrix dieser Abbildung ist die erste Pauli-Matrix σ1, analog gilt
und
.
Somit ist ρW eine komplex zweidimensionale Darstellung der geraden Unteralgebra und damit auch der
-Gruppe. Diese Darstellung von
heißt Weyl-Spinor-Darstellung, benannt nach Hermann Weyl (siehe auch: Pauli-Matrizen).
Zu dieser gibt es eine konjugierte Darstellung
, wobei
Dirac-, Weyl- und Majorana-Spinoren
Eine treue Darstellung ist eine Einbettung der Algebra in eine Matrixgruppe, oder generell in die Endomorphismengruppe eines Vektorraums. Dabei sollen Elemente der Spin-Gruppe auf orthogonale oder unitäre Matrizen abgebildet werden.
Dazu folgendes Lemma: Sind A, B selbstadjungierte unitäre Abbildungen auf V mit A2 = B2 = I und AB = − BA, so zerfällt V in isomorphe, zueinander orthogonale Unterräume
und
. Das Tripel (V,A,B) lässt sich isomorph abbilden auf
I + ist die Identität auf V + . Das auftretende Tensorprodukt kann hier auch als das Kronecker-Produkt von Matrizen aufgefasst werden.
Weyl-Spinoren
Eine Weyl-Spinor-Darstellung, benannt nach Hermann Weyl, ist eine kleinste komplexe Darstellung von
. Diese ist gleichzeitig auch die kleinste komplexe Darstellung der geraden Unteralgebra
.
Angenommen, wir hätten eine komplexe Darstellung (ρ,V) von
in einen hermiteschen Vektorraum V vorliegen. Dabei sind die Bilder
(der Kürze wegen lassen wir im weiteren das ρ weg) unitäre, selbstadjungierte Abbildungen von V in sich.
und
erfüllen die Voraussetzungen des Lemmas, wir können also zu einer isomorphen Darstellung
mit
und
übergehen.
Um die Gestalt von
einzuschränken, betrachten wir das Produkt
und stellen fest, dass aufgrund der Vertauschungsregeln
- (f1f2)f3 = f3(f1f2) und (f1f2)f1 = − f1(f1f2)
sich folgende Gestalt zwingend ergibt
mit
Da der Vektorraum V + komplex ist, können wir ihn in zueinander orthogonale Unterräume V + + und V + − aufspalten, auf welchen
wie i oder − i wirkt. Beide Unterräume ergeben separate Darstellungen, die jeweils minimalen sind zueinander komplex konjugiert, die Matrizen sind die schon genannten Pauli-Matrizen, denn wenn
, so ist
Im minimalen Fall ist
, V + − = {0} oder umgekehrt. Es gibt also zwei konjugierte Weyl-Spinor-Darstellungen.
Anwendung: siehe Weyl-Gleichung
Dirac-Spinoren
In der Quantenelektrodynamik bzw. Atiyah-Singer-Indextheorie wird der Dirac-Operator definiert. Das „wie“ ist nicht wichtig, nur, dass eine Darstellung der gesamten Clifford-Algebra benötigt wird. Die Dirac-Spinor-Darstellung, nach Paul Dirac, ist die kleinste komplexe Darstellung von
.
Ist eine solche komplexe Darstellung gegeben, so können wir wie oben die Darstellung der geraden Unteralgebra analysieren. Um auch den ungeraden Teil zu bestimmen, betrachten wir das Bild von
. Es kommutiert mit
und antikommutiert mit
, wie oben stellen wir fest, dass
mit
Man überzeugt sich, dass
die Unterräume V + + und V + − vertauscht, wir können also die Darstellung durch eine noch weiter faktorisierte ersetzen:
mit den Bildern der Generatoren
Die minimale Dirac-Spinor-Darstellung ist wieder die mit
(und jede dazu isomorphe).
Majorana-Spinoren
Die Majorana-Spinor-Darstellung, nach Ettore Majorana, sowohl der Spin-Gruppe als auch der Clifford-Algebra ist die kleinste reelle Darstellung von
. Wir können die Analyse von oben übernehmen bis zu der Stelle, an welcher
und
auf V + definiert sind. Hier können wir nun V + nach
zerlegen in
und
,
vertauscht beide Unterräume, allerdings ist B2 = − I, somit
mit
und
Nach Ausmultiplizieren erhalten wir für
mit den Bildern der Generatoren
Drehverhalten der Spinoren
Aus dem Obigen ist die vielleicht für die Physik wesentlichste Eigenschaft der Spinoren nicht leicht zu erkennen bzw. zu folgern: Für Teilchen mit ganzzahligem Spin s (gemessen in Einheiten des reduzierten Planck'schen Wirkungsquantums
multipliziert sich die Wellenfunktion bei einer Drehung um 2π mit dem Faktor ( − 1)2s = + 1, während sich für Teilchen mit halbzahligem Spin der Faktor ( − 1) ergibt. Ganz- oder halbzahlige Werte von s sind die einzigen Möglichkeiten; die entsprechenden Teilchen werden Bosonen bzw. Fermionen genannt.
Siehe auch
Wikimedia Foundation.