Transmutation

Transmutation

Unter Transmutation versteht man die Umwandlung von Atomkernen in andere Nuklide beispielsweise durch Kernreaktionen. Mögliche Anwendungen sind:

Ursprünglich wurde der Begriff von Alchemisten verwendet, unter denen sich jahrhundertelang der Glaube hielt, mit chemischen Mitteln andere Elemente in Gold verwandeln zu können.

Inhaltsverzeichnis

Kerntechnik / Nukleare Transmutation

In der Kerntechnik steht der Begriff Transmutation für die von außen induzierte Umwandlung von Atomkernen in andere Elemente. Meist ist damit speziell ein Verfahren gemeint, das zur Umwandlung langlebiger, stark toxischer Radionuklide wie aus dem Betrieb von Kernkraftwerken in kurzlebigere, weniger toxische Stoffe dient.

Vorbereitung

Für alle denkbaren Verfahren ist zu berücksichtigen, dass die Transmutation spezifisch für jedes Nuklid erfolgt. Daher ist der erste Schritt aller Verfahren das Abtrennen (Partitionieren) der einzelnen Nuklide zumindest mit dem Nebenziel, den Volumenzuwachs insgesamt klein zu halten. In diesem Verfahrensschrtitt und in weiteren Verfahrensschritten wird jedoch grundsätzlich und unvermeidlich zunächst die Gesamtmenge des zu behandelnden Abfalls vergrößert.

Eine Transmutation für die vergleichbar große und überwiegende Menge schwach radioaktiver Mischabfälle völlig ungeeignet. Die Deponierung von radioaktiven Mischabfällen wird mit oder ohne Volumenreduzierung nie durch eine Transmutation ersetzt.

Transmutation durch Neutronen

Bereits seit den 1940er Jahren wird großtechnisch Plutonium-239 und Uran-233 aus Uran-238 und Thorium-232 gewonnen. Dies war eine der Schlüsseltechniken beim Aufbau der großen Arsenale von Kernwaffen im Kalten Krieg.

Für die allgemeine Umwandlung von nicht strahlendem Material in radioaktives ist der Begriff Aktivierung üblich. Sie lässt sich in Kernreaktoren nie ganz vermeiden und ist ein Grund für die Entstehung von radioaktivem Abfall beim Betrieb von Kernkraftwerken. Wenn die Transmutation mit Neutronen zu Nukliden führt, die wieder als Kernbrennstoff dienen können, wird sie auch mit dem Begriff Brüten bezeichnet. Reaktoren, die dafür ausgelegt sind, dass dieser Prozess besonders effizient erfolgt, werden daher Brutreaktor genannt.

In Konzepten der 1970er Jahre zum weitgehenden Ersatz von Kohle und Erdöl als Energieträger durch Kernenergie war die Transmutation in Brutreaktoren als Teil eines nuklearen Brennstoffkreislaufs vorgesehen. Auf diese Weise sollten die Uranvorkommen möglichst effizient genutzt werden. Später rückte die Fähigkeit der Brutreaktoren in den Vordergrund, große Teile des in normalen Kernkraftwerken anfallenden Mülls in weniger problematische Stoffe umzuwandeln. Der zur Erprobung des Konzepts geplante Brutreaktor bei Kalkar wurde jedoch nie in Betrieb genommen.

Transmutation mit per Spallation erzeugten Neutronen

Ende der 1980er Jahre stellte der Nobelpreisträger Carlo Rubbia ein alternatives Reaktor-Konzept, Rubbiatron genannt, zur Transmutation vor. Dieses sieht eine Blei-Wismut-Legierung als Kühlmittel vor, welche aufgrund der hohen Atomgewichte von Blei und Wismut die Neutronen praktisch nicht mehr bremst, so dass der Reaktor im Betrieb einen sehr hohen Anteil hochenergetischer Neutronen aufweist. Weiterhin enthält das Rubbiatron eine externe Neutronenquelle, eine so genannte Spallationsquelle, die es ermöglicht, den Reaktor unterkritisch zu betreiben. Das ist nötig, weil bei den vorgesehenen hohen Neutronenenergien und Brennstoffen (insbesondere den im normalen Kernreaktor in geringen Mengen entstehenden Transuranen Americium und Curium) ein stabiler kritischer Betrieb nicht oder nur sehr schwer möglich ist. Allerdings erfolgt der Betrieb so nahe am Kritikalitätspunkt, dass jedes Neutron aus der Spallationsquelle im Reaktor im Schnitt dutzende Sekundärneutronen erzeugt.[1]

Die Spallationsquelle besteht aus einem starken Teilchenbeschleuniger, welcher eine große Zahl von hochenergetischen Protonen (typische Energie bis zu 1 GeV) auf die zugleich als Kühlmittel verwendete flüssige Blei-Wismut-Legierung schießt. Dabei setzt jedes Proton bis zu 20 und mehr Neutronen frei, die aufgrund der hohen Energie vom Blei-Kern regelrecht abdampfen.[1] Ebenso werden auch sekundär-Protonen freigesetzt, die freilich aufgrund ihrer deutlich geringeren Energie in der Regel keine weiteren Kernreaktionen auslösen[2]

Einer der Vorteile des Rubbiatrons im Vergleich zu konventionellen Reaktoren ist die schnelle und zuverlässige Regulierbarkeit: Wird die Spallationsquelle abgeschaltet, versiegt die Kernreaktion auf Zeitskalen, die der Lebensdauer der Neutronen im Reaktor entsprechen.[3] Man ist also nicht auf das Einbringen von Steuerstäben angewiesen, um die Kettenreaktion zu unterbrechen. Freilich werden auch Rubbiatrons eine Form der Steuerung benötigen, um den Abstand zum Kritikalitätspunkt auch bei zunehmenden Abbrand des ursprünglichen Inventars konstant zu halten. Je nach genauer Zusammensetzung des Kerns nimmt die Reaktivität im Betrieb zu oder ab.[1]

Andere Probleme herkömmlicher Reaktoren, insbesondere die Nachzerfallswärme, gibt es aber auch in Transmutationsanlagen: Wird diese mit großen Mengen an Americium und Curium beschickt, ist aufgrund deren vergleichsweise kurzen Halbwertszeit und hohen Zerfallsenergie schon die Zerfallswärme des Ausgangsbrennstoffs erheblich. Werden auch Uran, Thorium und/oder Plutonium als Brennstoff verwendet, übersteigt die Menge an erzeugten Spaltprodukten und eventuell sogar die Menge an erzeugten kurzlebigen Aktiniden, die Menge an verbrauchten (oder "transmutierten") Aktiniden.

Aktuell befindet sich eine Testanlage für die Transmutation mit dem Namen XT-ADS am belgischen Kernforschungszentrum SCK-CEN in Planung. Der Reaktor soll mit 50 bis 100 Megawatt thermischer Leistung (entsprechend ca. einem Achtzigstel bis einem Dreißigstel der Leistung typischer kommerzieller Reaktoren zur Stromerzeugung) und einem Kritikalitätswert von 0,95 (entsprechend 20-facher Neutronenmultiplikation) mit konventionellen MOX-Brennelementen betrieben werden.[1] Das Nachfolgeprojekt EFIT könnte mit 400 Megawatt thermisch, einer Kritikalität von 0,97 (entsprechend 33-facher Neutronenmultiplikation) und erhöhtem Anteil von minoren Aktiniden im Brennstoff arbeiten. Freilich wird auch hier Uran und Plutonium die Hauptmasse des Brennstoffs ausmachen.[1]

Beseitigung nuklearen Abfalls

Bis zum Jahr 2011 wurde weltweit noch keine große Transmutationsanlage zur Beseitigung nuklearer Abfälle verwirklicht. Lediglich im Rahmen von Forschungsprojekten wurden bisher kleine derartige Transmutationsanlagen realisiert. Die wenigen existierenden Brutreaktoren werden ausnahmslos zur Plutoniumproduktion eingesetzt.

Geplant ist derzeit eine europäische Forschungsanlage im belgischen Mol, die im Jahr 2020 fertig sein könnte. Der dortige Versuchsreaktor Myrrha (Multi-purpose Hybrid Research Reactor for Hightech Applications) würde nach derzeitigem Wissensstand nicht nur Kernabfall beseitigen, sondern auch Strom produzieren. Etwa 15 Prozent der gewonnenen Energie würden für den Teilchenbeschleuniger und ein weiterer Teil für die Anlage selbst gebraucht, der Rest könnte ins Netz eingespeist werden. Das größte Problem ist nicht mehr die Transmutation selbst, sondern das sortenreine Herausfiltern der minoren Actinoide, wie Neptunium, Americium und Curium, mit denen die Anlage gezielt beschickt werden müsste, in großem Maßstab.[4] Die notwendige Zeit für die Endlagerung des restlichen Abfalls soll von 500.000 Jahren auf etwa 500 Jahre reduziert werden können.[5]

Herstellung von Gold und anderen Edelmetallen

In einem Kernreaktor kann durch Bestrahlung von Platin oder Quecksilber Gold hergestellt werden. Da Platin teurer als Gold ist, ist es als Ausgangsmaterial besonders unwirtschaftlich. Vom Quecksilber kann nur das Isotop 196Hg, welches im natürlichen Quecksilber mit einem Gehalt von 0,15 % enthalten ist, bei Bestrahlung mit langsamen Neutronen durch Neutroneneinfang zu 197Hg umgewandelt werden, das anschließend durch Elektroneneinfang mit 64,14 Stunden Halbwertszeit in das einzige stabile Goldisotop 197Au zerfällt. Die anderen Quecksilberisotope wandeln sich bei Bestrahlung mit langsamen Neutronen ineinander um oder bilden Quecksilberisotope, die sich durch Beta-Zerfall in Thallium umwandeln. Mit schnellen Neutronen kann das Quecksilberisotop 198Hg, welches im natürlichen Quecksilber zu 9,97 % enthalten ist, durch Abspaltung eines Neutrons in das Quecksilberisotop 197Hg umgewandelt werden, welches dann (wie oben beschrieben) zu Gold zerfällt. Allerdings besitzt diese Reaktion einen geringeren Wirkungsquerschnitt und wäre nur in Schnellen Brütern oder mit Spallations-Neutronenquellen durchführbar. Denkbar ist auch, mit sehr energiereichen Neutronen aus den anderen Quecksilberisotopen mehrere Neutronen herauszuschlagen, um so Quecksilber 197Hg zu erhalten. Allerdings können so energiereiche Neutronen nur mit Hilfe von Teilchenbeschleunigern erzeugt werden.

Die Goldsynthese hat wegen ihrer geringen Effizienz keine wirtschaftliche Bedeutung.

Abgebrannte Brennelemente von Kernkraftwerken enthalten einige Prozent Spaltprodukte, von denen wiederum einige Prozent stabiles Rhodium und Ruthenium sind. Die parallel entstandenen radioaktiven Isotope der gleichen Elemente mit Halbwertszeiten von 45 Tagen bzw. 373 Tagen erschweren die Abtrennung und Nutzung. Stabiles Palladium entsteht ebenfalls bei der Kernspaltung in Anteilen von einigen Prozent. Allerdings entsteht in vergleichbarer Menge auch das radioaktive Palladiumisotop 107Pd mit einer Halbwertszeit von 6,5 Millionen Jahren. Für die Nutzung wäre daher zusätzlich zur chemischen Abtrennung eine aufwändige Isotopentrennung notwendig.

Literatur

  • Mikhail Kh. Khankhasayev: Nuclear methods for transmutation of nuclear waste - problems, perspectives, cooperative research. World Scientific Publ., 1997, ISBN 981-02-3011-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Mueller, Alex C.: Transmutation von radioaktivem Abfall. In: Physik Journal 11 (2010). S. 33-38
  2. Spallation - Neutronenquelle der dritten Generation. Welt der Physik. Abgerufen am 22. Januar 2011.
  3. Defke, Uta: Atommüll unter Beschuss. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 23. April 2006. S. 69
  4. Ulli Kulke: Ausgestrahlt. In: Die Welt. 15. September 2010, archiviert vom Original am 24. September 2010, abgerufen am 24. September 2010 (deutsch).
  5. Sonntagszeitung; Zürich; 20. November 2010, Atommüll unter Beschuss - In Belgien planen Forscher eine Anlage, die hoch radioaktiven Abfall entschärft

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