Venetianer

Venetianer

Venetianer, Venediger, Walen oder Welsche sind Bezeichnungen für fremde Mineraliensucher, die meist aus Venedig kamen und um die sich viele Sagen in Mitteleuropa ranken.

Inhaltsverzeichnis

Historischer Hintergrund

Für die Glasproduktion um 1500 in der damaligen Republik Venedig waren Zuschlagstoffe, z.B. Braunstein, erforderlich, die dem Glas seine berühmte Klarheit verliehen (venezianisches Spiegelglas). Deshalb wurden Mineralsucher in die Alpen ausgeschickt, um diese Substanzen zu sammeln. Auch manche Färbestoffe für das Glas wie Kobalt waren in Italien nicht in ausreichendem Maße zu finden und wurden in weit entfernten Gebirgsgegenden wie dem Riesengebirge und dem Erzgebirge gesucht.

Es wird jedoch vermutet, dass die Bezeichnung „Venediger“ nicht auf die Mineralsucher italienischer Herkunft beschränkte. Vielmehr wurden damit auch reiche, im Bergbau tätige Kaufleute bezeichnet, die zwar nicht aus Venedig, sondern größtenteils aus Deutschland stammten, mit Venedig jedoch regen Handel trieben.

Bedeutung als Sagenfigur

Die zur Mineralsuche ausgesandten Menschen machten zwar gelegentlich Andeutungen über den Wert der gefundenen Mineralien (Der Stein, den der deutsche Bauer nach der Kuh wirft, ist mehr wert als die Kuh), doch blieb der Verwendungszweck außerhalb Venedigs weitgehend verborgen. Das führte im Volk zu der Annahme, die Venetianer würden Gold sammeln. Viel später auftauchende Walenbücher, die angeblich Notizbücher der Mineraliensammler sein sollten und bei sorgfältigem Studium zu Goldfunden führen könnten, bezeichnet R. Schramm jedoch als Fälschungen. Dennoch wurden solche Bücher in relativ großer Zahl gedruckt und riefen eine große Zahl von Kuxgängern auf den Plan, die ebenfalls in den Bergen nach geheimen Schätzen suchten. Hinweise auf solche Schätze sollten die so genannten Walenzeichen liefern, die von den Walen auf Felswänden zur Markierung und zum späteren Wiederauffinden eingeritzt worden sein sollen.

Aufgrund ihrer fremden Sprache und ihres unverständlichen Tuns in den Bergen wurden den Venetianern oft magische Eigenschaften zugeschrieben: Die sagenhaften „Venediger Mandln“ konnten angeblich fliegen, hatten ihr geheimes Wissen direkt vom Teufel und belohnten arme Bauern für gute Taten fürstlich. Die meisten dieser magischen Eigenschaften sind auf reale Vorkommnisse zurückzuführen: Die Venetianer tauchten häufig überraschend auf und verschwanden schnell auch wieder und dürften manchmal hilfreiche Einheimische mit großzügigen Trinkgeldern belohnt haben. Der in den Sagen häufig beschriebene mysteriöse „Berg- oder Schatzspiegel“ der Venediger wird heute als einfaches, der Bevölkerung aber unbekanntes Vergrößerungsglas oder Goldwaschpfanne interpretiert.

Literatur

  • Christian Gottlieb Lehmann: Nachricht von Wahlen, Frankfurt/Leipzig 1764 (Digitalisat)
  • F. Wrubel: Sammlung bergmännischer Sagen, 1883
  • Heinrich Schurtz: Der Seifenbergbau im Erzgebirge und die Walensagen, Stuttgart 1890 (Digitalisat)
  • R. Cogho: Die Walen oder Venediger im Riesengebirge, 1898
  • Leo Winter: Die deutsche Schatzsage, Köln 1925
  • Rudolf Schramm: Venetianersagen von geheimnisvollen Schatzsuchern. Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, 1. Aufl. 1986, 2. Aufl. 1987, 3. Aufl. 1990
  • Pyrker, Eva-Maria : Der Bergname Venediger und die Sagen von den Venedigermandln : Ein Versuch zu ihrer historischen Erklärung. - Innsbruck, 1971. - (Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft, S. 215 - 226)

Weblinks


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