Verkafferung

Verkafferung

Verkafferung ist ein Begriff, der während der deutschen Kolonialherrschaft in Südwestafrika aus dem Afrikaans übernommen wurde. Er bezeichnet einen seinerzeit unerwünschten Distanzverlust und „Über“-Assimilierung gegenüber der einheimischen Bevölkerung, oder auch allgemeine Verwahrlosung. In einem übertragenen Sinne ist der Begriff als going native in der sozialwissenschaftlichen sowie ethnologischen Feldforschung bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Deutsche Kolonialgeschichte

Unter „Verkafferung“ verstanden deutsche Kolonialherren in Deutsch-Südwestafrika das sich Einlassen auf die Lebens- und Denkweise der einheimischen bantusprachigen Bevölkerung, die sie als Kaffer bezeichneten. Dies wurde im „Deutschen Kolonial-Lexikon“ 1920 als „Herabsinken eines Europäers auf die Kulturstufe des Eingeborenen“[1] begriffen. Der stete Umgang mit Einheimischen, besonders aber die „Mischehe“ begünstige diese „bedauerliche Entartung weißer Ansiedler“.[2] Unter Verkafferung verstand man aber auch eine „unordentlich“ geführte Farm, übermäßigen Alkoholkonsum, Verarmung, sowie das Integrieren ortsüblicher Wortelemente in die eigene Sprache.[3] Dieser Prozess wurde in der großbritannischen Kolonialverwaltung als going native bezeichnet.

Siehe auch: Akklimatisation, Akkulturation

Übertragene Bedeutung in der Sozialforschung

In der sozialwissenschaftlichen Feldforschung gilt (redensartlich) „Verkafferung“ als Ergebnis einer zu engagierten „teilnehmenden Beobachtung“, nämlich als Übernahme der Wert- und Lebenshaltungen der beobachteten Gruppe. Wenn (zum Beispiel) ein Gefängnissoziologe sich jahrelang zu Forschungszwecken im Gefängnis aufhält, kann er die Denk- und Handlungsweisen entweder der Strafgefangenen oder des Wachpersonals übernehmen und verliert somit seine wissenschaftlich-distanzierte Perspektive.

Andererseits (so Ronald Hitzler) bedarf es bei der Feldforschung eines gewissen Maßes von Annäherung, sonst sei eine teilnehmende Beobachtung überhaupt nicht möglich[4] (vgl. auch Ethnomethodologie).

Literatur

  • Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd. III, 1920
  • Felix Axster: Die Angst vor dem Verkaffern - Politiken der Reinigung im deutschen Kolonialismus, in: Werkstatt Geschichte 39, 2005 (Volltext als PDF)
  • Thomas Feltes: Kriminologische (Praxis-)Forschung: Einige allgemeine Gedanken zu den Abhängigkeiten und Schranken bei der Erkennbarkeit und Veränderbarkeit von kriminologisch relevanter Realität. in: Thomas Feltes, H. Kury (Hrsg.): Kriminologie und Praxisforschung. Forum, Bonn 1988, ISBN 3-927066-04-4, S.55-101
  • Daniel Joseph Walther: Creating Germans Abroad: Cultural Policies & National Identity in Namibia: Cultural Policies and National Identity in Namibia. Ohio University Press, Athens 2002, ISBN 978-0-8214-1459-0
  • Paul Willis: „Profane Culture“. Rocker, Hippies. Subversive Stile der Jugendkultur. Syndikat, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-8108-0195-X

Einzelnachweise

  1. Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band III, S. 606
  2. Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band III, S. 606
  3. Katharina Walgenbach: Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur. Campus 2006, ISBN 978-3593378701, S. 193 ff.
  4. Hitzlers Thesen zur Ethnographie

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