Wilhelm Roux

Wilhelm Roux
Wilhelm Roux

Wilhelm Roux (* 9. Juni 1850 in Jena; † 15. September 1924 in Halle (Saale)) war ein deutscher Anatom und Embryologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aus einer hugenottischen Familie stammend, der Vater Friedrich August Wilhelm Ludwig Roux war in Jena Universitätsfechtmeister, studierte Roux seit 1873 in Jena, Berlin und Straßburg Medizin; er wurde geprägt von Ernst Haeckel, Rudolf Virchow und Friedrich Daniel Recklinghausen. Gustav Schwalbe regte ihn zu kausal-morphologischen Untersuchungen an, aus denen die Dissertation „Die Verzweigungen der Blutgefäße“ (1878) hervorging. Roux erweiterte die vergleichende entwicklungsgeschichtliche Morphologie der Gegenbaur-Schule durch die Analyse der Ursachen bestimmter Formgestaltungen. Er stellte fest, dass die Gefäße der Leber durch die hämodynamischen Kräfte des Blutstromes geformt werden. Daraus leitete Roux das Prinzip der funktionellen Anpassung ab. Programmatisch für die neue Richtung wurde seine Schrift „Der Kampf der Teileim Organismus“ (1881), in der er den Darwinschen „Kampf ums Dasein“ auf die intraorganismischen Beziehungen der Zellen und Gewebe übertrug. Durch Analysen hochgradig funktionell bedingter Organgestaltungen (unter anderem Knochenbälkchen im Oberschenkelhalsknochen, Schwanzflosse des Delphins) gelang ihm der Nachweis einer Physiologie der Formbildung, womit er die Arbeiten Georg Hermann von Meyers (1815–1892), Julius Wolffs und August Raubers (1841–1917) zur Begründung der funktionellen Orthopädie fortführte. Diese Arbeiten Roux fielen in seine Breslauer Jahre, wo er von 1879 bis 1889 wirkte, zuletzt als Direktor des auf Friedrich Althoffs Veranlassung eigens für Roux gegründeten Instituts für Entwicklungsgeschichte und Entwicklungsmechanik. 1889 folgte er einem Ruf nach Innsbruck. 1895 ging Roux als Direktor des Anatomischen Instituts nach Halle, wo er 1924 an den Folgen eines Schlaganfalls verstarb.

Die Bayerische Akademie der Wissenschaften ernannte ihn 1911 zu ihrem korrespondierenden Mitglied.

Leistungen als Biologe

Roux fragte in seiner Untersuchung „Über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren“ (Engelmann, Leipzig, 1883), warum der Zellkern sich nicht einfach in der Mitte ein- und abschnüre, sondern die Kernfäden das „weitläufige Formenspiel“ der Mitose durchliefen. Er gab die zunächst noch hypothetische Antwort ganz im Sinne der mit dieser Arbeit begründeten Chromosomentheorie der Vererbung. Im Kernchromatin erkannte er die Vererbungssubstanz, in der „Körner“ unterschiedlicher Qualität zu Fäden aufgereiht seien. Der „Mutterfaden“ spalte sich durch „Teilung unter Erhaltung der Anordnung der Länge nach in zwei Tochterfäden …“

Berühmt wurde Roux durch die Experimente am sich entwickelnden Froschkeim. Auf ihnen gründet das Programm einer „Entwicklungsmechanik des Embryo“ (1885). Für diesen neuen biologischen Wissenschaftszweig gab Roux selbst mehrere Definitionen, die einmal stärker mechanistisch ausgerichtet waren, zum anderen die spezifisch biotischen Lebensleistungen in den Mittelpunkt rückten. Dennoch gilt Roux in der Biologiegeschichte als typischer Vertreter des Mechanizismus, was zumindest ungenau ist. 1887 stellte Roux erstmals Hemiembryonen vor, das heißt typische halbe Froschlarven, die er durch das Abtöten einer der beiden ersten Tochterzellen des Froschkeimes erhielt. Entwicklung ist danach eine mit der ersten Furchungsteilung einsetzende gleichmäßige Verteilung der Keimqualitäten auf die künftigen Organe (Mosaikenentwicklung), was mit seiner Deutung der Kernteilungsfiguren korrespondierte. Doch das blieb nicht Roux letztes Wort, denn einige seiner Hemiembryonen zeigten typische regenerative Effekte; der Hemiembryo komplettierte sich, was Roux durch die Hypothese eines Reserveidioplasmas, das bei jeder Zellteilung an jede Tochterzelle mitgegeben werde, zu erklären suchte. 1891 erhielt Hans Driesch mit Seeigeleiern aus den im Zweizellenstadium halbierten Keimen vorwiegend sofort Ganzbildungen, womit Roux Theorie der ontogenetischen Entwicklung erschüttert war. Die Klärung der Differenz der Ergebnisse von Roux und Driesch gelang erst wesentlich später, aufbauend auf den Arbeiten von Theodor Boveri, Alexander Gurwitsch und Paul Alfred Weiss sowie durch die biochemische und genetisch-molekularbiologische moderne Forschung. Roux wissenschaftlicher Lebensweg war fortan durch die Kontroversen mit Driesch und Oskar Hertwig bestimmt, was jedoch für die Propagierung der Entwicklungsmechanik, die auch als Entwicklungsphysiologie bezeichnet wurde, sehr förderlich war. Im Herbst 1894 gründete Roux das „Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen“, das unter mehrfach wechselndem Namen bis heute erscheint. Die Bedeutung Roux für die Biologie besteht in der Begründung eines experimentellen biologischen Konzepts. Damit wurde sein Werk zum Ausgangspunkt der modernen Biologie.

Werke

  • Geschichtliche Abhandlung über Entwicklungsmechanik (2 Bände, 1895)
  • Der Kampf der Teile im Organismus (1881)
  • Über die Entwicklungsmechanik der Organismen (1890)
  • Die Entwicklungsmechanik (1905)
  • Terminologie der Entwicklungsmechanik (1912)

Literatur

  • Hermann Stieve: Wilhelm Roux. In: Mitteldeutsche Lebensbilder, 2. Band Lebensbilder des 19. Jahrhunderts, Magdeburg 1927, S. 452–461.
  • Reinhard Mocek: Wilhelm Roux und Hans Driesch - Zur Geschichte der Entwicklungsphysiologie der Tiere. Jena 1971

Weblinks


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