Kleinkastell Kochendorf

Kleinkastell Kochendorf
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Kleinkastell Kochendorf
Limes ORL -- (RLK)
Strecke (RLK) ORL-Strecke 10
Neckar-Odenwald-Limes
Odenwaldlinie
Datierung (Belegung) Kastell: bis Mitte des 2. Jh.
Vicus: bis Mitte des 3. Jh.
Typ Kleinkastell
Einheit unbekannte Vexillatio in Zenturienstärke
Größe 48 × 48 m = 0,2 ha
Bauweise Steinkastell
Erhaltungszustand Bodendenkmal
Ort Bad Friedrichshall-Kochendorf
Geographische Lage 49° 13′ 32,5″ N, 9° 13′ 31,2″ O49.2256944444449.2253472222222175
Höhe 175 m ü. NHN
Vorhergehend Uferkastell Duttenberg (nordwestlich)
Anschließend ORL 54/55 Kastell Wimpfen im Tal (westlich; Neckarlinie des Neckar-Odenwald-Limes)
ORL 56 Kastell Böckingen (südlich; Neckarlinie)

Das Kleinkastell Kochendorf ist eine ehemalige römische Fortifikation an der älteren Odenwaldlinie des Neckar-Odenwald-Limes. Das Militärlager befand sich auf dem Gebiet des im heutigen baden-württembergischen Landkreis Heilbronn gelegenen Ortsteils Kochendorf der Stadt Bad Friedrichshall.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Forschungsgeschichte

Das heutige Bodendenkmal befindet sich auf einer landwirtschaftlich genutzten Freifläche am Lindenberg, rund 500 m ONO von der Kochendorfer Sebastianskirche entfernt, unmittelbar nördlich der Neuenstadter Straße. Das Gelände des Vicus schließt sich im Norden zwischen Kastell und Kocher und im Osten an. Die Gräberfelder liegen an einer nach Süden führenden Straße, der heutigen Oststraße bzw. dem heutigen Remmelsweg. Die direkte Entfernung des Kastells beträgt 1,5 zum Neckar, wo eine Flusslände vermutet wird, und 1,7 km zur Mündung des Kochers.

Erste Aufmerksamkeit erheischte dieser Platz durch den Fund eines Denars des Vespasian im Jahr 1979 sowie durch weitere Lesefunde, darunter zahlreiche datierbare Sigillaten im Jahre 1985.[1][2] Er wurde daraufhin regelmäßig luftbildarchäologisch überwacht, bis 1990 durch Otto Braasch das Kastell zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte.[3] Das Gräberfeld in der Flur Teufelsäcker war schon 1961 von Hans Riexinger lokalisiert worden.[4]

Das Kastellgelände von Kochendorf ist bislang von Bodeneingriffen verschont geblieben und wurde auch nicht archäologisch ergraben. Es ist als archäologisches Reservat ausgewiesen und geschützt.

Kastell

Das Steinkastell besaß einen quadratischen Grundriss (mit abgerundeten Ecken) von 48 m Seitenlänge. Es verfügte über zwei Tore, die gegenüberliegend nach Osten zum Limes hin und nach Westen Richtung Neckar ausgerichtet waren. Die Tordurchlässe waren im Kastellinneren von zwei eingezogenen Torwangen flankiert. Ein stellenweise parallel zur Wehrmauer verlaufendes Bewuchsmerkmal deutet auf einen vorgelagerten, nach der Auflassung des Kastells verfüllten Verteidigungsgraben hin. Mit ihrem Grundriss entspricht die kleine Fortikation von Kochendorf den Kleinkastellen Trienz, Haselburg, Hönehaus und Rinschheim. Von der Innenbebauung sind im Luftbild nur einzelne Pfostensetzungen und Mauerstücke erkennbar, die keine gesicherte Aussage über die Innenstruktur des Lagers zulassen.[5]

Die Besatzung dürfte aus einer Vexillation in Stärke einer Zenturie bestanden haben, die möglicherweise der Kohorte in Bad Wimpfen unterstand[6] und deren Aufgabe die Überwachung des Kochermündungsgebietes gewesen sein könnte. Mit der Vorverlegung des Limes nach Osten wurde auch das Kleinkastell Kochendorf aufgegeben.

Die Bedeutung der Entdeckung des Kochendorfer Kastells liegt darin, dass hiermit und im Zusammenhang mit den bereits 1962 und 1964 entdeckten Wachtürmen[7] südöstlich des Kastellplatzes der Nachweis für die Verlängerung des Odenwaldlimes über die Jagst hinaus nach Süden erbracht wurde.[6]

Vicus und Gräberfeld

Der Kastellvicus, die zivile Siedlung, die bei nahezu jeder römischen Garnison anzutreffen ist, schloss sich im Norden und im Osten an das Kastell an und konnte dort bis zu einer Tiefe von 100 m nachgewiesen werden. Dort fanden sich verkohlte Fachwerkreste, Hüttenlehm, Keller- oder Abfallgruben, Mauerschutt und zahlreiche Scherben von Gebrauchskeramik. Ausweislich der Funde bestand der Vicus bereits in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts und hatte über die Auflassung des Kastells hinaus Bestand.[8]

Das Gräberfeld des Kastells und des Vicus erstreckte sich längs der Oststraße in der Flur Teufelsäcker. Hier wurden zwischen 1961 und 1988 insgesamt 22 Brandgräber freigelegt, von denen einige bereits zerstört waren.[9] Für einen möglichen Terminus post quem zum Ende der Besiedlung des Vicus kann der Grabfund eines Dupondius des Philippus Arabs (244–249) dienen. Der Bereich der Grabfundstellen ist heute weitestgehend von einem Wohnhaus überbaut.

Wachtürme

Bereits 1962 und 1964 wurden südöstlich des Kastells die Reste zweier Limeswachtürme freigelegt. Es handelte sich in beiden Fällen um steinerne Türme. Der erste Turm befand sich in der Flur Ried, etwa 1,4 km OSO des Ortszentrums, auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche. Dort wurden die Bewuchsspuren eines Gebäudes mit quadratischem Grundriss festgestellt. Die folgende Ausgrabung förderte ein Turmfundament mit einer Seitenlänge von 5,40 m zu Tage. Die Breite der Fundamentmauer betrug 85 cm. Die Fundamentgrube selbst hatte eine Breite von 90 cm und war 80 cm weit in den Boden eingetieft. Unter den wenigen Begleitfunden waren auch Fragmente von Mörtel und Wandverputz [10].

Der zweite Turm lag in der Flur Platten, etwa 2,1 km SO der Ortsmitte auf einem Getreidefeld. Die Ausgrabung wies ein durch Pflugtätigkeiten schon stark zerstörtes, quadratisches Steinturmfundament von 8,2 m Seitenlänge nach. Die Mauerstärke betrug etwa 1,5 m.[10][11]

Denkmalschutz

Das Bodendenkmal „Kleinkastell Kochendorf“ ist geschützt als eingetragenes Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden-Württemberg (DSchG)[12] Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 206.
  • Otto Braasch: Neue Ergebnisse der Flugprospektion. In: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1990. Theiss, Stuttgart 1991, ISBN 3-8062-0872-7, S. 303–315, insbes. S. 313–315.
  • Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg. Band 78), S. 35–38 und 188–193 sowie Tafeln 9–16.
  • Dieter Planck (Hrsg.): Römisches Kastell Kochendorf. In: Dieter Planck u.a. (Hrsg.): Unterirdisches Baden-Württemberg. 250000 Jahre Geschichte und Archäologie im Luftbild. Theiss, Stuttgart 1994, ISBN 3-8062-0497-7, S. 158f.[A 1]
  • Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Entlang der römischen Grenze zwischen Main und Neckar. Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2309-5, S. 152–154.
  • Andreas Thiel: Bad Friedrichshall Kochendorf. Kleinkastell mit Vicus und Gräberfeld. In: Dieter Planck (Hrsg.): Die Römer in Baden-Württemberg. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-1555-3, S. 20f.

Einzelnachweise

  1. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 35.
  2. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 188f.
  3. Otto Braasch: Neue Ergebnisse der Flugprospektion. In: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Hrsg.): Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1990. Theiss, Stuttgart 1991, ISBN 3-8062-0872-7, S. 313–315.
  4. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 37f.
  5. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 188.
  6. a b Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 37.
  7. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 192f.
  8. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 37 und 189.
  9. Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 37f. und S. 189ff.
  10. a b Clauss-Michael Hüssen: Die römische Besiedlung im Umland von Heilbronn. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1493-X (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, 78), S. 193.
  11. In: Fundberichte aus Schwaben. Neue Folge 18/2. Schweizerbart, Stuttgart 1967, S. 88.
  12. Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg.

Anmerkungen

  1. Kurzrezension auf der Webpräsenz des Bibliotheksservice-Zentrums Baden-Württemberg (BSZ).

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