Umsetzungskompetenz

Umsetzungskompetenz

Der Begriff Umsetzungskompetenz (auch Umsetzungsstärke genannt) bezeichnet zum einen die durch Willenskraft (Volition) gesteuerte Fähigkeit von Menschen, Ziele und Motive in Ergebnisse umzusetzen und zum anderen die Fähigkeit von Organisationen (zum Beispiel Unternehmen), Strategien, Veränderungsprozesse oder Innovationen effizient zu implementieren.

Inhaltsverzeichnis

Theorie

Ein wichtiger Hintergrund für die Bedeutung des Themas Umsetzungskompetenz ist die empirische Beobachtung, dass es manchen Menschen gelingt, mit relativ wenig Aufwand große Leistungen zu erbringen oder anspruchsvolle Ziele zu erreichen, während andere trotz größter Bemühungen und umfangreicher Kenntnisse immer wieder scheitern.[1] Dieser Vergleich zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Menschen wird seit Sokrates diskutiert[2] und hat sich in den vergangenen Jahren unter dem Begriff "Umsetzungskompetenz" in verschiedenen Disziplinen als Forschungsthema etabliert. Im Managementtraining versteht man darunter ein Synonym für Tatkraft. Im Unternehmensalltag sind Umsetzungsdefizite häufig zu beobachten. Beispielsweise werden zahlreiche Sitzungen abgehalten, die Umsetzung der Beschlüsse kommt aber nicht zustande; [3] und die traditionelle Betriebswirtschaft kennt das Konzept der Willensbildung und Willensdurchsetzung in sich selbst steuernden Systemen.[4]

In der Persönlichkeitsdiagnostik wie zum Beispiel dem Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung ist ein Teilaspekt der Umsetzungskompetenz mit der Skala der Handlungsorientierung vergleichbar. Damit misst man den Willen zur raschen Umsetzung einer Entscheidung in zielgerichtete Aktivitäten. Die Betonung liegt dabei auf dem zeitlichen Aspekt, nämlich der Frage, inwiefern handlungsorientierte Menschen ihre Aktivitäten schneller aufnehmen werden als andere. [5]

Bei der Umsetzungskompetenz liegt die Betonung dagegen auf dem sachlichen Aspekt (tatsächliches, beobachtbares Verhalten).[6]

Im Management (Innovationsforschung) wird der Begriff der Umsetzungskompetenz auch als Realisierung kreativer Ideen interpretiert nach dem Motto: „Wir sind Wissensriesen, aber Umsetzungszwerge“.[7]

Im angelsächsischen Sprachraum ist dieses Phänomen unter dem Begriff „Knowing-Doing Gap“ bekannt. Beispielsweise beklagen Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton: „Organizational performance often depends more on how skilled managers are at turning knowledge into action than on knowing the right things to do.“ [8] Es sei, so die Autoren, eine paradoxe Situation (performance paradox), dass Manager oft ganz genau wissen, was zu tun ist, tatsächlich ignorieren sie aber dieses Wissen und tun genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich wollen. [9]

Das Thema Umsetzungskompetenz spielt auch im Marketing eine wichtige Rolle. In dieser Disziplin existiert eine wissenschaftlich noch nicht hinreichend erklärte „Lücke“ zwischen der Handlungsbereitschaft (Kaufmotiv) eines Konsumenten und dem tatsächlichen Handlungsergebnis (Kauf). Beispiel: Wenn bei einem Menschen das Status-Motiv angeregt wurde, heißt das noch lange nicht, dass er als Kunde in einer bestimmten Situation auch tatsächlich mehr einkauft, weil er seine Gedanken, Gefühle (Motive) und Handlungen über den Willen (Volition) steuern kann.[10]

Zur Umsetzungskompetenz (Umsetzungsstärke) in Bezug auf Unternehmen haben Gary Neilson und Co-Autoren in der Harvard Business Review eine Befragung von über 1.000 Organisationen mit über 25.000 Beschäftigten durchgeführt um herauszufinden, welche Eigenschaften (Traits) umsetzungsstarke Unternehmen auszeichnen. Die Ergebnisse (17 Eigenschaften) lassen sich zu vier Blöcken (Themen) zusammenfassen:[11]

  • Thema Information
  • Wichtige Informationen über das Wettbewerbsumfeld erreichen schnell die Firmenzentrale
  • Mitarbeiter verfügen meist über die nötigen Informationen um ihre Beitrag zum Unternehmenserfolg zu verstehen
  • Thema Entscheidungsbefungnisse
  • Manager auf höheren Hierarchiestufen packen selbst mit an, indem sie in Entscheidungen eingreifen
  • Die Konzernzentrale hat eher eine unterstützende als eine kontrollierende Aufgabe
  • Thema Anreize
  • Die Fähigkeit, Zielvereinbarungen einzuhalten hat einen Einfluss auf Karriere und Vergütung
  • In einem wirtschaftlich schlechten Jahr erhalten auch weniger erfolgreiche Abteilungen einen Bonus
  • Thema Struktur
  • Beförderungen erfolgen nicht nur hierarchisch, sondern auch horizontal
  • Mittelmanager haben meist weniger als fünf direkte Untergebene.

Zu diesen Aspekten schlagen die Autoren ein Kennzahlensystem vor, das der Balanced Scorecard ähnlich ist. Diese Umsetzungskompetenz einer Organisation im Sinne der indirekten Führung erfordert in der Praxis entsprechende Fähigkeiten der Führungskräfte im Sinne der direkten Führung (siehe Führungskompetenz).[12]

Praxis

Zur praktischen Anwendung der Umsetzungskompetenz (Umsetzungsstärke) in Bezug auf den menschlichen Aspekt gibt es inzwischen zahlreiche Vorschläge und Lösungsansätze in verschiedenen Disziplinen. In der Psychologie handelt es sich um das Konzept der Volition (Psychologie). Beispielsweise zeigt die Studie von June Tangney und Co-Autoren, dass Menschen mit Umsetzungsstärke bessere persönliche Beziehungen haben, über mehr Selbstvertrauen verfügen, mehr Leistung bringen und weniger anfällig für Stress und psychische Störungen sind.[13] Im Bereich der Medizin weisen Jean-Paul Broonen und Co-Autoren darauf hin, dass viele Patienten mit starken Schmerzen diese zwar unbedingt lindern möchten, gleichzeitig aber nicht in der Lage sind, diese Motivation in konkrete Handlungen umzusetzen, also bestimmte Therapien konsequent durchzuführen. Deshalb wird in speziellen Programmen zunächst die Umsetzungsstärke gefördert.[14]

Zu nennen wären weitere Beispiele aus dem Bereich der Managementlehre (siehe Volition (Management)). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die empirische Studie von Steven Brown und Co-Autoren, die in einer Langzeitstudie die Bedeutung der Volition für den Erfolg von Verkäufern empirisch belegt haben.[15] Zum gleichen Ergebnis kommen Robert D’intino und Co-Autoren bei der Auswertung verschiedener Studien zum unternehmerischen Erfolg. Bei der unternehmerischen Tätigkeit kommt es besonders darauf an, den gesamten Prozess (von der Zielsetzung über die Planung, Organisation und Erfolgskontrolle) aus eigenem Antrieb und gegen zahlreiche Widerstände zu gestalten (Prinzip der Selbstregulierung oder Selbstführung).[16]Insbesondere aus den Neurowissenschaften kommen viel versprechende Erkenntnisse zur Schließung dieser Lücke zwischen Absichten und Resultaten (siehe die Arbeiten von Patrick Haggard, Roy Baumeister, Joseph Forgas sowie Waldemar Pelz im Literaturverzeichnis). Diese Forschungsergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen und zu messbaren Teilkompetenzen operationalisieren[17]:

A. Aufmerksamkeitssteuerung und Fokussierung: Kann sich die Person voll aufs Wesentliche konzentrieren, auch wenn Einflüsse auftreten, die die Motivation und Aufmerksamkeit beeinträchtigen; kann sie klare Prioritäten setzen?
B. Emotions- und Stimmungsmanagement zur Steigerung der persönlichen Energie: Ist die Person in der Lage, sich selbst und Andere in eine positive Gefühlslage zu versetzen, und kann sie eigenes und fremdes Verhalten treffend antizipieren und somit besser steuern?
C. Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke: Ist die Person aufgrund ihrer Erfahrungen von den eigenen Fähigkeiten und Erfolgen überzeugt, und kann sie Ziele konstruktiv und umsichtig durchsetzen?
D. Vorausschauende Planung und kreative Problemlösung: Ist das Handeln grundsätzlich pro-aktiv (statt re-aktiv) und zukunftsorientiert; ist die Person auf Risiken und Probleme gut vorbereitet?
E. Zielbezogene Selbstdisziplin durch Erkennen des tieferen Sinns des Handelns: Verfügt die Person über ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen, bis Ergebnisse vorliegen; erkennt sie den tieferen Sinn in ihrer Tätigkeit; kann sie mit den abgelehnten Erwartungen Anderer konstruktiv umgehen?

Einen Vorschlag zur Operationalisierung und Messung dieser Kompetenzen (Konstrukte) wurde vom Steinbeis-Institut für Management-Innovation als Test zur Selbsteinschätzung entwickelt.

Siehe auch

Belege

  1. Kehr, H. M., Integrating implicit motives, explicit, motives, and perceived abilities: the compensatory model of of work motivation and volition, in: Academy of Management Review, Vol. 29 (2004), No. 3, p. 479)
  2. Pelz, W., Kompetent führen, Wiesbaden 2004, S. 217
  3. Heyse, V. & Erpenbeck, J., Kompetenztraining, 2. Auflage, Stuttgart 2009, S. 136
  4. Heinen, E., Betriebswirtschaftliche Führungslehre, 2. Auflage, Wiesbaden 1984
  5. Hossiep, R. & Paschen, M., Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung, 2. Auflage, Göttingen 2003, S. 28 und 61
  6. Brown, S. P. et. al., Effects of Goal-Directed Emotions on Salesperson Volitions, Behavior, and Performance, in: Journal of Marketing, Vol. 61 (1997), 39-50
  7. Wunderer, R. & Bruch, H., Umsetzungskompetenz, München 2000, S. 4
  8. Pfeffer, J. & Sutton, R. I., Turning Knowledge into Action, Reducing the Knowing-Doing Gap, Harvard Business School Press, Boston, Massachusetts, 2000, S. 1
  9. Pfeffer, J. & Sutton, R. I., Turning Knowledge into Action, Reducing the Knowing-Doing Gap, Harvard Business School Press, Boston, Massachusetts, 2000, S. 2
  10. Kroeber-Riel, W. u. a., Konsumentenverhalten, 9. Auflage, München 2009, S. 55 ff. und Brockhaus, Psychologie, 2. Auflage, Mannheim 2009
  11. Gary Neilson, The Secrets to Successful Strategy Execution, in: Harvard Business Review, June 2008; erschienen als deutschen Übersetzung in: Harvard Business Manager unter dem Titel: Wie Umsetzungsstärke entsteht, Heft 9/2008
  12. Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton, Knowing "What" to Do Is Not Enough: Turning Knowledge Into Action, in: California Management Review, Vol. 42, Fall 1999
  13. refTangney, J. P. et. al., High self-control predicts good adjustment, less pathology, better grades, and interpersonal success, in: Journal of Personality, Vol. 72 (2004)
  14. [Broonen, J.-P., et. al., Is volition the missing link in the management of low back pain? In: Joint Bone Spine (2010), Online-Version
  15. Brown, S. P. et. al., Effects of goal-directed emotions on salesperson volitions, behavior, and performance: A longitudinal study, in: Journal of Marketing Vol. 61 (January 1997)
  16. D’Intino, R. S., et. al., Self-leadership: A processs of entrepreneurial success, in: Journal of Leadership and Organizational Studies, Vol. 13 (2007), No. 4
  17. Pelz, W., Fokussieren statt verzetteln, in: Personal, Heft 4/2010

Literatur

  • Beer, J., et. al., Insights into Emotion Regulation from Neuropsychology, in: Gross, J. J. (Ed.), Handbook of Emotion Regulation, New York, 2007
  • Brown, S. P. et. al., Effects of Goal-Directed Emotions on Salesperson Volitions, Behavior, and Performance, in: Journal of Marketing, Vol. 61 (1997), 39-50
  • Forgas, J. P. et. al., Psychology of Self-Regulation, New York, 2009
  • Baumeister, R. F., & Vohs, Kathleen, Handbook of Self-Regulation, Research, Theory, and Applications, New York 2004
  • Haggard, P., Human Volition: Towards a Neuroscience of Will, Neuroscience, December 2008
  • Heinen, E., Betriebswirtschaftliche Führungslehre, 2. Auflage, Wiesbaden 1984
  • Heyse, V. & Erpenbeck, J., Kompetenztraining, 2. Auflage, Stuttgart 2009
  • Hossiep, R. & Paschen, M., Das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung, 2. Auflage, Göttingen 2003
  • Kehr, H.. M., Integrating implicit motives, explicit, motives, and perceived abilities: the compensatory model of work motivation and volition, in: Academy of Management Review, Vol. 29 (2004), No. 3
  • Kroeber-Riel, W. u.a., Konsumentenverhalten, 9. Auflage, München 2009
  • Pelz, W., Kompetent führen, Wiesbaden 2004
  • Pelz, W., Fokussieren statt verzetteln, in: Personal, Zeitschrift für Human Resource Management, Nr. 4/2010
  • Pfeffer, J. & Sutton, R. I., Turning Knowledge into Action, Reducing the Knowing-Doing Gap, Harvard Business School Press, Boston, Massachusetts, 2000
  • Wunderer, R. & Bruch, H., Umsetzungskompetenz, München 2000

Weblinks


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