Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist in Deutschland im Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG auch EFZG) geregelt. Dieses Gesetz hat die früher geltenden unterschiedlichen Regelungen für Lohnempfänger (Arbeiter) und Gehaltsempfänger (Angestellte) abgelöst. 1956 wurde in Schleswig-Holstein 114 Tage lang unter anderem für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gestreikt.

Dieses Gesetz gilt für alle Beschäftigten, sofern nicht im jeweils zuständigen Tarifvertrag andere Vereinbarungen enthalten sind (es gilt das Günstigkeitsprinzip). Danach wird Arbeitnehmern und Auszubildenden im Falle der Arbeitsunfähigkeit maximal für die Dauer von sechs Wochen das Arbeitsentgelt weiter gezahlt.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Vorindustrielle Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Regelungen im römischen Recht

Ob es im römischen Recht eine Form der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gab, lässt sich heute mit Sicherheit nicht mehr ermitteln. Ausgehend von verschiedenen Schriften aus dem 12. und 13. Jahrhundert wird ein System für die „Dienstmiete“ (= Dienstverhältnis) dargestellt, das zwischen verschuldeter Unmöglichkeit und zufälliger Unmöglichkeit unterschied. Bei der zufälligen Unmöglichkeit wurde weiter differenziert, in welcher Person der Zufall lag:

Hatte der Dienstnehmer die Unmöglichkeit zu vertreten, so haftete er auf Schadensersatz, entstand sie durch Zufall in seiner Person (z. B. unverschuldete Erkrankung), so hatte er Lohnanspruch nur für die tatsächlich geleistete Arbeit, ein weitergehender Lohnanspruch bestand nicht.[1] Eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bestand höchstens bei vom Dienstgeber verschuldeten Erkrankungen.

Regelungen im Preußischen Allgemeinen Landrecht

Ein ausgesprochenes Arbeits- oder Dienstrecht lässt sich für das Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten nicht ausmachen. Das Preußische ALR war das Gesetzeswerk einer ständischen Gesellschaft, in dem auf die Denkungsart, die Sitten und die Gewohnheiten des Jahrhunderts, sowie insbesondere auf die Stände Rücksicht genommen wurde.[2] So bot das preußische ALR von 1794 kein allgemeines Dienstvertragsrecht, sondern differenzierte stark zwischen verschiedenen Arten von Arbeitsverhältnissen.[3] Die Arbeitsverhältnisse des Gesindes, der gedungenen Handarbeiter und Tagelöhner, der Handwerker und Künstler, der Fabrikanten, der Gesellen, der Bergleute usw. waren jeweils in gesonderten Abschnitten - teilweise mit Verweisungen auf den allgemeinen schuldrechtlichen Teil des preußischen ALR geregelt.[4] Als Ursache hierfür ist zum einen die Tatsache anzusehen, dass die einzelnen Stände in sich keineswegs homogen waren, sondern ihrerseits wieder soziale Untergliederungen aufwiesen, deren Abgrenzung voneinander durch das ALR geregelt wurde[5]; zum anderen folgte das ALR in seinen verstreuten arbeitsrechtlichen Regelungen weitgehend den „berufsständischen“ Grundsätzen, die von den Handwerkszünften oder von Arbeitnehmerzusammenschlüssen entwickelt worden waren[6].

Eine ausführliche Darstellung der einzelnen Regelungen über eine Versorgung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall ist aufgrund der Vielzahl dieser Regelungen kaum möglich. Beispielhaft sollen hier daher drei Teilbereiche dargestellt werden:

Das Bergrecht im preußischen ALR beruhte ganz wesentlich auf den überkommenen Einrichtungen des gemeinen deutschen Bergrechts, das sich seit dem 14. Jahrhundert in Böhmen, Sachsen und im Harz herausgebildet hatte.[7] Das ALR bestimmte für die Bergleute in ALR II 16 §§ 214 ff, dass - je nach Art der Zeche - ein erkrankter Bergarbeiter Anspruch auf vier, bzw. acht Wochen Lohnfortzahlung hatte. Dauerte die Krankheit länger, so übernahm die Knappschaftskasse die Verpflegung des Erkrankten.

Das Gesinderecht im preußischen ALR war im Anschluss an die Vorschriften über die Familie geregelt, weil die Auffassung vorherrschte, dass das Gesinde zur häuslichen Gemeinschaft gerechnet werden müsste.[8] Aus den Regelungen im ALR entwickelte sich im Jahre 1810 die preußische Gesindeordnung.[9] Im Falle einer Erkrankung von Dienstboten wurde hier unterschieden, ob die Erkrankung „durch den Dienst oder bei Gelegenheit desselben“[10] oder unabhängig vom Dienst geschah. Im ersten Fall musste der Dienstherr für Verpflegung und Heilung sorgen, ohne die dadurch entstehenden Kosten vom Lohn abziehen zu können, im zweiten Fall entstand diese Verpflichtung nur, wenn die Dienstboten keine gesetzlich zur Fürsorge verpflichteten Verwandten in der Nähe hatten oder wenn diese ihrer Verpflichtung nicht nachkamen.[11] Soweit öffentliche Anstalten vorhanden waren, „wo dergleichen Kranke aufgenommen“ wurden, konnte der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht durch die Unterbringung in einer solchen Anstalt genügen und die Kosten für die Unterbringung vom „auf diesen Zeitraum entfallenden Lohne des kranken Dienstboten abziehen“.[12] Die Verpflichtung zur Fürsorge von erkrankten Dienstboten dauerte bis zum Ende der vereinbarten Dienstzeit. Danach wurde die Versorgung der „Armenbehörde“ überlassen[13].

Die „allgemeinsten“ Regelungen im preußischen ALR von 1794 fanden sich für die gedungenen Handarbeiter und Tagelöhner.[14] Bei der Regelung der Unmöglichkeit der geschuldeten Arbeitsleistung findet sich hier dieselbe Unterscheidung, wie im römischen Recht: Erkrankung galt - sofern sie von niemandem Verschuldet wurde - als Zufall in der Person des Arbeitnehmers mit der Rechtsfolge, dass ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht bestand.[15] War die Erkrankung (Unmöglichkeit) vom Arbeitgeber zu vertreten, so blieb der Anspruch auf den Lohn bestehen.[16] Problematisch war jedoch, dass dieses „allgemeine“ Prinzip nur für Handarbeiter und Tagelöhner galt und vor allem, dass es fast keine Anwendung fand, da Verträge mit Handarbeitern und Tagelöhnern regelmäßig nur für den betreffenden Tag galten und längerfristige Verträge außerordentlich selten abgeschlossen wurden[17].

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Preußische ALR keine eigenständigen Regelungen über eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schuf, sondern lediglich auf bestehende soziale Sicherungssysteme oder tradierte Regelungen zurückgriff. Arbeitnehmer, die sich nicht im Einflussbereich solcher Systeme befanden, konnten diesbezüglich keine Ansprüche geltend machen.

Regelungen bis zum Inkrafttreten des BGB

Die Entstehung von Arbeitsrecht

In Preußen wurde mit den Preußischen Reformen die Einführung von Gewerbefreiheit als Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes und die Industrialisierung ermöglicht. Wichtige Maßnahmen hierfür waren die Befreiung der Bauern von der Leibeigenschaft, die 1807 eingeleitet wurde und die Aufhebung der Zunftordnungen in den Jahren 1810 und 1811.[18] Im Zusammenhang mit den technischen Neuerungen, die die Ausbeutung von Bodenschätzen und die Arbeitsprozesse im handwerklichen Bereich veränderten und die Arbeitsproduktivität vorantrieben, konnte sich in Deutschland die Industrialisierung seit ca 1830 entfalten[19]. Als Arbeitskräfte standen Mitglieder einer ländlichen Unterschicht zur Verfügung, die sich überwiegend aus ehemaligen leibeigenen Bauern rekrutierte.[20] Daneben waren Handwerksgesellen durch den industriell bedingten Rückgang des Handwerks gezwungen, in den Städten Industriearbeit zu verrichten.[21] Die katastrophalen sozialen Zustände der Lohnarbeiter, die mit der beginnenden Industrialisierung einhergingen führten in der Folgezeit zu ersten Schutzgesetzen, wie z. B. dem preußischen Regulativ von 1839, das die Arbeit von Kindern zwischen 9 und 16 Jahren auf zehn Stunden täglich beschränkte (um die gesundheitliche Tauglichkeit des „Rekrutenmaterials“ zu gewährleisten).[22] Daneben begannen die Arbeiter, Unterstützungskassen zur Selbsthilfe bei Krankheits- und Sterbefällen zu gründen.

Die ersten arbeitsrechtlichen Vorschriften finden sich in der preußischen Gewerbeordnung von 1845, die primär dazu diente, die Gewerbefreiheit gesetzlich festzuschreiben. Diese war Vorläufer der Gewerbeordnung des norddeutschen Bundes von 1869, die im Jahre 1871 als Reichsgewerbeordnung übernommen wurde. Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall war in der GewO zunächst nicht vorgesehen.

Ausgehend von den Unterstützungskassen bildeten sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts weitere Arbeiterzusammenschlüsse, deren Wirken über das Ziel sozialer Absicherung hinaus die Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen zum Ziel hatte. Dies führte zur Gründung der ersten Gewerkschaften seit Ende der 1840er Jahre.[23] Die Gewerkschaften und die 1869 gegründete sozialdemokratische Arbeiterpartei gewannen zunehmenden Einfluss und konnten auch durch das Sozialistengesetz von 1878 (bis 1890) nicht beseitigt werden, sondern mehrten ihren Einfluss auch in der Illegalität. Die Politik Bismarcks lief daher seit Beginn der 1880er Jahre darauf hinaus, mit konstruktiven staatlichen Maßnahmen die soziale Lage der Arbeiterschaft zu verbessern, um ihre politische Organisation, die sozialdemokratische Partei, zu schwächen. Seit 1883 wurden daher durch die Sozialgesetze Kranken,- Unfall- und Rentenversicherung eingeführt.[24] Auch das Arbeiterschutzgesetz von 1891 ist in diesen politischen Zusammenhang einzuordnen.

Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch

Die erste gesetzliche Regelung einer Lohnfortzahlung erfolgte für die Handlungsgehilfen durch das „Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch“ von 1861, das zunächst für Preußen in Kraft gesetzt wurde und eine sechswöchige Gehaltsfortzahlung für den Fall einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung vorsah[25].

Mit der Regelung der Rechtsstellung der kaufmännischen Angestellten im ADHGB wurde der Grundstein für die bis in die heutige Zeit geltende unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten gelegt: Aufgrund ihrer Stellung als Hilfspersonal bei der Organisation des Unternehmens hatten die Angestellten eine herausgehobene Position, der durch ihre besondere Rechtsstellung Rechnung getragen wurde. So entstand die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall als Privileg der (leitenden) Angestellten. Die Regelungen des ADHGB wurden 1897 in das HGB übernommen.[26]

Das Arbeiterschutzgesetz

Im Jahre 1891 wurde dann durch das „Arbeiterschutzgesetz“ die Gewerbeordnung dahingehend erweitert, dass mit den §§ 133 a-e die „Verhältnisse der Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker“ geregelt wurden.[27] Die neuen Vorschriften befassten sich vornehmlich mit der Kündigung des Dienstverhältnisses. Eine solche Kündigung war nach § 133 c Abs. 1 Nr. 4 GewO möglich, wenn die Dienstverpflichteten „durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Freiheitsstrafe oder Abwesenheit an der Verrichtung ihrer Dienste verhindert werden“. Mit dieser Kündigungsmöglichkeit korrespondierte jedoch eine Entgeltfortzahlungsregelung in Abs. 2 S. 1 dergestalt, dass „in dem Fall zu 4 … der Anspruch auf die vertragsmäßigen Leistungen des Arbeitgebers für die Dauer von sechs Wochen in Kraft (blieb), wenn die Verrichtung der Dienste durch unverschuldetes Unglück verhindert worden ist“. Dieser Anspruch auf Entgeltfortzahlung wurde jedoch um die Beträge gemindert, auf die ein eventuell bestehender Anspruch gegen die Unfall oder Krankenversicherung bestand, § 133c Abs. 2 S. 2 GewO.

Die Krankenversicherung

Die in der Gewerbeordnung geregelte Anrechnung von Leistungen der Versicherungen bezog sich auf das im Juni 1883 als erstes der bismarckschen Sozialgesetze inkraftgetretene Gesetz über die Krankenversicherung der Arbeiter. Die Beiträge wurden zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt, Träger waren die bereits existierenden Innungs- und Knappschaftskassen, sowie die genossenschaftlichen Ortskrankenkassen. Die Leistungen bestanden in freier ärztlicher Behandlung und einem Krankengeld, das vom dritten Tage der Erkrankung an bis zu höchstens 13 Wochen gezahlt wurde.[28] Das Krankengeld der Krankenkassen ist zwar nicht als Regelung einer Lohnfortzahlung im engeren Sinne zu verstehen; die Existenz dieser Form sozialer Absicherung machte jedoch Forderungen nach einer gesetzlich geregelten Lohnfortzahlung im Krankheitsfall entbehrlich.

Regelungen bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland

§ 616 BGB

Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 wurde in § 616 BGB eine Regelung über die Entgeltfortzahlung für alle Arbeitnehmer geschaffen, soweit diese nicht den spezielleren Regelungen im HGB oder in der GewO unterfielen. Diese Regelung war jedoch - wie die bereits existierenden Vorschriften - einzelvertraglich abdingbar.[29]

Der Wortlaut des § 616 BGB ist der, den diese Bestimmung heute (wieder) hat: Der zur Dienstleistung Verpflichtete verliert seinen Anspruch auf die Vergütung dadurch nicht, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Aus den Motiven geht hervor, dass diese Regelung als Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen (§ 323 a. F. BGB) aus sozialpolitischen Rücksichten und aus Gründen der Humanität geschaffen wurde.[30] Bezug genommen wurde auf Art. 60 ADHGB, auf Art. 341 des Schweizer Obligationsrechtes (1881) sowie auf das gemeine Recht.[31] Die Beantwortung der Frage, was unter einer „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ zu verstehen ist, sei „wegen der Mannigfaltigkeit der in Betracht kommenden Dienstverhältnisse unausführbar“, könne aber ohne Gefahr den Gerichten überlassen werden.[32] Aus den Protokollen geht hervor, dass das Verhältnis zwischen Fehlzeit und Dauer des Dienstverhältnisses hier ausschlaggebend sein sollte.[33]

Der Gesetzgeber des BGB griff hier die schon im römischen Recht existierende Unterscheidung zwischen Verschulden und Zufall in der Person auf, mit dem Unterschied, dass der Zufall in der Person des Dienstnehmers nicht mehr seinem Verschulden gleichgesetzt wurde, sondern zu Lasten des Dienstgebers ging.

Mit Inkrafttreten des BGB existierten so drei gesetzliche Regelungen über eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall: § 133c GewO, § 63 HGB und § 616 BGB. Der qualitative Unterschied war, dass in § 616 BGB ein Zeitraum für die Entgeltfortzahlung nicht konkret benannt war, während die anderen Bestimmungen eine Entgeltfortzahlung bis zu sechs Wochen vorsahen, was eine Besserstellung der unter diese Vorschriften fallenden leitenden Angestellten ausmachte. Aufgrund der Abdingbarkeit aller drei Vorschriften war ihre Wirkung jedoch in der Praxis begrenzt.

Die Notverordnungen von 1930/31

Eine entscheidende Wende erfuhren die Regelungen über die Entgeltfortzahlung durch die Notverordnungen des Kabinetts Brüning in den Jahren 1930 und 1931: Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 63 HGB, § 133c GewO und § 616 BGB wurde zunächst generell für unabdingbar erklärt[34], ein halbes Jahr später wurde diese Verordnung jedoch rückwirkend dahingehend geändert, dass die Unabdingbarkeit nach § 616 Abs. 2 BGB nur für Angestellte galt und für diese als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ein Zeitraum von bis zu sechs Wochen festgelegt wurde.[35] Im Ergebnis regelte sich so die Lohnfortzahlung der Arbeiter im Krankheitsfall nach § 616 Abs. 1 BGB mit der Möglichkeit der vertraglichen Abdingbarkeit und ohne einen festgelegten Höchstzeitraum für die Lohnfortzahlung. Für Angestellte bestand dagegen ein unabdingbarer Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer bis zu sechs Wochen. Durch Tarifverträge konnte zwar eine Besserstellung der Arbeiter erreicht werden, derartige Tarifverträge bildeten jedoch die Ausnahme[36], zumal die Gewerkschaften elf Monate später von den Nationalsozialisten zerschlagen wurden.

Die Entwicklung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in der Bundesrepublik Deutschland

Die Entstehung des Lohnfortzahlungsgesetzes 1969

Während der Zeit des Nationalsozialismus und nach Kriegsende waren die Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zunächst nicht geändert worden. Die so entstandene Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten wurde vom DGB aufgegriffen, der im Februar 1955 den Bundestagsfraktionen einen Vorschlag zur Änderung von § 616 BGB zuleitete, in dem der Anspruch auf unabdingbare sechswöchige Lohnfortzahlung auch für Arbeiter vorgesehen war.[37] Die Fraktion der SPD brachte daraufhin einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag ein.[38] Hier war die entsprechende Änderung von § 616 BGB vorgesehen, darüber hinaus bereits ein Ausgleichsverfahren, das kleinere Betriebe (bis zu 100 Beschäftigten) von den durch die Lohnfortzahlung entstehenden Kosten entlasten sollte. Der Gesetzesentwurf scheiterte daran, dass man aufgrund der Änderung zu starke finanzielle Belastungen für die Wirtschaft befürchtete. Die IG Metall führte daraufhin im Winter 1956/57 in Schleswig-Holstein einen sechzehnwöchigen Streik, durch den (unter anderem) die Lohnfortzahlung auch für Arbeiter tarifvertraglich durchgesetzt werden sollte. Im Bundestag fand sich darauf im Sommer 1957 eine parlamentarische Mehrheit für eine Änderung der Rechtslage. Diese bestand jedoch nicht in der Änderung des § 616 BGB, sondern in der Schaffung des Gesetzes „zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Arbeiter im Krankheitsfalle“.[39] Hier war keine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber, sondern lediglich eine Zuschusszahlung zum Krankengeld vorgesehen. Dieser Zuschuss stockte das Krankengeld auf 90% des Nettoarbeitsentgelts auf. Der Anspruch gegen den Arbeitgeber entstand - wie der Anspruch auf Krankengeld vom dritten Tage der Krankheit an, er bestand für die Dauer von bis zu sechs Wochen.

Diese Regelung wurde vier Jahre später durch das „Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle“[40] dahingehend erweitert, dass der Krankengeldzuschuss des Arbeitgebers so angehoben wurde, dass die Arbeiter im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen ihren Nettolohn erhielten und dass der Anspruch auf diesen Betrag bereits ab dem zweiten Tag der Erkrankung entstand.

Kritik an dieser sogenannten „gespaltenen Lösung“ wurde geübt, weil nach wie vor eine rechtliche und tatsächliche Ungleichbehandlung der Arbeiter und der Angestellten bestand.[41] Die faktische Gleichstellung der Arbeiter und Angestellten in bezug auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wurde dann 1969 durch das „Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung“ erreicht.[42] Dieses Gesetz trat am 1. Januar 1970 in Kraft und sah für Arbeiter einen unabdingbaren Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen vor. Die gespaltene Lösung wurde damit aufgegeben und durch einen eigenständigen Lohnfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber ersetzt[43]. Parallel dazu wurden durch das „Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz“[44] Regelungen dahingehend geschaffen, bzw. geändert, dass alle abhängig Beschäftigten im Ergebnis einen Entgeltfortzahlungsanspruch von sechs Wochen hatten. Im einzelnen wurden geändert:

  • die Gewerbeordnung dahingehend, dass die 1891 eingeführten Kündigungsvorschriften in den §§ 133 a-d aufgehoben wurden und nur die Entgeltfortzahlungsregelung in § 133c Abs. 2 bestehen blieb, in die mit den Sätzen 2 und 3 ein Entgeltfortzahlungsanspruch unter Umständen auch bei einer Kündigung eingeführt wurde;
  • § 63 HGB und § 616 BGB, wo ebenfalls eine Entgeltfortzahlungsregelung bei Kündigung eingeführt wurde.

Schließlich wurde mit der Schaffung des Berufsbildungsgesetzes eine einheitliche Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für alle Auszubildenden - unabhängig vom Berufsziel - festgeschrieben (§ 12 BBiG).[45]

Die Entstehung des Entgeltfortzahlungsgesetzes 1994

Bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands kam es nach den umfassenden Reformen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Jahre 1969 nur noch zu Detailregelungen, die keine grundsätzlichen Änderungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mit sich brachten.[46]

Im Ergebnis existierten damit vor Schaffung des EFZG Regelungen über eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen für alle abhängig Beschäftigten. Die bestehenden Regelungen wiesen jedoch im Detail Unterschiede auf, die verfassungsrechtlich oder europarechtlich bedenklich waren. Von den vielfachen Unterschieden für die einzelnen Arbeitnehmergruppen seien hier beispielhaft nur einige genannt[47]:

  • § 1 Abs. 3 Nr. 2 LFZG bestimmte, dass die sechswöchige Lohnfortzahlung nicht für Arbeitsverhältnisse galt, in denen die regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn oder monatlich 45 Stunden nicht überstieg. Diese Bestimmung stand dem europarechtlichen Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (Art. 119 EG-V) entgegen, da der Ausschluss des Anspruches auf Lohnfortzahlung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 LFZG zu 90% Frauen betraf.[48] Das BAG bestätigte daraufhin, dass diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden sei[49].
  • Aufgrund der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen für Arbeiter und Angestellte ergab sich nach wie vor eine Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmergruppen: Nach dem LFZG[50] bestand ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht für befristete Arbeitsverhältnisse bis zu vier Wochen. Eine vergleichbare Bestimmung existierte für Angestellte nicht, so dass hier der Anspruch auch für derart kurzzeitige Arbeitsverhältnisse bestand.[51] Weiterhin entstand der Entgeltfortzahlungsanspruch für Angestellte bereits dann, wenn sie im Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Arbeitsaufnahme erkrankten und daher ihre Tätigkeit nicht aufnehmen konnten. Für Arbeiter war jedoch Voraussetzung für einen Lohnfortzahlungsanspruch, dass sie „nach Beginn der Beschäftigung“[52] erkrankten. Das BVerfG hatte 1992 die ungleichen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte gerügt[53] und es schien wahrscheinlich, dass auch diese Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot, Art. 3 GG, zu vereinbaren war.
  • Schließlich entstanden auch für die verschiedenen Angestelltengruppen dadurch Unterschiede, dass § 616 Abs. 2 S. 2 BGB a. F. den Sechswochenzeitraum für tarifdispositiv erklärte: es konnte tarifvertraglich auch ein anderer Zeitraum bestimmt werden. Eine entsprechende Vorschrift fehlte in § 133c GewO und in § 63 HGB, so dass hier der Zeitraum nicht durch Tarifvertrag geändert werden konnte.

Hinzu kam, dass die bestehenden Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nicht auf die neuen Bundesländer erstreckt wurden und die Volkskammer der DDR am 22. Juni 1990 eigenständige Regelungen traf.[54] Die Regelungen lehnten sich zwar sehr eng an die des LFZG an, galten jedoch für alle Arbeitnehmer, wodurch die unterschiedliche Behandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen vermieden wurde. Daraus resultierte jedoch eine zusätzliche Ungleichbehandlung zwischen den Arbeitnehmern in den bisherigen und in den neuen Bundesländern.

Diese hier nur auszugsweise skizzierte Situation der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall machte eine gesetzliche Neuregelung unumgänglich. Daher legten die Regierungsfraktionen am 24. Juni 1993 einen ersten Entwurf eines Entgeltfortzahlungsgesetzes vor.[55] Dieser Entwurf stellte eine Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer sicher und wäre in Bundestag und Bundesrat konsensfähig gewesen, wenn er nicht mit Regelungen zur Einschränkung des Missbrauchs und zur Entlastung der Arbeitgeber gekoppelt gewesen wäre. Insbesondere die geplante Einführung von Karenztagen stieß auf erheblichen Widerspruch von Opposition, Arbeitgebervereinigung, Gewerkschaften und Krankenkassen.[56] Die Auseinandersetzung um das EFZG zog sich daher bis zum April 1994 hin, schließlich fand man eine konsensfähige Regelung, die am 1. Juni 1994 als „Gesetz über die Zahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz)“ in Kraft treten konnte.[57] Gleichzeitig wurden die entsprechenden Regelungen in der GewO und im HGB abgeschafft, die Regelung in § 616 BGB wurde in die ursprüngliche Form von 1896 zurückversetzt, so dass diese einen Anwendungsbereich nur bei nicht krankheitsbedingter Unmöglichkeit der Dienstleistung fand. Die Regelungen des AGB-DDR traten außer Kraft.

Die Änderungen des EFZG 1996

Die Bundesregierung legte zu Jahresbeginn 1996 ein 50-Punkte-Aktionsprogramm für Investitionen und Arbeitsplätze vor[58], aus dem sich im weiteren Verlauf des Jahres das „Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung“ entwickelte. Ziel dieses Programms war das Erleichtern von Investitionen, die Stärkung des Wachstums und die Erhöhung der Beschäftigung.

Zur Umsetzung dieses Programms wurden am 10. Mai 1996 in Form des „Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes“[59], des „Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Ergänzungsgesetzes“[60], des „Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes“[61] und des Gesetzes zur Begrenzung der Bezügefortzahlung bei Krankheit[62] vier Gesetzesentwürfe in den Bundestag eingebracht, in denen auch Änderungen des EFZG vorgesehen waren. Ziel dieser Änderungen war zum einen, die Arbeitgeber von den Kosten der Entgeltfortzahlung zu entlasten und zum anderen, den Missbrauch der Entgeltfortzahlung Einhalt zu gebieten. Die Entwürfe wurden am 28 Juni 1996 vom Bundestag angenommen und dem Bundesrat zugeleitet. Dieser lehnte die Entwürfe ab, so dass sie dem Vermittlungsausschuss zugeleitet wurden. Im Vermittlungsausschuss kam es nach nur zweistündiger Beratung am 26. August 1996 zu keiner Einigung, daraufhin wies am 29. August 1996 der Bundestag das Votum des Vermittlungsausschusses zurück. Da die arbeitsrechtlichen Änderungen nicht der Zustimmungspflicht des Bundesrates unterfielen, wurden sie am 13. September 1996 vom Bundestag mit absoluter Mehrheit beschlossen und traten am 1. Oktober 1996 in Kraft. Die wesentliche Änderung des EFZG bestand darin, dass die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von bisher 100 % auf 80 % herabgesetzt wurde. Alternativ konnte diese Absenkung durch Anrechnung von Urlaubstagen aufgefangen werden. Auch bei Kuren gab es die Möglichkeit der Anrechnung von Urlaubstagen. Die Regelung wirkte aber nur zum Teil, da die Tarifverträge regelmäßig eine Entgeltfortzahlung von 100 % vorsahen.

Korrektur 1998

Zum 1. Januar 1999 wurden diese Änderungen weitgehend wieder aufgehoben.[63] Allerdings werden seither bei der Bemessung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts Überstundenvergütungen nicht mehr berücksichtigt.

Seit 1998 hat das Entgeltfortzahlungsgesetz keine wesentlichen Änderungen mehr erfahren.

Anspruch, Voraussetzungen

Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben nicht nur vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, sondern auch Teilzeitkräfte. Dies umfasst auch Ferienaushilfen oder Mitarbeiter im Studentenjob oder einem so genannten Minijob mit bis zu 400 Euro Verdienst im Monat.

Die Entgeltfortzahlung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft.

  • Das Arbeitsverhältnis muss seit mindestens vier Wochen bestehen (In Tarifverträgen kann von dieser Frist abgesehen werden, so bspw. im TVöD - Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - geschehen).
  • Der Arbeitnehmer muss arbeitsunfähig sein, d. h. er muss zur geschuldeten Arbeitsleistung nicht in der Lage sein. So kann beispielsweise eine Heiserkeit bei einer Sängerin, nicht aber bei einer Raumpflegerin eine Arbeitsunfähigkeit bedeuten.
  • Die Arbeitsunfähigkeit muss Folge einer Krankheit sein.
  • Der Arbeitnehmer darf seine auf Krankheit beruhende Arbeitsunfähigkeit nicht verschuldet haben, wobei hier ein „grober Verstoß“ gemeint ist. Der eine Erkältung verursachende Spaziergang im Regen reicht beispielsweise nicht aus, der auf Trunkenheit am Steuer zurückzuführende Verkehrsunfall schon. Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 EntgFG gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt.

Dauer der Entgeltfortzahlung

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht für maximal sechs Wochen. Danach wird von der Krankenkasse Krankengeld bezahlt. Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten (ab dem Beginn der ersten Erkrankung gerechnet) immer wieder an derselben Krankheit erkrankt, dann werden diese Krankheitstage aufsummiert, bis die vorgenannten sechs Wochen erreicht sind. Falls der Arbeitnehmer jedoch zwischen zwei einzelnen Erkrankungen länger als sechs Monate wieder gearbeitet hat, dann beginnt der sechswöchige Entgeltfortzahlungsanspruch erneut.

Der sechswöchige Entgeltfortzahlungsanspruch beginnt ebenfalls erneut, wenn (zum Beispiel bei chronisch Kranken) ein Arbeitnehmer „ … infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig [… wird und] seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist“ (§ 3 EntgFG).

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung endet grundsätzlich mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses; dies gilt jedoch nicht, wenn dem Arbeitnehmer wegen der Erkrankung gekündigt wird oder wenn der Arbeitnehmer selbst aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grunde fristlos kündigt (§ 8 EntgFG).

Berechnung der Entgelthöhe

Bei der Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts gilt das Lohnausfallprinzip: Der Arbeitnehmer erhält grundsätzlich diejenige Vergütung, die er bezogen hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig erkrankt wäre. Überstunden werden nicht berücksichtigt, § 4 EntgFG. Regelmäßig geleistete Überstunden müssen dagegen gemäß einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigt werden (Urteil vom 21. November 2001, Az. 5 AZR 457/00).

Gemäß § 4 Abs. 4 EntgFG kann von der Regelung durch Tarifvertrag abgewichen werden; insbesondere kann das ggf. praktischere Vorverdienstprinzip (Referenzprinzip) vereinbart werden, wonach der Durchschnittsverdienst vor der Krankheit maßgebend ist.

Wie beim normalen Arbeitsentgelt müssen bei der Entgeltfortzahlung Steuern und Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden (Bruttoanspruch).

Anzeige und Nachweis

Im Fall der Erkrankung hat der Arbeitnehmer zwei verschiedene Pflichten.

Anzeigepflicht

Der Arbeitnehmer hat seinem Arbeitgeber so bald wie möglich, bei leichteren Krankheiten also in der Regel am ersten Krankheitstag, mitzuteilen, dass er erkrankt ist (Krankmeldung). Diese Pflicht beinhaltet eine möglichst schnelle Information des Arbeitgebers, damit dieser organisatorische Maßnahmen ergreifen kann, um eine Vertretung sicherzustellen.

Diese Pflicht gilt auch bei einer Arbeitsunfähigkeit im Ausland. Der Arbeitnehmer hat gemäß § 5 EntgFG auf dem schnellstmöglichen Übermittlungsweg die Arbeitsunfähigkeit, die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit und seine Adresse am Aufenthaltsort mitzuteilen. Er muss außerdem Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer seiner Krankenkasse melden.

Nach § 6 EntgFG sind Arbeitnehmer gehalten, eine mögliche Dritthaftung mitzuteilen, damit der Arbeitgeber eventuelle Schritte zum Regress einleiten kann.

Nachweispflicht

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage (d.h. Wochenenden oder arbeitsfreie Tage werden mitgezählt), muss der Arbeitnehmer spätestens am ersten darauf folgenden Arbeitstag seinem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zukommen lassen. Aus dieser muss sich das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer ergeben.

Der Arbeitgeber ist berechtigt, eine frühere Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu verlangen.

Kommt der Arbeitnehmer der ihm obliegenden Anzeige- und Nachweispflichten (§ 5 EntgFG) schuldhaft nicht nach, kann der Arbeitgeber die Vergütungsfortzahlung verweigern, bis der Nachweis erbracht ist (§ 7 EntgFG).

Kur

Auch im Falle einer Kur, im Gesetz „Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation“ genannt, besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch (§ 9 EntgFG).

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber den Zeitpunkt des Antritts der Kur und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen und ihm die Bescheinigung des Sozialleistungsträgers oder des Arztes über die Anordnung der Kur unverzüglich vorzulegen.

Situation bei fehlendem Anspruch

Bei einer krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung während der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses oder bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraumes wird als Lohnersatz ein geringeres Krankengeld durch die Krankenkasse gezahlt.

Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen wird allerdings gelegentlich aufgrund des Arbeitsvertrags oder eines Tarifvertrags ein Zuschuss zum Krankengeld gezahlt, um die finanziellen Einbußen durch die geringere Krankenversicherungsleistung auszugleichen; solche Regelungen sind aber immer seltener anzutreffen. Ein Beispiel dafür ist im öffentlichen Dienst der TVöD (Krankengeldzuschuss für einen Zeitraum zwischen 13 und 39 Wochen nach § 22 Abs. 3 S. 1 TVöD).

Krankheit während Urlaubs oder Freizeitausgleichs

Erkrankt der Arbeitnehmer während seiner Freizeit, so entstehen dadurch keine zusätzlichen Ansprüche gegen den Arbeitgeber. Das gilt auch, wenn die Freizeit als Ausgleich für Mehrarbeit gewährt worden ist; diese wird also nicht nachgewährt.

Das ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 9 BUrlG beim Urlaub anders. Krankheitstage, für die eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden kann, werden auf den Urlaub nicht angerechnet. Die Tage sind also nachzugewähren.

Entgeltfortzahlung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

In der Regel endet die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sollte also eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus andauern, verliert der gekündigte Arbeitnehmer den Anspruch auf die Fortzahlung. Hiervon gibt es jedoch die Ausnahme, dass die Entgeltfortzahlung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus durch den Arbeitgeber geleistet wird, wenn entweder das Arbeitsverhältnis aufgrund der Krankheit gekündigt wurde oder das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer gekündigt worden ist und diesem aufgrund eines Verschuldens des Arbeitgebers ein Kündigungsgrund zur Seite steht, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt hätte.

Erhält der Arbeitnehmer während der Krankheit die Kündigung, so erhält er nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses Krankengeld.

Entgeltfortzahlung und arbeitsvertragliche Regelungen

Von den oben erwähnten Regelungen kann abgesehen von § 4 Abs. 4 EntgFG zuungunsten des Arbeitnehmers arbeitsvertraglich nicht abgewichen werden (§ 12 EntgFG). Durch Tarifvertrag kann danach eine im EntgFG abweichende Bemessungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung vereinbart werden. Diese tarifvertraglich abweichende Regelung kann auch durch Betriebsvereinbarung von nicht tarifvertraglich gebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern übernommen werden.

Entgeltfortzahlung und sozialrechtliche Entgeltersatzleistungen

Während des Bezugs von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ruhen Ansprüche auf

Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen (Umlageverfahren)

Der Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen, die bei Krankheit oder bei Mutterschaft des/der Beschäftigten entstehen, ist seit dem 1. Januar 2006 durch das Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) vom 22. Dezember 2005 geregelt. Dieser Ausgleich wird in zwei Ausgleichsverfahren, dem Ausgleichsverfahren bei Krankheit U1-Verfahren und dem Ausgleichsverfahren bei Mutterschaft U2-Verfahren geregelt.

Neuregelungen zum 1. Januar 2006 und Hintergründe

Bislang erhielten Kleinbetriebe im Rahmen der beiden Ausgleichsverfahren gegen Zahlung von Umlagebeiträgen zum einen die Aufwendungen bei Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (U1-Verfahren) und zum anderen auch die Arbeitgeberzuschüsse zum Mutterschaftsgeld und die fortgezahlten Entgelte bei Beschäftigungsverboten (U2-Verfahren) von den Krankenkassen erstattet.

Mit Beschluss vom 18. November 2003 hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zum Mutterschutz für verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. Dezember 2005 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Das Gericht hat beanstandet, dass die Aufwendungen der nicht am U2-Verfahren teilnehmenden Arbeitgeber durch den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld so hoch sind, dass Arbeitgeber motiviert sein können, männliche Bewerber weiblichen vorzuziehen. Dies ist nicht mit dem Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar, sie leistet einer Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben Vorschub. Der Gesetzgeber hat die Verfassungswidrigkeit dadurch beseitigt, indem er alle Arbeitgeber zur Teilnahme am U2-Verfahren verpflichtet. Auf diesem Wege erhalten alle Arbeitgeber einen 100%igen Ausgleich der Aufwendungen durch die Mutterschaft der Arbeitnehmerinnen. Da die Beiträge von allen Entgelten (auch von denen der männlichen Beschäftigten) zu bemessen waren, gibt es seit 1. Januar 2006 keinen erheblichen Vorteil mehr, der Arbeitgeber zu einer Diskriminierung der Frauen bei Einstellungen/Kündigungen veranlassen würde.

Weiterhin bestand bei den bis 31. Dezember 2005 geltenden Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes seit Jahren Reformbedarf. Bisher waren nur die Orts- und Innungskrankenkassen, die Bundesknappschaft und die Seekrankenkasse berechtigt und verpflichtet, die Ausgleichsverfahren durchzuführen. Bis 31. Dezember 1995 war diese Regelung aufgrund der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Zuständigkeitsregelungen auch ausreichend. Ab dem 1. Januar 1996 wurden die Zuständigkeitsregelungen durch ein Wahlrecht zwischen Orts-, Innungs-, Betriebskrankenkassen und den Ersatzkassen ersetzt. Diesem Umstand wurde 10 Jahre später durch zwei Änderungen Rechnung getragen:

  • Verpflichtung aller Krankenkasse mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen zur Durchführung der Ausgleichsverfahren und
  • für die Beurteilung, ob ein Arbeitgeber am U1-Verfahren teilnimmt, wurde einheitlich eine Arbeitnehmergrenze (30 Arbeitnehmer) festgesetzt.

Ebenso wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass ein Landesverband der Betriebskrankenkassen mittlerweile für viele Betriebskrankenkassen Ende der 1990er Jahre Ausgleichsverfahren im Vorgriff auf eine entsprechende gesetzliche Regelung mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörden errichtet hat. Im Aufwendungsausgleichsgesetz wurde deswegen die Möglichkeit, die Ausgleichsverfahren durch andere Krankenkassen oder durch Krankenkassenverbände durchführen zu lassen, ebenfalls normiert.

Außerdem waren bis 31. Dezember 2005 nur die Entgeltfortzahlungen der Arbeiter und der Auszubildenden im U1-Verfahren erstattungsfähig, auch wurden Umlagebeiträge nur aus deren Entgelten bemessen. Ab 1. Januar 2006 sind auch Entgeltfortzahlungen der Angestellten erstattungsfähig, auch deren Entgelte werden bei der Bemessung der Umlagebeiträge berücksichtigt.

Leistungen

Hauptartikel: Umlage U1 und Umlage U2

Am U1-Verfahren teilnehmende Arbeitgeber erhalten aus dem U1-Verfahren bis zu 80 % der nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz zu zahlenden Entgelte und bis zu 80 % der darauf entfallenden Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 1 Abs. 1 AAG). Diese Erstattungen können durch Satzungsbestimmungen der zuständigen Krankenkasse beschränkt werden.

Aus dem U2-Verfahren erhalten Arbeitgeber 100 % der Entgeltfortzahlung bei individuellen Beschäftigungsverboten und 100 % der darauf entfallenden Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 1 Abs. 2 AAG). Außerdem erhalten sie während des allgemeinen Beschäftigungsverbotes (grundsätzlich sechs Wochen vor der Geburt und acht Wochen nach der Geburt) den von ihnen ausgezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld in voller Höhe erstattet. Die Satzungen der Krankenkassen dürfen Regelungen zur pauschalisierten Erstattung der Arbeitgeberanteile vorsehen.

Umlagebeiträge der Arbeitgeber

Siehe auch: Umlage U1 und Umlage U2

Die Beiträge werden von den am U1-Verfahren teilnehmenden Arbeitgebern aus allen von Ihnen gezahlten rentenversicherungspflichtigen Entgelten berechnet. Ebenfalls werden die Umlagebeiträge zum U2-Verfahren von allen rentenversicherungspflichtigen Entgelten aller Arbeitnehmer berechnet.

Bei Minijobbern werden die Beiträge aus den Entgelten berechnet, aus denen Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung zu berechnen sind. Die Beiträge sind von den Arbeitgebern zu tragen und werden mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nachgewiesen und bezahlt.

Zuständigkeit

Zuständige Krankenkasse für die Ausgleichsverfahren ist die Krankenkasse, bei der der Arbeitnehmer versichert ist. Ist der Arbeitnehmer nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, richtet sich die Zuständigkeit nach der Abführung der übrigen Sozialversicherungsbeiträge.

Ausnahme
Bei geringfügig Beschäftigten (400-EUR-Jobs und kurzfristige Beschäftigungen) sind die Ausgleichsverfahren der Minijob-Zentrale zuständig.

Sonderregelungen für Beamte

Für Beamte und andere Personen in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (Richter, Soldaten) gelten die obigen Regelungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht. Die Bezüge der genannten Personen werden auch im Krankheitsfall ohne gesetzliche Fristen weiter geleistet. Der Nachweis der Dienstunfähigkeit muss in gleicher Form wie bei Arbeitnehmern dem Dienstherrn vorgelegt werden. Bei längerfristiger Erkrankung hat dieser die Möglichkeit, die Dienstfähigkeit durch amtsärztliche Untersuchungen zu überprüfen und den Betroffenen ggf. wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen.

Literatur

  • Peter Wedde, Olaf Kunz: Entgeltfortzahlungsgesetz. Basiskommentar mit Nebengesetzen. 3. neu bearbeitete Auflage. Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-7663-3478-7.
  • Thomas Dieterich u.a. (Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. 11. Auflage, C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-60876-6
  • Martin Henssler, Heinz Josef Willemsen, Heinz-Jürgen Kalb: Arbeitsrecht-Kommentar. 2. Auflage. O. Schmidt, Köln 2006, ISBN 3-504-42658-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hedemann: Lohnzahlung bei Arbeitsverhinderung. S. 19 f.; mit nationalsozialistischer Prägung auch: Fluhr, Lohnzahlung bei Arbeitsversäumnis, S. 10 f.; vgl. auch Moll, Dienstvergütung bei persönlicher Verhinderung, RdA 1980, 138 (143)
  2. Birtsch, Die Preußische Sozialverfassung, S. 133
  3. Bernert, Arbeitsverhältnisse im 19. Jahrhundert S. 59; zusammenfassend: Moll, RdA 1980, 138 (145)
  4. im Detail: Bernert, S. 59
  5. Vgl. Birtsch, S. 140 f. für den Bürgerstand
  6. Brand, Die arbeitsrechtlichen Regelungen des ALR, S. 152
  7. Schubert, Staatliche Reglementierung und soziale Fürsorge im preußischen Bergrecht des ausgehenden 18. Jahrhunderts, S. 312
  8. Moll, RdA 1980, 138 (146), Bernert, S. 6
  9. Moll a. a. O.
  10. Preußische Gesindeordnung 1810, § 86
  11. Vormbaum, Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, S. 55
  12. § 91 PrGesO 1810; Vormbaum, S. 56
  13. Vormbaum, S. 56
  14. So Bernert, S. 61
  15. Bernert, S. 99
  16. Bernert, S. 92 f.
  17. Brand, S. 150
  18. Müller, Schlaglichter der deutschen Geschichte, 6.11
  19. Schneider, Kleine Geschichte der Gewerkschaften, S. 17-18
  20. Schneider, S. 19; Däubler, Das Arbeitsrecht 1, Rn. 35
  21. Müller, 8.5
  22. Kittner, Arbeits- und Sozialrecht S. 421; Schneider, S. 22
  23. Schneider, S. 29
  24. Müller 8.32
  25. Gesetz vom 24. Juni 1861, Artikel 60, GS Preußen 1861, S. 449, 491
  26. § 63 HGB, der bis zum Inkrafttreten des EFZG am 26. Mai 1994 galt, RGBl, 1897, S. 219
  27. Gesetz betreffend Abänderung der Gewerbeordnung, 1. Juni 1891, RGBl. I, S. 261
  28. Müller, 8.32
  29. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rn. 25
  30. Motive zu den Entwürfen eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. II, Recht der Schuldverhältnisse (1888), S. 463 f. - Die Vorschrift war als § 562 vorgesehen
  31. Motive II, a. a. O.
  32. Motive II, S. 464
  33. Prot. 122, XI (S. 280)
  34. § 616 Abs. 2 BGB, § 63 Abs. 1 S. 2 HGB, § 133c Abs. 2 S. 3 GewO, RGBl I, 1930, S. 517 (521)
  35. RGBl. I, 1931, S. 279 (281)
  36. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rn. 32
  37. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rn. 33
  38. BT-Drucksache II/1704
  39. Gesetz vom 26. Juni 1957, BGBl I 1957, S. 649 ff.
  40. Gesetz vom 12. Juli 1961, BGBl I 1961, S. 913
  41. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rn. 38
  42. BGBl I 1969, S. 946
  43. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rn. 42
  44. Gesetz vom 14. August 1969, BGBl I 1969, S. 1106
  45. Gesetz vom 14. August 1969, BGBl I 1969, S. 1112
  46. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rn. 47
  47. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Schmitt, EFZG, Einleitung, Rnn 51-102
  48. ArbG Oldenburg, Urt. v. 14. Dezember 1989, NZA 1990, 438
  49. BAG NZA 1992, 259
  50. § 1 Abs. 3 Nr. 1 LFZG
  51. Schmitt, EFZG Einleitung, Rn. 58
  52. § 1 Abs. 1 S. 1 LFZG
  53. BVerfG AP Nr. 16 und 28 zu § 622 BGB
  54. §§ 115a-g AGB-DDR, Gbl. I, S. 371
  55. BT-Drucksache 12/5263
  56. Vgl. Schmitt, EFZG, Einleitung, Rnn. 110-112
  57. BGBl. I 1994, S. 1014
  58. Abgedruckt in NZA 1996, 688 ff.
  59. BT-Drucksache 13/4610
  60. BT-Drucksache 13/4611
  61. BT-Drucksache 13/4612
  62. BT-Drucksache 13/4613
  63. Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte
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