Hotellings Gesetz

Hotellings Gesetz

Hotellings Gesetz ist ein Theorem in der Mikroökonomie. Es besagt, dass rational handelnde Produzenten versuchen, ihre Produkte so ähnlich wie möglich im Vergleich zu ihren Wettbewerbern zu gestalten. Hotellings Gesetz wird auch als das "Prinzip der minimalen Unterscheidung" bezeichnet. Es wurde als erstes von Harold Hotelling im Jahre 1929 in seinem Aufsatz im Economic Journal "Stability in Competition" erwähnt.

Das gegenteilige Phänomen wird als Produktdifferenzierung bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Beispiel

Das Eisverkäufer-am-Strand-Problem beschreibt Hotellings Gesetz anhand des Standortfaktors und illustriert mögliche Strategien zweier Anbieter bei der Suche nach dem optimalen Standort. In einer Marktwirtschaft mit Wettbewerb stellt sich dabei heraus, dass das Endergebnis wäre, dass beide Eisverkäufer so nah wie möglich zusammenrücken.

Ausgangssituation: Beide Eisverkäufer befinden sich jeweils in der Mitte ihrer Hälften
Aktion: Der linke Eisverkäufer wandert nach rechts
Reaktion: Der rechte Eisverkäufer wandert nach links
Endergebnis bei Konkurrenz: Beide Eisverkäufer verkaufen in der Strandmitte

Ein Strand von 10 m Breite und 100 m Länge sei im Osten und Westen durch Felsen begrenzt, im Norden durch das Meer und im Süden durch eine Uferpromenade. An diesem Strand gibt es genau zwei Eisverkäufer mit je einem mobilen Eisverkaufsstand, der aber nur längs der Uferpromenade bewegt werden kann, nicht im Sand. Der Strand ist gleichmäßig mit Badegästen gefüllt. Beide Eisverkäufer bieten das gleiche Eis zum gleichen Preis an. Gesucht ist die optimale Position beider Eisverkäufer.

Lösung bei Kartell/Abstimmung

Die beiden Eisverkäufer wären optimal positioniert, wenn sie gleich große Einzugsgebiete hätten und so möglichst jeden Strandgast bedienten. Dafür gibt es genau die folgende Lösung:

Eisverkäufer E1 positioniert sich x Meter vom westlichen Rand entfernt, Eisverkäufer E2 positioniert sich auf (100-x) Meter. Beide haben jeweils 50 m Strand als ihr Einzugsgebiet. Das liegt daran, dass alle Badegäste aus dem Einzugsgebiet für E1 es näher zu E1 haben als zu E2. Alle Badegäste aus dem Einzugsgebiet für E2 haben es näher zu E2 statt zu E1. Das ganze funktioniert aber nur, wenn beide Eisverkäufer sich absprechen und ihre Absprache einhalten.

Als Beispiel sei hier x=25 genommen: E1 steht auf 25 m, E2 auf 75 m. (Dann haben die Strandgäste insgesamt gesehen die kürzesten Wege, was aber für das Problem keine Rolle spielt.)

Lösung bei Konkurrenz

Wenn man davon ausgeht, dass beide Eisverkäufer E1 und E2 sich abgesprochen haben und sich anfangs auf ihrer optimalen Position befinden, wird eventuell, weil sie eigentlich in Konkurrenz zueinander stehen, sich in Eisverkäufer E1 folgender Gedankengang abspielen: „Wenn ich mich ein bisschen mehr in Richtung E2 bewege, dann wird mein Einzugsgebiet größer. Denn dann ist der Weg zu mir für mehr Badegäste als vorher kürzer. Er wird es schon nicht merken.“. Am nächsten Tag befindet sich E1 nicht mehr auf 25 m, sondern auf 29 m:

An diesem Tag, an dem sich E1 auf 29 m befindet und E2 auf 75 m, liegt die Mittellinie zwischen ihnen nicht mehr bei 50 m, sondern bei 52 m. Das heißt, dass das Einzugsgebiet von E1 nicht mehr 50 m, sondern 52 m lang ist. Das Einzugsgebiet von E2 ist nicht mehr 50 m, sondern nur noch 48 m lang. Entsprechend weniger Kunden erhält E2.

Spätestens jetzt merkt E2, dass es wahrscheinlich wichtig ist, selbst ein bisschen mehr in Richtung E1 zu rücken, um das eigene Einzugsgebiet (wieder) zu vergrößern. Also rückt E2 am nächsten Tag in Richtung E1:

An diesem dritten Tag hat sich die Mittellinie zwischen E1 und E2 entsprechend in Richtung E1 bewegt. E2 macht mehr Umsatz als E1. E1 bemerkt, dass dies offensichtlich daran liegt, dass E2 seinen Strandabschnitt vergrößert hat. Also repositioniert sich E1, um am folgenden Tag seinen Strandabschnitt zu vergrößern:

Dieses Spiel läuft einige Tage lang, bis sich die beiden Eisverkäufer in der Mitte treffen. Näher als ganz dicht zusammenrücken können sie nicht. Die Revierkämpfe hören also auf diese Weise auf. Das Einzugsgebiet der beiden Eisverkäufer ist wieder das gleiche wie am Anfang, keiner ist bevorteilt, es herrscht wieder ein „Gleichstand“.

Unter der Voraussetzung, dass es eine maximale Weglänge gibt, die die Badegäste bereit sind, für ihr Eis zurückzulegen, ergeben sich folgende Konsequenzen:

  • Für die Badegäste, die sich ganz am Rand des Strands befinden, ist der Weg zu den Eisverkäufern nun zu weit. Obwohl sie ein Eis kaufen wollen, werden sie sich keines kaufen, wenn sie dafür so weit durch den heißen Sand laufen müssen.
  • Beide Eisverkäufer machen deswegen weniger Umsatz als vorher.

Ganz klar wäre die Situation, wie man sie am Anfang hatte, optimal, sowohl für die Eisverkäufer als auch für die Badegäste. Aber die beschriebene Strategie der Eisverkäufer hat allen Beteiligten, außer den Kunden in der Mitte des Strandes, nur geschadet. Einen ähnlichen Prozess schildert das Braess-Paradoxon.

Eine ähnliche Situation tritt auch beim Gefangenendilemma auf, der wesentliche Unterschied ist, dass es keine Zwischenwerte gibt.

Bedeutung des Modells und Kritik

Das Modell dient der Illustration der Frage nach der optimalen Standortsuche unter marktwirtschaftlichen Bedingungen. Oft wird eingewandt, der Eisverkäufer würde bei der Wanderung nach rechts mehr Kunden auf der linken Seite verlieren, als er auf der rechten Seite gewinnen kann. Je nach Kundenverhalten ist dies jedoch nicht zwingend der Fall. Die Neue Institutionenökonomik befasst sich mit Problemen wie diesem und bietet Lösungen über die Einführung von Institutionen.

Siehe auch

Literatur

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gesetz von Benford — Das benfordsche Gesetz, auch Newcomb Benford’s Law (NBL) beschreibt eine Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen, zum Beispiel ihrer ersten Ziffern. Es lässt sich etwa in Datensätzen über… …   Deutsch Wikipedia

  • Benford'sches Gesetz — Das benfordsche Gesetz, auch Newcomb Benford’s Law (NBL) beschreibt eine Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen, zum Beispiel ihrer ersten Ziffern. Es lässt sich etwa in Datensätzen über… …   Deutsch Wikipedia

  • Benfords Gesetz — Das benfordsche Gesetz, auch Newcomb Benford’s Law (NBL) beschreibt eine Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen, zum Beispiel ihrer ersten Ziffern. Es lässt sich etwa in Datensätzen über… …   Deutsch Wikipedia

  • Zipf'sches Gesetz — Dieser Artikel befasst sich mit dem Echten Zipfschen Gesetz. Für das sogenannte Falsche siehe Falsches Zipfsches Gesetz. Das Zipf sche Gesetz (nach George Kingsley Zipf, der dieses Gesetz in den 1930er Jahren aufstellte) ist ein Modell, mit… …   Deutsch Wikipedia

  • Eisverkäufer-am-Strand-Problem — Hotellings Gesetz ist ein Theorem in der Mikroökonomie. Es besagt, dass rational handelnde Produzenten versuchen ihre Produkte so ähnlich wie möglich im Vergleich zu ihren Wettbewerbern zu gestalten. Hotellings Gesetz wird auch als das Prinzip… …   Deutsch Wikipedia

  • Hotelling — Harold Hotelling (* 29. September 1895 in Fulda, Minnesota; † 26. Dezember 1973) war ein US amerikanischer Statistiker und Volkswirt. Hotelling verbrachte den größten Teil seiner Kindheit in Seattle. Nach dem Bachelor in Journalismus im Jahr 1919 …   Deutsch Wikipedia

  • Harold Hotelling — (* 29. September 1895 in Fulda, Minnesota; † 26. Dezember 1973) war ein US amerikanischer Statistiker und Volkswirt. Hotelling verbrachte den größten Teil seiner Kindheit in Seattle. Nach dem Bachelor in Journalismus im Jahr 1919 beendete er 1921 …   Deutsch Wikipedia

  • Medianwählermodell — Das Medianwählermodell dient in der (neuen) politischen Ökonomik (= ökonomische Theorie der Politik) der Veranschaulichung des Verhaltens von Parteien. Aus dem Modell lässt sich folgern, dass sich die Positionen der Parteien letztlich zur Mitte… …   Deutsch Wikipedia

  • Spieltheorie — In der Spieltheorie werden Entscheidungssituationen modelliert, in denen sich mehrere Beteiligte gegenseitig beeinflussen. Die Spieltheorie versucht dabei unter anderem, das rationale Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen… …   Deutsch Wikipedia

  • Benfordsche Verteilung — Das benfordsche Gesetz, auch Newcomb Benford’s Law (NBL) beschreibt eine Gesetzmäßigkeit in der Verteilung der Ziffernstrukturen von Zahlen in empirischen Datensätzen, zum Beispiel ihrer ersten Ziffern. Es lässt sich etwa in Datensätzen über… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”