Amniozentese

Amniozentese

Mit Amniozentese (oder Fruchtwasseruntersuchung) wird in der Medizin die Punktion der Fruchtblase (Amnionhöhle) einer schwangeren Frau zur Untersuchung der im Fruchtwasser befindlichen fetalen Zellen bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Untersuchungszeitpunkt

In der Regel werden Amniozentesen ab der 13. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Sie sind aber auch bereits ab der 10. Woche möglich (Frühamniozentese), wobei zu diesem Zeitpunkt ein erhöhtes Verletzungsrisiko für das Ungeborene und ein erhöhtes Risiko einer Fehlgeburt besteht. Darum werden Frühamniozentesen nur in besonders dringenden Fällen oder auf besonderen Wunsch der Schwangeren bzw. des Elternpaares vollzogen.

Untersuchungsmethode

Zur Vorbereitung der Fruchtwasserentnahme ermittelt der Arzt durch eine Ultraschalluntersuchung zunächst die Lage des Kindes in der Gebärmutter um eine geeignete Einstichstelle zur Fruchtwasserentnahme zu finden. An der ausgewählten Stelle wird unter Ultraschallkontrolle eine dünne Nadel in die Bauchdecke und weiter in die Fruchtblase eingeführt (Punktion).[1]

Es werden etwa 10 bis 20 ml Fruchtwasser entnommen, in dem sich Zellen des Amnions (= der das Kind umgebende Fruchtwassersack) und kindliche Zellen befinden. Die Fruchtwasserprobe wird anschließend in einem Labor untersucht. Dort werden die Zellen, die sich in der Probe befinden, weiter gezüchtet und vermehrt. Diese Zellen sind abgestoßene Zellen der Haut, des Magen-Darm-Trakts und der Nieren des Kindes. Erste Ergebnisse der Fruchtwasseruntersuchung können durch FisH-Test bereits nach 24 bis 48 Stunden vorliegen, wenngleich die Langzeitkultivierung für eine umfassende Diagnostik abgewartet werden muss. Nach dem Eingriff sollte sich die Schwangere einen Tag lang konsequent schonen.

Dauer der Untersuchung

Die Fruchtwasserentnahme dauert in der Regel 5 bis 15 Minuten. Die meisten Frauen empfinden den Einstich der Nadel in die Bauchdecke so wie den einer gewöhnlichen Injektion im Rahmen von Blutabnahmen oder vergleichbaren Punktionen. Er ist in aller Regel nicht mit besonderen Schmerzen verbunden, so dass auf eine Betäubung der Einstichstelle meist verzichtet wird.

Diagnostik

Die gewonnenen Zellen des Kindes werden im Labor extrahiert und kultiviert, das heißt ausreichend vermehrt und anschließend einer DNA- und Chromosomenanalyse unterzogen.

Es ist dadurch möglich, bestimmte Fehlentwicklungen des zentralen Nervensystems (ZNS) abzuschätzen, sowie einige Erbkrankheiten (z. B. Apert-Syndrom) und einige chromosomale Besonderheiten, darunter Down-Syndrom (Trisomie 21), Pätau-Syndrom (Trisomie 13), Edwards-Syndrom (Trisomie 18), Trisomie 8 und Trisomie 9 mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit zu diagnostizieren.

Es können jedoch nicht alle angeborenen Erkrankungen und Behinderungen festgestellt werden, beispielsweise treten Trisomien (= Verdreifachungen von Erbmaterial) manchmal als sogenanntes „Mosaik“ auf. Das heißt, dass nicht in allen Zellen des Kindes das jeweilige Chromosom dreifach vorhanden ist, sondern es existieren auch Zellen mit dem üblichen Chromosomensatz. Es ist darum möglich, dass eine Mosaik-Trisomie bei der Chromosomenuntersuchung nicht erkannt wird.

Darüber hinaus erlaubt die Untersuchung des Fruchtwassers (zumindest ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel) die Bestimmung weiterer Kennwerte:

Etwa ab der 30. Schwangerschaftswoche kann die Amniozentese auch zur Diagnose von Blutgruppen-Unverträglichkeiten zwischen der Schwangeren und dem Ungeborenen durchgeführt werden und bei einer drohenden Frühgeburt ist es möglich, durch die Untersuchung die Lungenreife des Ungeborenen einzuschätzen.

Anwendungsrisiken

Risiken, die die Untersuchung mit sich bringt, sollten von der Schwangeren bzw. von dem Elternpaar abgewogen werden, bevor sie einer Amniozentese zustimmen. Es kann während bzw. nach dem Eingriff zu folgenden Ereignissen kommen:

  • Fruchtwasserverlust
  • Blutungen in der Gebärmutter
  • Verletzungen der Gebärmutter
  • Verletzungen des Mutterkuchens
  • Infektionen
  • Verletzungen des ungeborenen Kindes durch die Nadel (insbesondere, wenn sich das Kind viel und / oder unerwartet bewegt)
  • Kontraktionen der Gebärmutter (oft bemerkbar als eine Art „Ziehen“ im Bauch, wobei dies in den meisten Fällen wieder nachlässt)
  • Fehlgeburt

Invasive Untersuchungen werden aufgrund der erhöhten Risiken in der Regel dann durchgeführt, wenn insbesondere das Fehlgeburtsrisiko infolge des Eingriffs niedriger ist als die statistisch zu erwartende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Chromosomenbesonderheit oder einer Erbkrankheit.

Nach dem Eingriff sollte sich die Schwangere eine Zeit lang konsequent schonen, da es prinzipiell auch noch Tage nach dem Eingriff möglich ist, dass es z. B. zum Fruchtwasserverlust kommt.

Fehlgeburt

In einer Studie, bei der 1.006 Amniozentesen retrospektiv ausgewertet wurden, lag die Fehlgeburtsrate bei einer Untersuchung in der 16. oder 17. Schwangerschaftswoche bei Frauen im Alter von 20 bis 34 Jahren bei 2,5 %, stieg in der Altersgruppe der Frauen von 35 bis 39 Jahren auf 3,4 % bis hin zu 5,1 % bei Frauen ab 40 Jahre. Neben dem Alter waren vaginale Blutungen während der Schwangerschaft ein wichtiger Risikofaktor, der eine Erhöhung der Fehlgeburtsinzidenz auf 6,5 % bedingte (= 2,4-fach erhöhtes Risiko); Frauen mit einer spontanen Fehlgeburt in früheren Schwangerschaftsstadien oder einem Schwangerschaftsabbruch hatten eine Inzidenz von 8 % (= 3-fach erhöhtes Risiko).[2]

In einer anderen Studie lag die Komplikationsrate (Fehlgeburt, Intrauteriner Fruchttod) innerhalb von 14 Tagen nach einer Amniozentese bei 1,5 % bei Ausbildungsassistenten und bei 0,6 % bei Fachärzten.[3]

Literatur

  • Hohenstein, Heide: Störfaktoren bei der Verarbeitung von Gefühlen in der Schwangerschaft: Gesellschaftliche und ethische Hintergründe der Fruchtwasserpunktion - Interviews mit Betroffenen und Erörterung ihrer Erfahrungen, Verlag Waxmann, Berlin 1998, ISBN 978-3893256136

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Das Wort bezeichnet gerade den Vorgang: gr. ἀμνίον amníon, "Fruchtblase" + κέντησις kéntēsis, "Punktion". Es müsste auf deutsch *Amniokentese heißen, das Wort ist aber durch lateinisch eingedrungen, wonach griechisch κ als c geschrieben wird.
  2. Br J Obstet Gynaecol 2001;108: 1053-1056
  3. doi:10.1055/s-2002-25191
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