Johann von Vlatten

Johann von Vlatten

Johann von Vlatten (* um 1498; † 11. Juni 1562 in Düsseldorf), war ein deutscher Humanist, Politiker und Kanoniker.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Ausbildung

Johann von Vlatten kommt aus der einflussreichen Ministerialenfamilie von Vlatten / Scheiffart v. Merode mit umfangreichen Besitzungen im Herzogtum Jülich. Der genaue Geburtstag Johanns von Vlatten lässt sich nicht exakt datieren. Aus dem Ablauf seiner Studien und dem Antritt seines ersten bzw. zweiten Kanonikats kann man das Jahr 1498 als wahrscheinliches Geburtsjahr ableiten. Er stirbt am 11. Juni 1562 in Düsseldorf.

Als einer von vier Söhnen schlägt er früh eine geistliche Laufbahn ein und erhält mit knapp 17 Jahren sein erstes Kanonikat.

1516 schreibt sich Johann von Vlatten in die Artistenfakultät der Universität zu Köln ein und beginnt ein Theologiestudium. In dieser Zeit wird dort heftig über den Humanismus diskutiert und die sogenannten Dunkelmännerbriefe sorgen für Aufsehen. Auch Erasmus von Rotterdam ist zu dieser Zeit gelegentlich in Köln und nimmt persönlich oder brieflich Anteil daran. In dieser Zeit lernt Johann von Vlatten vermutlich dann auch Erasmus von Rotterdam sowie Konrad Heresbach kennen, der auch um 1520 dort studiert. Seit Beginn der 1520er-Jahre studiert Vlatten zusätzlich noch Juristerei. Johann von Vlatten verlässt 1521 die Kölner Universität, um seine Studien in Orleans, Paris und Freiburg fortzusetzen.

Finanzielle Sorgen muss er sich nicht machen, da er durch Johann III., Herzog der Vereinigten Herzogtümer Jülich-Berg-Kleve-Mark mit mehreren geistlichen Pfründen materiell abgesichert wird; der ihn so aber auch an seinen Hof bindet. Unter anderem besetzt Vlatten die Propsteien von Kranenburg (1521–1562), Xanten (1536–1543), St. Marien in Aachen (1541–1562) und Kerpen (1544–1562).

Im Dienst der Herzöge von Jülich-Berg und Kleve

Vlatten wird im Winter 1523/24 von Herzog Johann III. zum herzöglichen Rat ernannt und geht an den jülich-bergischen Hof. In dieser Zeit wird – möglicherweise unter Vermittlung oder auf Empfehlung Vlattens – Konrad Heresbach durch Herzog Johann III. als Erzieher des Erbfolgers Wilhelm V. (1516–1592) an seinen Hof im Herzogtum Kleve berufen. Auch in dieser Position pflegt der „Erasmus-Intimus“ (Tobias Arand) Johann von Vlatten einen regen Briefwechsel mit Erasmus von Rotterdam und bemüht sich in den 1520er Jahren sehr um eine Umsiedlung des Erasmus an den Niederrhein.

Für seinen Landesherren übernimmt er auch diplomatische Aufgaben und ist hin und wieder mit Kanzler Johann Ghogreve in dienstlicher Mission zu Reichstagen und bei Religionsgesprächen unterwegs. Seit etwa 1530 fungiert Vlatten als Ghogreves Vizekanzler; Simon Reichwein (1501-1559) nennt ihn 1530 in einem Brief an Erasmus von Rotterdam den „fidum Achatem“ („getreuen Achates“)[1].

Nach dem Tod von Kanzler Ghogreve (1554) wird Vlatten bleibender Kanzler am Hof von Jülich-Berg, zuständig für die Aufsicht über die Kirchenvisitationen, sowie Propst in Aachen. Zudem hat er die jülich-bergischen Kirchenordnungen von 1532 und 1533 mit ausgearbeitet und ist schon zu Zeiten seiner „Vizekanzlerschaft“ einer der Einflussreichsten am Hofe Herzog Wilhelm V., genannt „der Reiche“.

Via-Media-Politiker

Bis zu seinem Tod und – durch die Weichenstellungen bei personellen und inhaltlichen Fragen – darüber hinaus hat er, der klare Parteigänger des Erasmus, durch seine theologischen und juristischen Kenntnisse der herzöglichen Kirchenpolitik eine (zwischen Protestantismus und Katholizismus) ausgleichende und zugleich humanistische Prägung hinsichtlich der Notwendigkeit einer kirchlichen Reform geben können. Durch seine politische Tätigkeit und seine Briefe „verkörpert er den Prototypen des via-media-Politikers“(Eckehard Stöve).

Würdigung

Vlattenstraße in Düsseldorf (kreuzt die Gogrevestraße).

Literatur

  • Anton Gail: Johann von Vlatten und der Einfluß des Erasmus von Rotterdam auf die Kirchenpolitik der vereinigten Herzogtümer. In: Düsseldorfer Jahrbuch, Bd. 45; Düsseldorf 1951, S. 1–109
  • Woldemar Harleß: Vlatten, Johann von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 40, Duncker & Humblot, Leipzig 1896, S. 87–89.
  • Dieter Scheler: Die Juristen des Herzogs und der Hof. In: Pohl, Mainhard (Hg.); Der Niederrhein im Zeitalter des Humanismus. Konrad Heresbach und sein Kreis; Bielefeld 1997, S. 75–92
  • Eckehard Stöve: Via media. Humanistischer Traum oder kirchenpolitische Chance? Zur Religionspolitik der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg im 16. Jahrhundert. In: Monatshefte für Kirchengeschichte des Rheinlands, 39. Jahrgang; Köln/Bonn 1990, S. 115–133

Einzelnachweise

  1. Brief vom 29. März 1530, in: Joseph Förstemann / Otto Günther (Hrsg.), Briefe an Desiderius Erasmus von Rotterdam (Beihefte zum Centralblatt für das Bibliothekswesen 27),Leipzig: Otto Harrassowitz 1904, S. 135f.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Von Vlatten — Johann von Vlatten (* um 1498; † 11. Juni 1562 in Düsseldorf), war ein deutscher Humanist, Politiker und Kanoniker. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Ausbildung 2 Im Dienst der Herzöge von Jülich Berg und Kleve 3 Via Media Politiker …   Deutsch Wikipedia

  • Johann Ghogreff — Johann (von) Ghogreff oder Gogreve (andere Schreibweisen: Ghogravius, Goichgreff u. ä.; * um 1499 im Herzogtum Berg („Montensi natus“), vermutlich in Düsseldorf; † 17. Februar 1554 im Haus Hellenbroich bei Mettmann) war ein deutscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Vlatten — steht für: Vlatten (Heimbach), ein Ortsteil von Heimbach (Eifel) Vlatten ist der Familienname folgender Personen: Johann von Vlatten (1498–1562), deutscher Humanist, Politiker und Kanoniker Diese Seite ist …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann von Neuenahr der Ältere — Hermann Graf von Neuenahr (Nuenar, a Nvenare, de Nova Aquila[1]) (* 1482[2]; † 2. Oktober 1530 in Augsburg) war ein deutscher humanistischer Theologe, Staatsmann, Naturwissenschaftler und erzbischöflicher Kanzler der alten Universität Köln …   Deutsch Wikipedia

  • Burg Vlatten — um 1860, Sammlung Alexander Duncker Entstehungszeit …   Deutsch Wikipedia

  • Werner von Binsfeld — Das Herrenhaus der Burg Binsfeld Das Wappen derer von Binsfeld …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm I. von Nesselrode — Wilhelm von Nesselrode (* vor 1423; † 1471) stammte aus dem bergischen Adelsgeschlecht Nesselrode, das seinen Sitz auf Haus Rode, dem späteren Haus Nesselrode, nördlich von Leichlingen an der Wupper hatte. Seit der zweiten Hälfte des 13.… …   Deutsch Wikipedia

  • Wilhelm von Nesselrode — (* um 1495; † 1471) stammte aus dem bergischen Adelsgeschlecht Nesselrode, das seinen Sitz auf Haus Rode, dem späteren Haus Nesselrode, nördlich von Leichlingen (Rheinland) an der Wupper hatte. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist die …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Pröpste des Aachener Marienstifts — In der Liste der Pröpste des Aachener Marienstiftes werden die bisher bekannten Pröpste des Marienstiftes Aachen mit ihrer jeweiligen Amtszeit aufgeführt. Bis 972 wurden sie noch als Abt bezeichnet, speziell die Namen ab dem Ende des achten… …   Deutsch Wikipedia

  • Kanonikerstift St. Martin (Zyfflich/Kranenburg) — ehemalige Stiftskirche St.Martin (bis 1436), Zyfflich ehemalige Stiftskirche St. Martin (1436 1802), heute Pfarrkirche St. Peter und Paul, Kranenburg Das Stift St …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”