Kreditwürdigkeitsprüfung

Kreditwürdigkeitsprüfung

Die Kreditwürdigkeitsprüfung ist bei Kreditinstituten die erstmalige und laufende Überwachung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit ("Bonität") eines Schuldners. Dieser Vorgang ist bei Kreditvergaben von Banken allgemein verbindlich in § 18 KWG geregelt. Insbesondere für Kredite an einen Kreditnehmer, die 10 % des haftenden Eigenkapitals, max. 750.000 EUR[1] übersteigen, ist diese Prüfung für die Banken verpflichtend und wird von der Bankenaufsicht BaFin im Rahmen deren jährlicher Prüfungen der Kreditinstitute entsprechend überwacht.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Ein Kreditrisiko lässt sich für Kreditinstitute nur einschätzen, wenn sie zeitnahe Informationen über die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kreditnehmer erhalten und anhand einheitlicher Vorgaben aus- und bewerten. Deshalb verlangt § 18 KWG - allerdings in sehr allgemein gehaltener Form -, dass Kreditinstitute sich turnusmäßig die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kreditnehmer während der Kreditlaufzeit offenlegen lassen müssen. Da diese Bestimmung des Kreditwesengesetzes nur im Verhältnis der Kreditinstitute zur Bankenaufsicht gilt, ist eine Umsetzung gegenüber den Kreditnehmern erforderlich. Der BGH verlangt in Auslegung dieser Bestimmung[2] von den Kreditinstituten, sich nachhaltig um die Vorlage von Jahresabschlüssen beziehungsweise einen Vermögensstatus mit ergänzenden Angaben zu bemühen und die weitere Kreditgewährung von einer solchen Vorlage abhängig zu machen, den Kredit also zu kündigen, wenn ihnen die Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung durch das weitere Verhalten ihres Kunden unmöglich gemacht wird. Um dies verbindlich zu regeln, werden entsprechende Passagen in die Kreditverträge aufgenommen. Dadurch entsteht für die Kreditnehmer eine Vertragspflicht, deren Nichteinhaltung die Verletzung einer Vertragspflicht (§ 314 Abs. 2 BGB) bedeutet. Hierzu gehört die Nichteinreichung von Bonitätsunterlagen im Rahmen der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder anderer vertragserheblicher Unterlagen[3]. Dies ist ein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit seitens der Kreditinstitute auslöst.

§ 18 KWG versus Solvabilitätsverordnung

In den §§ 56, § 112, § 113 und § 116 Solvabilitätsverordnung wird von den Kreditinstituten verlangt, dass sie betragsunabhängig jeden Kreditnehmer mit einem Rating klassifizieren müssen, es sei denn, der Kunde gehört zu den genau zu definierenden Fällen des ungerateten Geschäfts innerhalb des sog. „partial use“. Ein Rating setzt voraus, dass den Kreditinstituten entsprechende Unterlagen über Vermögen, Schulden und Einkommen des Kreditnehmers vorliegen. Da die SolvV als Ausführungsbestimmung des § 10 KWG anzusehen ist, gilt sie im Verhältnis zum KWG als „lex specialis“, dem Vorrang eingeräumt werden muss vor den allgemeinen Bestimmungen des § 18 KWG.

Auch die MaRisk – als Ausführungsbestimmung zu § 25a Abs. 1 KWG - verlangen von den Banken ein Risikoklassifizierungssystem für Kredite. Deshalb muss bei jeder Kreditentscheidung der Kreditnehmer entsprechend eingestuft werden. Dies gelingt nur mit vollständigen Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers, und zwar ohne Rücksicht auf den Kreditbetrag.

Aus beiden Vorschriften entstehen für die Kreditinstitute Notwendigkeiten, sich auch bei Kreditnehmern, deren Kreditvolumen die Offenlegungsgrenze von 10 % des haftenden Eigenkapitals bzw. max. T€ 750 nicht erreichen oder überschreiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen zu lassen. Allerdings ist hierbei eine deutliche Abstufung bezüglich des Mindestumfangs der einzureichenden Unterlagen vorhanden.

Bestandteile der Prüfung

Allgemeines

Wie bereits erwähnt, ist die zentrale qualitative Normvorschrift zur Anforderung von Unterlagen über die wirtschaftlichen Verhältnisse in § 18 KWG sehr allgemein formuliert. Deshalb hatte die BaFin in zahlreichen, kaum noch überschaubaren Rundschreiben diese Vorschrift konkretisiert, um den Kreditinstituten Erleichterungen für die Kreditpraxis zu geben. Diese umfangreichen Rundschreiben der BaFin zur Ausführung und Interpretation des § 18 KWG sind seit Mai 2005 ersatzlos entfallen. Die BaFin hat die Kreditinstitute gleichzeitig jedoch angewiesen, die Einhaltung des § 18 KWG durch eigene Regelungen nachhaltig sicherzustellen[4]. Dies hatte zur Folge, dass anstatt eines einheitlichen Rahmens nunmehr individuelle Ausführungsbestimmungen gelten. Die Grundsätze für die materielle Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse sind nunmehr in Leitlinien der verschiedenen Bankenverbände kodifiziert, die sich an einigen grundlegenden Prinzipien orientieren. Damit sind sie von ihrem materiellen Inhalt innerhalb der Institutsgruppen identisch. In der praktischen Ausgestaltung sind die Institute jedoch frei, so dass Abweichungen im Detail möglich sein können. Genau dieser Gefahr einer unterschiedlichen Handhabung durch die Institute wollte jedoch die Bestimmung des § 18 KWG entgegenwirken[5].

Prinzipien des § 18 KWG

  • Risikoadäquanz:

Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt eines Engagements bestimmen die Anforderungen an die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Je besser die Bonität und je geringer der unbesicherte Kreditteil ist, desto geringer dürfen die Anforderungen sein und umgekehrt. Da Bonität und Blankoanteil von verschiedenen Instituten unterschiedlich beurteilt werden können, können abweichende Anforderungen nicht ausgeschlossen werden.

  • Nachvollziehbarkeit:

Das Ablaufverfahren zur Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse muss vom Institut detailliert und nachvollziehbar in Arbeitsanweisungen geregelt werden. Transparente Darstellung der wirtschaftlichen Situation des Kunden kann bei Prüfungen durch Bankenaufsicht oder Wirtschaftsprüfer schnell nachvollzogen werden.

  • Vollständigkeit:

Es müssen alle Unterlagen eingeholt werden, die nach Überzeugung des Instituts für eine sachgerechte Kreditwürdigkeitsprüfung erforderlich sind. Das Institut muss anhand der eingereichten Unterlagen schlüssig und nachvollziehbar beurteilen können, ob ein Kreditnehmer auch zukünftig in der Lage sein wird, seinen Zins- und Tilgungsverpflichtungen nachzukommen. Bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen können die Anforderungen an Unterlagen deshalb schneller erfüllt sein als bei schwierigen Fällen.

Allgemeine Vorgaben der Bankenaufsicht

Die BaFin gibt seit Mai 2005 lediglich die allgemeinen Rahmenbedingungen vor, die die Kreditinstitute bei der Entscheidungsfindung von Kreditgewährungen beachten müssen. Danach müssen sie folgende Kriterien berücksichtigen:

  • Die Institute müssen bei der Kreditgewährung und -bearbeitung ein ihrem individuellen Geschäftsprofil entsprechendes System einsetzen, mit dem sie ihre Adressausfallrisiken in eigener Verantwortung umfassend beurteilen können.
  • Darüber hinaus sind in bankinternen Organisationsrichtlinien die Beurteilungsintensität und -häufigkeit sowie die hierfür anzufordernden Unterlagen entsprechend der Art, des Umfangs, der Komplexität und des Risikogehalts der Geschäfte festzulegen[6].

Damit müssen Kreditinstitute auch unterhalb der Offenlegungsgrenze (also unter 10 % des haftenden Eigenkapitals, max. T€ 750) darauf achten, dass unvertretbare Risikoanhäufungen vermieden werden.

Unterlagen

Im Wesentlichen wird konkretes und detailliertes Zahlen- und Datenmaterial der Prüfung zugrunde gelegt. Dieses muss je nach Kundensegment qualitativen Anforderungen genügen (z. B. Jahresabschlüsse bei Firmen oder unterschriebene Selbstauskünfte bei Privatkunden).

  • Privatkunden (unselbständige, natürliche Personen): Informationen zu Einkommen, Ausgaben, Vermögen, Schulden (inkl. regelmäßige Belastungen hieraus, übernommenen Haftungen), Einkommenssteuerbescheid sowie die auch für eine Kontoeröffnung notwendigen sonstigen Daten wie Wohnort, Güterstand, Kinder, Beschäftigung etc..
  • Firmen: Bilanzen mit Gewinn-/Verlustrechnung, bei Selbständigen ohne Bilanzierungspflicht die Einnahmen-Überschußrechnung inkl. Vermögens- und Schuldenstatus.

Weiterführende detaillierte Hinweise, mit dem Abdruck des BaFin-Rundschreibens vom 9. Mai 2005, gibt Grigg.[7]

Grundsätzlich erhöht sich der Anspruch an Umfang und Qualität der Informationen und Daten, je höher die Kreditanfrage und/oder der unbesicherte Kreditteil ist. So werden insbesondere im gewerblichen Kreditgeschäft auch unterjähriges Zahlenmaterial (Quartalsberichte) eingefordert. In allen Fällen wird sich der Informationsbedarf an den Erfordernissen der jeweils intern angewandten Rating- bzw. Scoringverfahren ausrichten.

Verfahren

Bei der Erhebung der Ausprägungen der Kreditnehmer wird zwischen der präskriptiven und der deskriptiven Bestimmung unterschieden. Im ersten Fall werden die Größen aus Befragungen des Kreditmanagments ermittelt. Bei der deskriptiven Vorgehensweise erfolgt die Ermittlung aus statistischer Auswertung vergangener Verfahren.

Deskriptive Verfahren

Lineare Diskriminanzanalyse

Hier wird eine Gewichtung der betrachteten Eigenschaften vorgenommen. Ergebnis sind die Diskriminanzscores. Durch die Gewichtung der Faktoren wird versucht die Diskriminanzscores so zu bestimmen, dass sich die Verteilung in die Gruppen guter Kreditnehmer und schlechter Kreditnehmer möglichst unterschiedlich ist. Daraufhin wird ein Trennscore bestimmt. Die Festlegung des Trennwertes beinhaltet zwei Fehlermöglichkeiten und zwar zum einen dass gute, kreditwürdige Kreditnehmer abgelehnt werden und zum anderen dass schlechte Kreditnehmer akzeptiert werden. Dies kann zu Kosten der Vergabe aus einem resultierendem Ausfall führen.

Logit-Modell

Das Logit-Modell basiert auf logistischer Regression. Es wird angenommen, dass die bedingte Wahrscheinlichkeit für Zahlungsunfähigkeit eine lognormal verteilte Zufallsvariable ist, deren Wert kleiner als die Summe aus dem Produkt aus Gewichtsvektor und Merkmal sowie einer Konstante ist.

Kalibrierung von Scorewerten

Die empirische Kalibrierung erfolgt auf Grundlage der Kreditnehmergruppen und einer Kalibrierungskurve.

Kreditnehmergruppen

  • Ordnung anhand Scorewert
  • empirische Ausfallrate

Kalibrierungskurve

  • parametrische und nichtparametrische Regression

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der im Gesetz verankerte Schwellenwert bedeutet nicht, dass Kreditvergaben unterhalb dieser Größenordnung keine Kreditwürdigkeitsprüfung (Bonitätsprüfung) erfordern würden.
  2. BGH WM 1994, 838
  3. Volker Lang/Paul Assies/Stefan Werner, Schuldrechtsmodernisierung in der Bankpraxis, 2002, S. 161
  4. Britta Kunze, Überwachung operationeller Risiken bei Banken interne und externe Akteure im Rahmen qualitativer und quantitativer Überwachung, 2007, S. 158, ISBN 3835006436
  5. Gerd Waschbusch, Bankenaufsicht: Die Überwachung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute nach dem Gesetz über das Kreditwesen, 2000, S. 464, ISBN 3486255061
  6. Dies entspricht dem Inhalt des § 25a Abs. 1 KWG, wonach jedes Kreditinstitut über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, angemessene interne Kontrollverfahren und geeignete Regelungen zur Streuung, Überwachung und Kontrolle der Risiken verfügen muss. Diese Bestimmung wird durch die MaRisk konkretisiert. Hier wird den Banken vorgegeben, wie ihre Kreditrisikostrategie, aber auch ihre konkrete Kreditgewährung, -bearbeitung und Kreditüberwachung auszusehen haben. Schließlich münden diese Vorgaben in ein Verfahren zur Risikoklassifizierung, das letztlich die Voraussetzung für die Anwendung des sog. IRB-Ansatzes zur Risikogewichtung von Krediten und Bestimmung der SolvV bildet.
  7. Ronny Grigg, BWA professionell erfolgreiche Unternehmenssteuerung und Kreditsicherung mit betriebswirtschaftlichen Auswertungen, 2006, S. 36 ff., ISBN 3886065871, virtuell zu finden in "Google-Buchsuche"

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