Leanen

Leanen
Gemischhebel (rot)

Unter Leanen versteht man das Abmagern des Kraftstoff-Luft-Gemisches bei Ottomotoren, die als Flugmotor in Flugzeugen eingesetzt werden. Durch das Leanen wird der Kraftstoffanteil des Kraftstoff-Luft-Gemisches, das dem Motor zugeführt wird, verringert, was den Kraftstoffverbrauch senkt und damit die Reichweite erhöht. Das Abmagern erfolgt bei den meisten Modellen manuell durch den Piloten mittels des Gemischhebels (mixture control; condition lever) und seltener automatisch.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Luft-Treibstoff-Gemisch

In einem Verbrennungsmotor verbrennt das Treibstoff-Luft-Gemisch nur bei einem Gewichts-Verhältnis (im Unterschied zum Volumenverhältnis) von 1:14,7 vollständig (1,0 kg Kraftstoff auf 14,7 kg Luft). Bei diesem Verhältnis reagieren der Kohlenstoff (C) und der Wasserstoff (H) des Kraftstoffs (verschiedene Kohlenwasserstoffverbindungen - CxHy) mit dem Sauerstoff (O) der Luft, dabei unterscheidet man zwischen der vollständigen und der unvollständigen Verbrennung wie folgt:

Vollständige Verbrennung von langkettigen Kohlenwasserstoffe

\mathrm{2 \ C_{8}H_{18} \ + \ 25 \ O_2 \longrightarrow 16 \ CO_2 \ + \ 18 \ H_2O}
Octan und Sauerstoff reagieren unter optimalen Bedingungen zu Kohlenstoffdioxid und Wasser.

Gewöhnliche, unvollständige Verbrennung von langkettigen Kohlenwasserstoffe

\mathrm{2 \ C_{8}H_{18} \ + \ 13 \ O_2 \longrightarrow 2 \ CO_2 \ + \ 7 \ CO \ + \ 4 \ C \ + \ C_3H_6 \ + \ 15 \ H_2O}
Octan und Sauerstoff reagieren bei einer unvollständigen Verbrennung zu Kohlenstoffdioxid, Kohlenstoffmonooxid, Ruß, kurzkettige Kohlenwasserstoffe (Propen) und Wasser, des Weiteren entstehen bei der unvollständigen Verbrennungen im Motor auch Stickoxide sowie ggf. Schwefeloxide. Diese Art von Verbrennungen entstehen, wenn die Verbrennungstemperatur zu niedrig ist oder nicht ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht.

Somit entstehen Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) in Form von Wasserdampf. Es handelt sich hierbei jedoch um eine idealisierte Darstellung der ablaufenden Prozesse, die, wie weiterführende Untersuchungen gezeigt haben, in der Realität viel komplexer sind.

Bei einem stöchiometrischen Gemisch ist das Luft-Kraftstoff-Verhältnis gerade so bemessen, dass genau die Luftmasse vorliegt, die theoretisch allen Kraftstoff zu H2O und CO2 oxidiert. Von diesem idealen stöchiometrischen Kraftstoffverhältnis (1:14,7) kann durch einen höheren Kraftstoffanteil („fett“, „reich“, englisch: rich, z. B. 1:13) oder einen höheren Luftanteil („mager“, „arm“, englisch: lean, z.B. 1:16) innerhalb bestimmter Grenzen abgewichen werden. Das Gemisch sollte allerdings nur so weit abgemagert werden, dass es noch zündfähig bleibt (bis ca. 1:30).

Im Gegensatz zu Autos werden Flugzeuge in sehr unterschiedlichen Höhen betrieben. In großen Höhen steht wegen der „dünnen Luft“ nicht mehr genug Sauerstoff zur Verbrennung zur Verfügung. Die optimale technische Lösung wäre, mit Hilfe eines Turboladers mehr Luft (unter Druck) in den Zylinder zu pressen - so würde die volle Leistung des Motors erhalten bleiben. Die zweitbeste technische Lösung ist das hier besprochene Abmagern (Leanen). Dabei wird dem Zylinder bei Bedarf weniger Treibstoff zugeführt, um die geringere Menge an Sauerstoff im Zylinder auszugleichen. Der Motor läuft auf „Sparflamme“ (weniger Sauerstoff, weniger Treibstoff) und gibt weniger Leistung ab.

In größeren Höhen nicht zu leanen hätte erhöhten Treibstoffverbrauch, Reichweitenverkürzung und eine Erhöhung der Betriebskosten zur Folge.

Kraftfahrzeug

In seinen Grundzügen arbeitet die Gemischbildung eines regulären Ottomotors, z. B. in einem Kraftfahrzeug analog zu der bei einem Flugzeugmotor. Man unterscheidet:

  • Klassische Gemischbereitung

Zur Regelung des Kraftstoff-Luft-Gemisches werden bei Kraftfahrzeugmotoren Vergaser oder Einspritzanlagen verwendet. Dabei geht man davon aus, dass der Luftdruck größer als 900 mbar ist. Die deutliche Gemischanfettung z. B. bei Passfahrten im Hochgebirge führt zu einem Leistungsabfall, was bei PKW akzeptiert wird. Wenn man bei längeren Fahrten im Hochgebirge unterwegs ist besteht jedoch die Möglichkeit Kraftstoff einzusparen bzw. bessere Emissionen zu erreichen in dem man den Vergaser magerer einstellt. Einzelne elektronisch gesteuerte Einspritzmotoren mit Luftmengenmesser besitzen auch einen zusätzlichen, über eine Höhenmessdose gesteuerten, Schalter, der ab einer bestimmten Höhe dem Steuergerät ein Signal zum Abmagern des Gemisches gibt.

  • Aktuelle Gemischbereitung

Zu Zeiten der Vergasertechnik wurden bei Bedarf als Zusatzeinrichtungen am Vergaser Höhenkorrektoren verbaut, die mittels Barometerdose und Magnetventilen bei geringer werdendem Luftdruck das Gemisch automatisch abmagerten. Neuere Kraftfahrzeugmotoren verfügen über Luftmassenmesser, die dem Motorsteuergerät einen Anhaltswert für die angesaugte Luftmenge liefern. Eine genaue Dosierung der Kraftstoffmenge im Verhältnis zu der zur Verfügung stehenden Verbrennungsluft wird durch die Lambdasonde erreicht, die den Restsauerstoffgehalt im Abgas misst. Das Steuergerät korrigiert entsprechend der Rückmeldung von der Lambdasonde die eingespritzte Kraftstoffmenge auf den optimalen Wert. Eine Überfettung des Gemischs wird ausgeschlossen (außer bei starker Beschleunigung - hier wird eine leichte Gemischanfettung gewünscht, da mehr Leistung erzielt wird). Hintergrund sind die immer strenger gefassten Abgasnormen, die ohne moderne Gemischaufbereitung nicht einzuhalten wären.

Flugzeug

Bei Flugzeugkolbenmotoren ergeben sich durch die unterschiedliche Betriebsumgebung einige Unterschiede, die ein Leanen des Motors erfordern. Ein Flugzeug ist in größeren Höhen erheblich niedrigeren Luftdrücken ausgesetzt (Barometrische Höhenformel), was eine Anreicherung des Gemisches bewirkt. Daher ist ein manuelles oder automatisches Eingreifen in die Gemischbildung notwendig.

Hinzu kommt, dass Flugzeugmotoren in der Regel bei niedrigeren Umgebungstemperaturen fliegen. Daher arbeitet die Kühlung effizienter. Eine leistungsfähige und damit intensive Kühlung wird eigentlich nur beim Start unter voller Last und beim Rollen (fast kein Fahrtwind) benötigt. Ein fetteres Gemisch unterstützt dann durch seinen höheren Kraftstoffanteil die Kühlung des Motors und besonders der Einlassventile:

Ein Flugzeugmotor würde bei einem Lambda von 1 unter voller Last am Boden auch durch Frühzündung (Detonation) und überhitzte Einlassventile beschädigt werden. Daher nutzt man ein leicht überfettetes Gemisch (beim Rollen, beim Start und in niedriger Flughöhe). Man akzeptiert den damit verbundenen Leistungsabfall, um den Zündzeitpunkt in einem unkritischen, späten Bereich zu halten. Durch die schlechtere Verbrennung sinkt die CHT (cylinder head temperature - dt. Zylinderkopftemperatur) bei überfettem Gemisch. Durch diesen Nebeneffekt wird auch noch die Motortemperatur etwas abgesenkt. Der Kraftstoffverbrauch steigt beim Start durch das überfettete Gemisch zwar, verringert sich jedoch durch die Abmagerung im Reiseflug.

Das Leanen dient dazu, den Motor unter allen Flugbedingungen vor Schaden durch Überhitzung oder Unterkühlung zu bewahren und die beste Kombination aus hohem Leistungsgrad, geringem Treibstoffverbrauch und bester Reichweite zu finden. Die Kontrolle, ob richtig geleant wird, kann durch die EGT-Anzeige (exhaust gas temperature - dt. Abgastemperaturmesser) im Cockpit erfolgen.

Neben der manuellen Gemischeinstellung gibt es bei manchen Flugmotoren auch eine automatische Höhenkorrektur und automatische Gemischanreicherung, so zum Beispiel bei Einspritzermotoren. Aber auch Vergaser können mit Hilfe einer Unterdruckdose ein höhenkorrigiertes Gemisch bereitstellen, was den Piloten von dieser Aufgabe entlastet. Der Gemischhebel (engl. mixture; condition lever) wird in solchen Flugzeugen nur noch zum Abstellen des Motors benötigt. Ein Vergaser mit automatischer Höhenkorrektur findet sich zum Beispiel in der Piaggio P.149 oder der Dornier Do 27

Die Motoren der Firma Thielert auf Basis des Diesel-Prinzips verfügen über Turbolader und eine vollelektronische Motorsteuerung. Dadurch entfällt das Leanen, denn der Turbolader sorgt auch in großen Höhen für die erforderliche Sauerstoffzufuhr.

Ablauf des Leanens

Für Kolbentriebwerke mit geringer Leistung und ohne Kontrolle durch eine EGT-Anzeige gilt, dass das Gemisch solange verarmt wird (den roten Gemischreglerknopf langsam herausziehen), bis der Motor rau läuft, dann erfolgt eine Wiederanreicherung (roten Gemischreglerknopf zwei oder drei Umdrehungen eindrehen), bis der Motor rund läuft.

Peak egt.png

Moderne Flugmotoren mit höherer Leistung benötigen ein anderes Verfahren. Hier wird zur Gemischregulierung das Abgastemperatur-Messgerät (EGT) verwendet. Etwa fünf Minuten nach Erreichen der Reiseflughöhe, wenn sich die Triebwerkstemperaturen stabilisiert haben, wird das Gemisch mit dem Gemischhebel solange verarmt, bis die Abgastemperatur ihren Spitzenwert (engl. peak EGT) erreicht.

Diesen Spitzenwert muss man sich merken. Bei den meisten EGT ist neben dem eigentlichen Temperaturanzeiger ein zusätzlicher, verstellbarer Bezugsanzeiger (engl. reference pointer) vorhanden. Dieser wird auf den angezeigten Spitzenwert eingestellt. Danach wird das Gemisch wieder soweit angereichert (roten Gemischreglerknopf eindrehen), bis ein Abgastemperaturabfall von 50° F (Fahrenheit) eintritt. Das entspricht 2 Teilstrichen der Skala des EGT. Damit ist eine Verbrennungs- und Abgastemperatur gegeben, die auch bei Dauerbetrieb dem Motor keinen Schaden zufügt. Der Kraftstoffverbrauch ist sehr günstig, Reichweite des Flugzeugs und Leistungsgrad des Triebwerks sind optimal, aber nicht maximal.

1. Alternative:
Gelegentlich wird auch für die jeweilige gewählte Leistungseinstellung ein zugehöriger, korrekter fuel flow (Treibstoffdurchfluss) anhand einer Tabelle eingestellt. Diese Methode funktioniert auch ohne Kontrolle durch einen Abgastemperaturmesser. Die Eingangsparameter für diese Tabelle sind Drehzahl und Saugrohr(unter)druck.

2. Alternative:
Zum Erreichen besserer Verbrauchswerte kann das Gemisch bei Einspritzmotoren auf den Spitzenwert der EGT (Empfehlung von Lycoming und Continental), oder sogar auf 50 °C abgemagert (geleant) werden. Dazu wird vom Spitzenwert aus soweit abgemagert, bis ein Abfall von 50 °C EGT angezeigt wird. So wird ein minimaler Benzinverbrauch erreicht.

Betriebsbereiche

Man kann drei Betriebsbereiche unterscheiden, bei denen unterschiedliche Gemischeinstellungen erforderlich sind:

EGT mit Bezugsanzeiger

Betrieb von Leerlauf bis ca. 50 % Motorleistung
Dieses ist der Bereich, der auch bei einem Anflug ohne Motorleistung eingestellt wird. Der Motor läuft mit zu geringer Betriebstemperatur, evtl. mit zu geringer Drehzahl und mit zu reichem Gemisch. Die Folge sind Kaltschlammbildung und gefährliche bleihaltige Ablagerungen bei längerer Dauer. Daher sollte dieser Betriebsbereich gemieden werden. Wenn das nicht möglich ist, muss die höchste vertretbare Leistung eingestellt und anschließend das Gemisch abgemagert werden. Ausnahme: Im Landeanflug darf nicht geleant werden. Es muss hier vollreiches Gemisch einstellt werden, um gerüstet zu sein, falls ein Durchstarten nötig wird.

Betrieb mit Motorleistungen von 50 % bis 75 %
Das ist im Wesentlichen der Reiseflug. In diesem Bereich muss immer geleant werden, bei Flugzeugen mit Festpropeller bis zur maximalen Drehzahl und bei Constant-Speed-Propeller bis zur maximalen Geschwindigkeit. Das Triebwerk läuft sparsam und in einem günstigen Temperaturbereich. Es besteht nur eine geringe Tendenz zu Ablagerungen, keine thermische Überlastung, maximaler Selbstreinigungseffekt der Zündkerzen, geringster Schadstoffausstoß. Dieser Bereich sollte gewählt werden, wann immer vertretbar.

Betrieb mit einer Motorleistung über 75 %
Diese Leistung wird gebraucht bei Start und Steigflügen. Sie sollte vom Motor nur bei vollreichem Gemisch abgerufen werden. Durch Verarmen besteht die Gefahr der Überhitzung und von klopfender Verbrennung. Das vollreiche Gemisch führt aber auch zu größeren Ablagerungsraten und zu unnötig hohem Kraftstoffverbrauch. Daher darf dieser Bereich nur für den Start und den Steigflug auf Platzrundenhöhe benutzt werden.

Risiken

  1. Beim Start und Steigflug (mit > 75 % Leistung) von hoch gelegenen Flugplätzen kann wegen der geringeren Luftdichte vollreiches Gemisch zu fett sein, weshalb der Motor rauh und mit verminderter Leistung läuft. Dann sollte der Pilot gerade soviel abmagern, bis der Motor wieder rund läuft. Bei magerer Gemischeinstellung kann es zur Überhitzung des Motors kommen.
  2. Vor jeder Leistungserhöhung vollreiches Gemisch einstellen.
  3. Beim Abstieg aus großen Höhen Gemischeinstellung sorgfältig nachstellen.
  4. Im Endanflug Gemisch auf vollreich einstellen.

Einmots / Zweimots / Mehrmots

Bild 1: Einmot mit Verstellpropeller
Bild 2: Einmot ohne Verstellpropeller

Bei einmotorigen Flugzeugen mit Verstellpropeller (Bild 1) hat die Motoreinstellungskonsole drei Hebel (hier zum schieben):

Bei einmotorigen Flugzeugen ohne Verstellpropeller (Bild 2) hat die Motoreinstellungskonsole zwei Hebel:

  • schwarz = Schubhebel („Gashebel“)
  • rot = Gemischhebel

Zum Anreichern (engl. full rich) wird der Gemischhebel (rot) hineingedrückt. Zum Abmagern wird der Gemischhebel (rot) sehr langsam herausgezogen. Zum Stoppen des Motors wird der Gemischhebel (rot) ganz herausgezogen. Das Gemisch magert dann völlig ab, es ist nur noch Luft und kein Treibstoff mehr im Gemisch und der Motor bleibt stehen. Im Gegensatz zum Auto, wo der Motor durch Abstellen der Zündung ausgemacht wird, wird der Flugzeugmotor durch extremes Leanen ausgeschaltet.

Bild 3: Zweimot - Piper Seneca

Bei zweimotorigen Flugzeugen (Bild 3) hat die Motoreinstellungskonsole (engl. throttle quadrant) 6 Hebel - jeweils paarweise für das rechte und linke Triebwerk. Mit den beiden roten Hebeln (rechts im Bild 2) können beide Triebwerke getrennt geleant werden. Links (schwarz) sind die beiden Schubhebel (Powerhebel oder „Gashebel“). In der Mitte (nicht im Bild sichtbar, weil ganz weit vorne) sind die Hebel für die Propellersteigung (Drehzahl).

Bei Flugzeugen mit mehr als zwei Motoren erhöht sich die Anzahl der Bedienelemente entsprechend.

Literatur

  • Bachmann, Faber, Senftleben: Gefahrenhandbuch für Piloten, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 3-87943-656-8
  • Ernst Götsch: Luftfahrzeug-Technik, 3. Auflage,Motorbuch Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02006-8
  • Jeppesen Sanderson: Privat Pilot Manual 2001, ISBN 0-88487-238-6
  • Lührs, Henrik und Wahn, Mirko (Hg.): Advanced PPL-Guide, Band 1, Allgemeine Luftfahrzeugkunde, airCademy Verlag, London, Meerbusch 2011, ISBN 978-3-943188-02-8
  • Wolfgang Kühr: Der Privatflugzeugführer, Technik I, Band 1, Friedrich Schiffmann Verlag, Bergisch-Gladbach 1981, ISBN 3-921-270-05-7

Siehe auch

Weblinks


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