Metapsychologie

Metapsychologie

Metapsychologie ist die Gesamtheit der psychologischen Theorien Freuds. Sie beschreibt die dynamischen, topischen und ökonomischen Beziehungen psychischer Phänomene.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbildung durch Freud

Freud selbst hat diese Bezeichnung geprägt (Freud 1915 e) und sie als die Vollendung der psychoanalytischen Forschung bezeichnet. Er sagt ausgehend von den „Schicksalen der Erregungsgrößen“:

Ich schlage vor, daß es eine metapsychologische Darstellung genannt werden soll, wenn es uns gelingt, einen psychischen Vorgang nach seinen dynamischen, topischen und ökonomischen Bedingungen zu beschreiben.[1]

Erstmals erwähnte Freud den Begriff Metapsychologie am 13. Februar 1896 in einem Brief an seinen Freund Wilhelm Fließ.[2]

Freud hat die folgenden Prinzipien zuerst am Beispiel der Übertragungsneurosen (Phobie, Konversionshysterie und Zwangsneurose) nachgewiesen.

Neuronales Netzwerk, gezeichnet von Sigmund Freud im Jahre 1895. Die Darstellung zeigt die innere Verbindung von Dynamik und Topik. Eingehende dynamisch zu interpretierende Nervenimpulse (siehe Pfeil) werden an topisch getrennt zu betrachtende weitere Neuronen innerhalb einer Neuronenkette bzw. innerhalb der Elemente eines neuronalen Systems weitergeleitet, vgl. Projektion.

Dynamik

Dynamik untersucht die innerseelischen Kräfte zwischen den seelischen Instanzen (Ich, Es, Über-Ich; bewusst, vorbewusst, unbewusst). Die Beteiligung bestimmter Instanzen wird als Besetzung mit Libidoenergie betrachtet. Durch die Verdrängung z. B. infolge von Angstentwicklung erfolgt eine Umsetzung in ein anderes System, z. B. von System Bw (= Bewusst) in das System Ubw (= Unbewusst).

Topik

Topik beschreibt die von der Psychoanalyse als grundsätzliche Möglichkeit geforderte Lokalisation psychischer Abläufe innerhalb des Nervensystems. Diese Zuordnung ist bei Freud jedoch rein hypothetisch, da die Hirnforschung zu seinen Lebzeiten keine verwertbaren Resultate im Sinne seiner Theorien ergeben hatte. Diese anatomische Topik wird von Freud jedoch ausdrücklicklich gefordert, wenn er von einem psychischen Apparat spricht, dem „räumliche Ausdehnung und Zusammensetzung aus mehreren Stücken“ zuzuschreiben sei und dessen „Schauplatz ... das Gehirn (Nervensystem)“ darstelle.[3] Auf der anderen Seite spricht Freud von einer psychischen Topik, die vorläufig nichts mit der Anatomie zu tun habe. Sie beziehe „sich auf Regionen des seelischen Apparats, wo immer sie im Körper gelegen sein mögen und nicht auf anatomische Örtlichkeiten“.[4] Freud verwendet daher konsequenterweise auch den Begriff Instanzen anstelle von psychischer Topik.[2] Dies erscheint vor allem angebracht, um Verwechslungen mit der anatomischen Topik zu vermeiden. Das heutige Schrifttum bevorzugt daher auch den Begriff Instanz bei unklarer anatomischer Lokalisation. Dem Begriff Instanz kommt somit eher ein funktioneller Charakter zu, der bereits von Freund gegenüber dem topischen Gesichtspunkt als wesentlich betont wird. „Die funktionale Annahme hat hier die topische mit leichter Mühe aus dem Felde geschlagen.“[5] - Bei anderen topologischen Modellvorstellungen wie z. B. bei der Feldtheorie (Kurt Lewin) oder im Falle des Integrationsraums (Thure von Uexküll) wird ein übergreifender oder symbolisch gedachter Raum angenommen, der verschiedene Vorstellungskonzepte wie Körper, Seele, Umwelt und Gesellschaft umfasst.

Ökonomik

Ökonomik ist ein teleologisches Prinzip, das auf Ersparung von Energie gerichtet ist. „Die Erhaltung einer Verdrängung setzt eine beständige Kraftausgabe voraus und ihre Aufhebung bedeutet ökonomisch eine Einsparung.“[6] Dieses Prinzip geht davon aus, dass bei allen seelischen Vorgängen nur mengenmäßig begrenzte Energien vom Organismus zur Verfügung gestellt werden und nur sie verbraucht werden können. Die topische Verteilung bzw. der Verbrauch dieser Energien ist der objektive Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen, der subjektive ist die „Tiefe“ von Erlebnissen oder die „Vitalität“ einer jeden Lebensführung, die sich nach der verfügbaren Energie richten muss.[2][7]

Während die dynamischen und topischen Beziehungen analoge Vorstellungen in der Physik zum Gegenstand haben, ist die Ökonomik als telelogisches Prinzip der empirischen Beobachtung entzogen. Es kann aber damit verständlich gemacht werden, welchen ,Nutzen' oder ,Sinn' die durch Abwehrvorgänge gekennzeichneten Krankheitsprozesse haben. Dieser ,Nutzen' besteht allgemein ausgedrückt darin, dass chronische Angstvorstellungen vom Bewusstsein ferngehalten und die damit verbundenen energetischen Impulse notdürftig kompensiert werden.[8] Durch Verteilung seelischer Energie auf verschiedene Instanzen wird unter krankhaften Bedingungen ein neues energetisches Gleichgewicht hergestellt. Die Aufrechterhaltung eines solchen Gleichgewichts ist entscheidend für den Zustand der Gesundheit, wobei nach Freud sich „Gesundheit eben nicht anders beschreiben läßt als metapsychologisch“.[9] Ein weiterer Gesichtspunkt der Ökonomik sind nach Freud Phänomene wie die besonderen Formen der Logik bei Ironie, Komik, Humor, Naivität oder ganz allgemein bei den Techniken des Witzes. Gemeinsames psychologisches Merkmal aller dieser sprachlichen Darstellungen ist die Einsparung seelischer Energie.[10]

Einzelnachweise

  1. Sigmund Freud: Das Unbewußte. In: Das Unbewußte. Schriften zur Psychoanalyse. S. Fischer Verlag 1963, Seite 21, zuerst erschienen in: Zeitschrift f. Psychoanalyse 1915, Bd. III; Gesammelte Werke, S. Fischer, Bd. X
  2. a b c Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. Urban & Schwarzenberg, München 3. Auflage 1984; (a): zu Stw. „Metapsychologie“: Seite 350; (b): zu Stw. „Instanz“: Seite 274; (c): zu Stw. „ökonomisch“: Seite 382; fernladbaer Text der 6. Auflage, Elsevier-Verlag, München 2007
  3. Sigmund Freud: Abriß der Psychoanalyse. (1938) Fischer Bücherei, Frankfurt 1964, Seite 6
  4. Sigmund Freud: Das Unbewußte. a.a.O., Seite 15
  5. Sigmund Freund: Das Unbewußte. a.a.O., Seite 20
  6. Sigmund Freud: Die Verdrängung. In: Das Unbewußte. Schriften zur Psychoanalyse. S. Fischer Verlag 1963, Seite 69, zuerst erschienen in: Zeitschrift f. Psychoanalyse 1915, Bd. III; Gesammelte Werke, S. Fischer, Bd. X
  7. Schultz-Hencke, Harald: Die psychoanalytische Begriffswelt. Verlag für medizinische Psychologie im Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen (1947), überarbeitete Ausgabe 1972, ISBN 3-525-45620-4, Kap. „Der topische, der dynamische und der ökonomische Gesichtspunkt“ Seite 112 ff.; zu Stw. „ökonomisch“: Seite 114-116
  8. Stavros Mentzos: Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 21992, ISBN 3-525-45727-8, Seite 10
  9. Sigmund Freud: Die endliche und die unendliche Analyse. (1937) In: Gesammelte Werke, S. Fischer, Bd. XVI, Seite 57-99
  10. Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten. (1905) Fischer-Bücherei Frankfurt 1963, Seiten 34 ff., 96 ff., 126 ff. und 192 f. dgl. in: Gesammelte Werke, Band VI, S. Fischer Verlag, Frankfurt / M., 3. Auflage 1953

Literatur


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