Nobelpreis für Physiologie oder Medizin

Nobelpreis für Physiologie oder Medizin

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin (schwedisch Nobelpriset i fysiologi eller medicin) ist einer der Preise, die von dem schwedischen Chemiker und Erfinder Alfred Nobel (1833–1896), der durch die Entwicklung des Dynamits zu großem Reichtum gekommen war, in seinem Testament gestiftet wurden. Der Preis wird seit 1901 jährlich von der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm nach der Maßgabe Nobels an denjenigen verliehen, der im vergangenen Jahr „die wichtigste Entdeckung in der Domäne der Physiologie oder Medizin gemacht hat“.

Inhaltsverzeichnis

Verleihungskriterien

„Physiologie oder Medizin“

Der Preis wird oft abgekürzt als Medizinnobelpreis bezeichnet. Dies ist nicht korrekt, weil Alfred Nobels 1895 niedergelegter letzter Wille ausdrücklich die Physiologie einschließt. Die Physiologie umfasste damals aber einen weitaus größeren Bereich als die medizinische Physiologie, Gebiete, die heute vor allem der Biologie, der Biochemie oder Biophysik zugerechnet würden. So hatte das Karolinska Institutet, die schwedische medizinische Universität in der Nähe Stockholms, schon immer einen großen Spielraum in der Auswahl der Bewerber. Der Preis 1973 für Konrad Lorenz gehört z. B. in das Gebiet der Biologie (Verhaltensforschung).

„Der größte Nutzen für die Menschheit“

Nach dem Willen von Alfred Nobel sollte der Preis an denjenigen verliehen werden, der im letzten Jahr mit seiner Entdeckung den größten Nutzen für die Menschheit erbracht hat. Die Bedingung der „Entdeckung“ bevorzugt natürlich die forschenden Grundlagenfächer in der Medizin gegenüber den angewandten Fächern. Und in der Tat erfolgten weitaus mehr Preisverleihungen an Forscher in der Immunologie, der Genetik oder Neurobiologie als an die in der Pharmazie, der Diagnose oder sogar der praktischen Therapie.

Welche Entdeckung den größten Nutzen für die Menschheit erbracht hat, ist immer noch Gegenstand vieler Diskussionen. Die Entwicklung des DDT durch den Schweizer Chemiker und Nobelpreisträger 1948 Paul Hermann Müller wird vom heutigen Standpunkt aus oft kritisiert. Die Anwendung von DDT ist wegen seiner Giftigkeit für Mensch und Tier mittlerweile verboten, dennoch konnten durch seine Anwendung nach Schätzungen der WHO zirka 25 Millionen Menschenleben gerettet werden. Das heute bekannte Ausmaß der Giftigkeit war weder dem Erfinder noch der Nobelversammlung zum Zeitpunkt der Preisverleihung bewusst.

Formelles

Institutionen

Alfred Nobel hatte in seinem letzten Willen festgelegt, dass das Karolinska Institutet den Preis in Physiologie oder Medizin vergibt. 1901 wurde die Auswahl aus den Nominationen von allen 19 Professoren der medizinischen Fakultät besorgt. Sie wählten aus ihrer Reihe ein Nobelkomitee mit dem Präsidenten der Karolinska als Vorsitzendem. 1918 wurde Professor Göran Liljestrand zum Sekretär des Nobelkomitees gewählt, der diesen Posten 42 Jahre lang behielt.

1977 wurde die Nobelversammlung am Karolinischen Institut eingerichtet, weil die Zahl der Dozenten inzwischen stark angestiegen war. Eine Gesetzesänderung in Schweden, die alle Papiere staatlicher Einrichtungen öffentlich machte, hätte zudem die Geheimhaltung des Auswahlprozesses bedroht. Die Nobelversammlung ist völlig unabhängig vom Staat, sie wird ausschließlich von der Nobelstiftung finanziert, obwohl alle 50 Mitglieder Professoren der Karolinska sind. Mit 65 Jahren gehen sie in den Ruhestand, neue Mitglieder werden von der Versammlung gewählt.

Das Nobelkomitee wird von der Nobelversammlung gewählt und besteht aus fünf Mitgliedern und einem Geschäftsführer. Jedes Mitglied kann zweimal für die Dauer von drei Jahren gewählt werden, der Geschäftsführer dreimal für die Dauer von vier Jahren. Um die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten, wird jedes Jahr nur ein Teil der Mitglieder neu gewählt, eines der Mitglieder wird für drei Jahre Vorsitzender.

Sobald die Nominierungen vom Komitee geprüft worden sind, wird ein Ad-hoc-Komitee mit zehn Mitgliedern bestimmt, die für die Dauer von neun Monaten die Nominierungen bewerten. Die Mitglieder des Ad-hoc-Komitees müssen nicht Mitglieder der Nobelversammlung sein.

Zeitplan

Der Zeitplan ist seit 1901 der gleiche geblieben: Im September des Vorjahres werden 2500 bis 3500 Wissenschaftler von medizinischen Fakultäten außerhalb Skandinaviens nach einem rotierenden System ausgewählt und um ihre Kandidaten-Vorschläge für das nächste Jahr gebeten.

Komitee und Versammlung halten mehrere Treffen im Laufe des Jahres ab, so dass die Versammlung zum Zeitpunkt der Abstimmung über den Auswahlprozess und die wissenschaftlichen Verdienste der Kandidaten gut informiert ist. Die Entscheidung der Nobelversammlung erfolgt Anfang Oktober, eine einfache Mehrheit reicht aus.

Die Preisträger für Physiologie oder Medizin werden traditionell als erste bekanntgegeben, üblicherweise an einem Montag Anfang Oktober.

Vorschlagsrecht

Alle Träger des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin und alle Professoren der Medizin in skandinavischen Ländern haben ein regelmäßiges Nominierungsrecht. Die letzte Frist für Nominierungen ist der 31. Januar. Im Frühjahr gibt es eine gemeinsame Sitzung mit dem Nobelkomitee für Chemie, um zu vermeiden, dass ein Preisträger zwei Preise erhält.

Preisträger

Erster Preisträger war der Deutsche Emil von Behring, weitere berühmte Preisträger waren Robert Koch, Otto Loewi und die Entdecker der DNA-Struktur James Watson und Francis Crick.

Der Preis wurde von 1901 bis 2009 in insgesamt 100 Jahren an 195 Personen verliehen, zehn davon an Frauen. Zum ersten Mal wurde er 1947 an eine Frau verliehen, als letzter aller fünf Nobelpreise (Der sechste, der Wirtschaftsnobelpreis wurde erst 1969 eingeführt). Heute ist der Frauenanteil höher als bei allen anderen wissenschaftlichen Nobelpreisen (Physik, Chemie). Er kann an bis zu drei Personen gleichzeitig vergeben werden. Von 1915 bis 1918, in den Jahren 1921 sowie 1925 und von 1940 bis 1942 fand keine Verleihung statt, das Preisgeld wanderte zurück in den Fundus. Der 2011 vergebene Preis für den Kanadier Ralph Steinman ist der erste Nobelpreis überhaupt, der posthum verliehen wird.[1] Gemäß den Statuten hätte er den Preis nicht erhalten dürfen, da er kurz vor der Entscheidung des Vergabegremiums schon verstorben war. Dies war den Verantwortlichen jedoch nicht bekannt. Man entschied sich dazu, den Zweck der Regel dahingehend zu interpretieren, dass sie eine absichtlich posthume Vergabe verhindern soll. Da dies nicht der Fall war, wird Steinman mit dem Preis ausgezeichnet. Eine posthume Vergabe ist normalerweise nur möglich, wenn der Preisträger nach Bekanntgabe, aber vor der Verleihung stirbt.[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der traurigste Nobelpreis aller Zeiten, FAZ.NET, 3. Oktober 2011
  2. nobelprize.org: Ralph Steinman Remains Nobel Laureate, 3. Oktober 2011.

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