Parthische Sprache

Parthische Sprache

Das Parthische ist eine mitteliranische Sprache. Sie ist Sprache Parthiens (altpers. Partθava), der historischen Landschaft, die ungefähr Chorasan und Gorgan sowie dem jetzigen Turkmenistan entspricht. Sprachgeschichtlich hat das Parthische Bedeutung erlangt als Hof- und Verwaltungssprache des von der Arsakiden-Dynastie (247 v. Chr. bis 224 n. Chr.) beherrschten Reiches (siehe Parther).

Inhaltsverzeichnis

Material

Die wichtigsten und sichersten Sprachzeugnisse des Parthischen stammen allerdings nicht aus arsakidischer, sondern erst aus sassanidischer Zeit, da Dichtung und religiöse Tradition zunächst vornehmlich mündlich überliefert wurden, die Münzen lange Zeit, bis zur Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr., griechische Legenden trugen und die wirklich in parthischer Schrift geschriebenen Zeugnisse noch so viel Aramäisches in sich tragen, dass man für das Parthische daraus kaum etwas gewinnt. Diese Einschätzung zielt gleichermaßen auf die wenigen Felsinschriften in parthischer Schrift und Sprache (etwa von Sar-Pul-i Zuhab im Zagros) wie auf die kleinen Gefäßinschriften; aber grundsätzlich gilt sie ebenso für die Dokumente auf Ostraka aus Schahr-i Qumis (Nordostiran) und die aus dem Archiv von Nisa (Turkmenistan) mit weit über 2000 Ostraka-Fragmenten des 1. Jahrhunderts v. Chr., die Weinlieferungen und Lebensmittelzuteilungen betreffen, sowie für die Pergamenturkunden aus Awroman (Westiran). In sassanidischer Zeit ist den frühesten Königsinschriften von Ardaschir I., Schapur I. und Narseh I. neben der mittelpersischen (und teils einer griechischen) eine parthische Version beigegeben, insbesondere den umfangreichsten und historisch bedeutsamsten Texten, dem Tatenbericht Schabuhrs von der sog. Ka'ba-yi Zarduscht in Naqsch-i Rostam und der Narseh-Inschrift von Paikuli. Aus dieser Epoche, nämlich aus der Zeit der persischen Besatzung der Stadt stammen auch verschiedene parthische Texte (Wandinschriften und ein Brief auf Pergament) aus Dura-Europos am Euphrat. Dem Umfang nach an der Spitze stehen aber die Fragmente manichäischer Texte in parthischer Sprache, die in Turfan (Chinesisch- Turkestan) gefunden worden sind und aus sassanidischer oder jüngerer, nach-sassanidischer Zeit stammen. In den Manichäer-Gemeinden Mittel- und Zentralasiens hat sich das Parthische als Kirchensprache, bevor es durch das alttürkische Uigurische und das Neupersische verdrängt wurde, nämlich noch sehr lange über die Blütezeit des parthischen Manichäismus hinaus, vermutlich bis ins 13. Jahrhundert gehalten, als dieser im Mutterland schon längst untergegangen war.

Die auffällige Gemeinsamkeit mit der heutigen Zaza-Sprache

Nach einer These des deutschen Iranisten Friedrich Carl Andreas von 1906 waren die im südkaspischen Gebiet lebenden parthisch-stämmigen Dailemi (Dêlemî) Vorfahren der Zazas, woraus sich eine der heutigen Bezeichnungen für die Zaza, nämlich „Dimili“ erklären könnte. Diese These wurde schon vorher unabhängig vom armenischen Historiker Antranig 1900 vertreten und fand später Unterstützung vom russischen Orientalisten Wladimir Minorski und von den deutschen Iranisten Oskar Mann und Karl Hadank. Der Indogermanist Jost Gippert veröffentlichte in seinem Artikel über die historischen Entwicklung des Zazaki die diachrone Nähe dessen zum Parthischen. Die folgende Tabelle ist aus seinem Artikel entnommen.

Ähnlichkeiten zwischen Parthisch und Zazaki im Zaza-Alphabet:

Parthisch Zazaki Bedeutung
bermāden bermaene weinen
vād va Wind
vāxten vatene sagen
men vāxtehēndē mı vatêne ich sagte
ez vājān ez vacan dass ich sage
ez kerān ez (bı)keran dass ich tue
wxerden werdene essen
wxeş weş gut, wohl
wxār wae Schwester
ber ber Tür
hrē hirê drei
çefrest çewres vierzig

Schrift

Die Interpretation dieser manichäisch-parthischen Texte wird – und hieraus erklärt sich ihre Vorrangstellung – dadurch erleichtert, dass sie wie die manichäischen Texte der anderen iranischen Völker in der von Mani eigens für das Mittelpersische auf palmyrenisch-aramäischer Basis geschaffenen Schrift geschrieben sind, die von der heterographischen Tradition frei ist und deshalb die tatsächliche Lautung der Wörter (im 3. Jahrhundert n. Chr.) genauer erkennen lässt.

Bedeutung

Von der in parthischer Sprache geschriebenen Literatur sind nur indirekte Spuren nachzuweisen, da zwei Werke des mittelpersischen Schrifttums der spät- oder nachsassanidischen Zeit erwiesenermaßen auf parthische Vorbilder zurückgehen, die sich in der Bewahrung parthischer Wörter noch greifen lassen. Diese beiden Werke sind das Rangstreitgedicht Dracht i asuirig „Der assyrische Baum“ (d. h. die Palme, die sich mit der Ziege darüber streitet, wer denn das nützlichere und das „bessere“ Geschöpf ist) und das „Gedenkwerk Zarers“ (Ayadgar i Zareran), ein Buch epischen Charakters, das auch viele Kennzeichen mündlicher Epik wie feste Epitheta oder stereotype Wiederholungen aufweist.

Die dominierende Position des Parthischen in Iran und seinen Nachbargebieten während der Arsakidenherrschaft, das hier als Träger iranischer Kultur im gesamten Vorderen und Mittleren Orient eine bedeutsame Rolle spielte, hat dazu geführt, dass parthische Wörter in großer Zahl in andere Sprachen eingedrungen sind: in das Mittelpersische (von dort aus weiter in das Neupersische) und die Sogdische Sprache, außerhalb des iranischen Bereiches in das Aramäische (einschließlich Syrisch und Mandäisch) und ganz besonders in das Armenische. Dort machen diese infolge jahrhundertelanger unmittelbarer politischer Abhängigkeit ungemein zahlreich vorhandenen Fremdelemente einen wesentlichen Bestandteil der Sprache aus, der nicht nur den Wortschatz, sondern auch bestimmte Wortbildungselemente, die Phraseologie und Namen aller Art betrifft. Diese reiche Nebenüberlieferung des Parthischen in vielen Sprachen (insbesondere aber im Armenischen mit seiner die Vokale eindeutig bezeichnende Schrift) hat es ermöglicht, den Lautstand des älteren (Mittel-)Parthischen festzustellen, der durch das heterographische Schriftsystem und die in extremer Weise historisierende Graphie der in parthischer (Pahlavik-)Schrift geschriebenen Texte verborgen wird. Die parthischen Texte der Manichäer (in manichäischer Schrift) bieten dagegen ein recht genaues Bild über den Lautstand der späteren Sprache.

Literatur

  • Ghilain, A.: Essai sur la langue parthe. Son système verbal d'après les textes manichéens du Turkestan Oriental, Louvain 1939.
  • Gippert, Jost: Die historische Entwicklung der Zaza-Sprache. In: Ware - Zeitschrift der Zaza-Sprache und Kultur, 1996, Baiersbronn. Online: http://zazaki.de/deutsch/aufsaezte/gippert-entwicklung%20zaza.pdf
  • Schmitt, Rüdiger: Parthische Sprach- und Namenüberlieferung aus arsakidischer Zeit, in: Das Partherreich und seine Zeugnisse. Hrsg. von Josef Wiesehöfer, Stuttgart 1998, 163-204.
  • Sundermann, Werner: Parthisch, in: Compendium Linguarum Iranicarum, 114-137.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ausgestorbene Sprache — Ausgestorbene Sprachen sind historische Sprachen, deren Sprecher ausgestorben sind bzw. deren Sprecher zu einer anderen Sprache übergegangen sind (sich an eine andere Sprachgemeinschaft assimiliert haben). Für das Aussterben von Sprachen gibt es… …   Deutsch Wikipedia

  • Mittelpersische Sprache — Mittelpersische Inschrift (Pahlavi) des Sassaniden Schapur III., Taq e Bostan, Kermanschah Mittelpersisch war eine mitteliranische Sprache aus der sich, nach der arabisch muslimischen Eroberung Persiens, die heutige neupersische Sprache… …   Deutsch Wikipedia

  • Persische Sprache — Persisch Gesprochen in Iran, Afghanistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Bahrain, Pakistan, Indien, Irak Sprecher Geschätzte 70 Millionen Muttersprachler, 50 Millionen Zweitsprachler Linguistische Kl …   Deutsch Wikipedia

  • Zazaische Sprache — Zazaki – deutsch auch Zaza Sprache oder Zazaische Sprache – ist die Sprache des Volkes der Zaza in der östlichen Türkei. Viele Zaza und manche Sprachwissenschaftler verwenden auch die Sprachbezeichnungen Dimilki sowie Kirmancki. Die Anzahl ihrer… …   Deutsch Wikipedia

  • Zaza-Sprache — Zazaki[1][2] Gesprochen in Türkei, Irak, Georgien, Kasachstan Sprecher 2–3 Millionen Linguistische Klassifikation …   Deutsch Wikipedia

  • Arsakidenreich — Die Parther (altpersisch Parθava, lat. Parthi) waren ein antikes iranisches Volk, das vom 3. Jahrhundert v. Chr. an im heutigen Iran ein Reich aufbaute, welches schließlich auch große Teile Mesopotamiens, des südwestlichen Mittelasiens und… …   Deutsch Wikipedia

  • Parner — Die Parther (altpersisch Parθava, lat. Parthi) waren ein antikes iranisches Volk, das vom 3. Jahrhundert v. Chr. an im heutigen Iran ein Reich aufbaute, welches schließlich auch große Teile Mesopotamiens, des südwestlichen Mittelasiens und… …   Deutsch Wikipedia

  • Parther — Die Parther (altpersisch Parθava, lat. Parthi) waren ein antikes iranisches Volk, das vom 3. Jahrhundert v. Chr. an im heutigen Iran ein Reich aufbaute, welches schließlich auch große Teile Mesopotamiens, des südwestlichen Mittelasiens und… …   Deutsch Wikipedia

  • Parthia — Die Parther (altpersisch Parθava, lat. Parthi) waren ein antikes iranisches Volk, das vom 3. Jahrhundert v. Chr. an im heutigen Iran ein Reich aufbaute, welches schließlich auch große Teile Mesopotamiens, des südwestlichen Mittelasiens und… …   Deutsch Wikipedia

  • Partherreich — Die Parther (altpersisch Parθava, lateinisch Parthi) waren ein iranisches Volk, das vom 3. Jahrhundert v. Chr. an im heutigen Iran ein Reich aufbaute, das zur Zeit der größten Ausdehnung auch große Teile Mesopotamiens, des südwestlichen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”