Paul Brockhaus

Paul Brockhaus
Grab von Paul Brockhaus auf dem Friedhof an der St.-Jürgen-Kapelle, Lübeck

Paul Brockhaus (* 3. Februar 1879 in Bad Godesberg; † 2. Juni 1965 in Lübeck) war ein deutscher Reformpädagoge.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Brockhaus war Sohn des späteren Geheimen Sanitätsrats Karl Brockhaus. Die westfälische Familie ist mit den Leipziger Herausgebern der Brockhaus Enzyklopädie weitläufig verwandt. Nach dem Schulbesuch in Bad Godesberg und Bonn studierte Brockhaus Theologie an der Universität Tübingen, wo er auch Mitglied der Burschenschaft Derendingia wurde. Er legte im Anschluss an sein Studium beide theologische Staatsprüfungen ab und absolvierte 1906 auch das philologische Staatsexamen. Seine erste Stellung fand er an der Deutschen Schule in Brüssel (1904-1911).

Von dort wurde er durch den Lübecker Reformpädagogen Sebald Schwarz als Oberlehrer nach Lübeck berufen, der dort die Oberrealschule zum Dom aufbaute und von der Schulverwaltung des Lübecker Staates in der Zusammenstellung des Kollegiums für diesen Schulversuch weitgehend freie Hand hatte. Wegen seines Augenleidens musste Brockhaus im Ersten Weltkrieg keinen Kriegsdienst leisten und blieb daher im Lübecker Schuldienst. 1918 wurde er zum Professor ernannt.

Brockhaus wurde in Lübeck aktives Mitglied der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit und tragender Mitarbeiter, später Schriftleiter ihrer Wochenschrift, der Lübeckischen Blätter. Er blieb bis 1951 Schriftleiter der Grünen Blätter, wie die Zeitschrift nach ihrer Einbandfarbe in Lübeck genannt wird.

Ab 1919 gab Brockhaus ein Jahrbuch heraus, zunächst bis 1923 unter dem Titel Lübecker Heimatkalender. 1924 / 1925 hieß er "Ein Lübeckisches Jahrbuch. Seit 1927 hat es sich dann mit dem neuen, bis heute gebräuchlichen Titel Der Wagen einen festen Platz in der Dokumentation des Lübecker Kulturlebens erarbeitet. Bis zu seinem Todesjahr verantwortete Brockhaus als Herausgeber und auch mit redaktionellen Beiträgen als Autor und Dichter den Inhalt dieses Werks. Unterstützt wurde er von Anbeginn von dem Künstler und KunstpädagogenAsmus Jessen, der sich um die graphische Gestaltung des Wagen verdient machte. Die beiden verband über den Wagen hinaus eine Jahrzehnte währende Freundschaft.

Ebenfalls Anfang der 1920er erhielt er über seinen Schuldirektor Schwarz von Pastor Wilhelm Mildenstein an der Lutherkirche den niederdeutschen Text eines Krippenspiels, das dieser aus Hamburg erhalten hatte. Erst später stellte sich heraus, dass es sich nicht um ein originär niederdeutsches Stück handelte, sondern um eine Übertragung aus dem Oberdeutschen. Brockhaus initiierte daraus nach Überarbeitung des Stücks das Lübecker Krippenspiel mit Schülern der OzD. Damit begründete er eine bis heute andauernde weihnachtliche Tradition in Lübeck. Seit seinem Wechsel an das Katharineum 1934 wird das Krippenspiel von Schülern dieser Schule jedes Jahr vor Weihnachten bis heute unter dem Lettner der Aegidienkirche aufgeführt.

Mitte der 1920er Jahre hatte Brockhaus sich im Lübecker Kulturleben eine führende Rolle erarbeitet, die ihn auch zu einem der wichtigen Organisatoren der 700-Jahrfeier der Reichsfreiheit Lübecks 1926 werden ließ. Aus den Gedanken des Heimatschutz verwischten sich in Kreisen des deutsch-nationalen konservativen Bürgertums wie vielerorts in Deutschland auch in Lübeck zunehmend die Begrifflichkeiten von „völkisch“ und „volkstümlich“. Auch der Idealist Brockhaus erlag den „Aufbruchsvorstellungen“ der 1930er Jahre. Das führte einerseits 1931 zu seinem starken Engagement für die Berufung von Hugo Distler als Kirchenmusiker an die Jakobikirche, der auch Gedichte von Brockhaus vertonte, andererseits zu einer inneren Gleichschaltung mit dem nationalsozialistischen Regime; der Wandel der Jahrgänge des Wagens von 1933 auf 1934 lässt dies genauso deutlich werden wie die Durchsicht der Beiträge zu den Lübeckischen Blättern in der Zeit der frühzeitigen Gleichschaltung dieser Gesellschaft 1933. Die Gleichschaltung beendete aber auch den Schulversuch an der OzD zugunsten der Deutschen Oberschule und das eigentlich unzertrennbare Kollegium der Schule wurde durch Versetzungen an die anderen Lübecker Schulen zerlegt.

Brockhaus übernahm 1934-39 die Leitung der neu angelegte Freilichtbühne in den Lübecker Wallanlagen und konnte so sein ehrenamtliches Engagement für das volkstümliche Laienspiel noch ausweiten. Von seinem Irrweg zeugen insbesondere die Jahrgänge 1940 und 1943 des Wagen. Der nach der Einbandfarbe (die man als martialisch oder als Trauerfarbe deuten kann) sogenannte schwarze Wagen ist heute eine seltsame Mischung aus nationalsozialistischer Propaganda einerseits und sachlichen Artikeln zu Fragen von Kunst und Kultur, die inhaltlich heute noch ihre Geltung haben, indem sie den damaligen Erkenntnisstand wiedergeben.

Das Kriegsende fiel für Brockhaus mit der Pensionierung im Schuldienst zusammen. Dies war für ihn nur der Ansporn zu noch größerer Produktivität, auch selbst als Dichter. 1960 erschien seine Anthologie Der Turmhahn, ein Lübecker Dichterbuch.

Stiftung

Die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit errichtete 1957 die Paul-Brockhaus-Stiftung mit dem Zweck, das Kunsthandwerk in Lübeck zu fördern.

Schriften

  • Schwänke, Schnurren und Scherze für Leute, die gerne lachen. Stuttgart: Thienemann 1914, 2. Auflage 1922
  • Allerlei Schnack. Stuttgart: Thienemann, [1914]
  • Von Schelmen und drolligen Käuzen. Stuttgart: Thienemann, [1914]
  • Aus der Lübecker Heimat. Frankfurt a. M.: Diesterweg 1914
  • Der Wunderbaum. Stuttgart: K. Thienemann 1920
  • Vom Essen und Trinken. Stuttgart: Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik AG, [um 1926]
  • Rätselbüchlein für kleine und grosse Kinder. Lübeck: Rathgens 1948
  • Muscheln. Gedichte Lübeck: Antäus-Verl. mit Verl. Rahtgens 1948
  • Gruss an die Freunde. Lübeck: [s. n.] 1950
  • Das Buch von St. Marien zu Lübeck. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1951]
  • Der Totentanz in der Marienkirche zu Lübeck. Wolfshagen-Scharbeutz: Westphal 1951
  • Zeichen am Wege. Wolfshagen-Scharbeutz/Lübecker Bucht: Westphal 1953
  • Auf dem Abendfeld. [s. l.]: [s. n.] 1956
  • Vom Lübecker Dom. Lübeck: Hansisches Verl.-Kontor Scheffler in Komm. 1958
  • Der Turmhahn. Lübeck: Schmidt-Römhild 1960

Literatur

  • Rolf Saltzwedel: Paul Brockhaus. In: Der Wagen 1967 S. 6–14.
  • Richard Carstensen: Brockhaus, Paul in Lübecker Lebensläufe, Neumünster 1993, S. 59–61. ISBN 3-529-02729-4
  • Martin Thoemmes: Vor 75 Jahren. Als die Grünen Blätter braun wurden. In: Lübeckische Blätter 2008, Heft 12, S. 202-203

Weblinks


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