Philipp Müller (KPD)

Philipp Müller (KPD)
Philipp Müllers Porträt bei einer FDJ-Gedenkveranstaltung in Leipzig, 29. Mai 1952

Philipp Müller (* 5. April 1931 in Neuaubing, heute ein Stadtteil von München; † 11. Mai 1952 in Essen) war ein deutscher Arbeiter und Kommunist. Müller starb, als die Polizei in Essen auf Teilnehmer einer Demonstration gegen die bundesdeutsche Wiederbewaffnung schoss. Dies war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Demonstrant durch die Polizei getötet wurde. 1954 wurde im Rahmen der Volkswahlen in der DDR die nach ihm benannte Philipp-Müller-Medaille von der FDJ verliehen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Philipp Müller wurde als Sohn einer katholischen Familie geboren, lernte Schlosser und arbeitete im Eisenbahnausbesserungswerk Neu-Aubing. 1948 wurde er in München Mitglied der damals noch nicht verbotenen FDJ, 1950 der KPD und engagierte sich im Sozialistischen Jungarbeiter Aktiv, einem Münchener Bündnis aus Falken, Jusos, FDJ und antifaschistischen Gruppen. 1950 fuhr er als Delegierter der Münchner FDJ zum Deutschlandtreffen der Jugend in die DDR und nahm auch 1951 an den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Ost-Berlin teil.

Dort heiratete er die Ost-Berlinerin Ortrud Voß. Im Dezember 1951 wurde der gemeinsame Sohn Joachim geboren. Müller stellte einen Übersiedlungsantrag in die DDR und verlor daraufhin seine Anstellung. Bis zu seinem Tod engagierte er sich in der Wiederbewaffnungsdiskussion im Kampf gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik.

Ereignisse am 11. Mai 1952

In Absprache mit den Westalliierten plante die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die Wiederbewaffnung und die vertragliche militärische Bindung an die NATO. Nach den Vorabsprachen auf der Außenministerkonferenz im September 1951 sollte am 26. Mai 1952 der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) unterzeichnet werden.

Gegen dieses Vorhaben formte sich Widerstand aus linken, kommunistischen und pazifistischen Kräften. Die Regierung der Sowjetunion versuchte mit den ersten sogenannten Stalin-Noten im März und April 1952 die Entwicklung zu stoppen. Die DDR unterstützte die Aktionen der Wiederbewaffnungsgegner über die KPD, die FDJ und Gewerkschaften.

Eine Konferenz von Vertretern verschiedener Jugendorganisationen unter Leitung des dortigen Pfarrers Herbert Mochalski, eines engen Vertrauten des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller, rief am 2. März 1952 in Darmstadt zu einer „Jugendkarawane gegen Wiederaufrüstung und Generalvertrag“ am 11. Mai 1952 in Essen auf. Am 10. Mai verbot der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold (CDU), der zugleich Ministerpräsident war, die Demonstration mit der Begründung, dass wegen weiterer Veranstaltungen nicht genug Polizeikräfte zur Verfügung stünden. Viele Teilnehmer traten die Heimreise an. Dennoch fanden sich etwa 30.000 Personen, die an verschiedenen Orten in Essen kleinere Veranstaltungen organisierten, die jedoch von der Polizei aufgelöst wurden. Vor der Grugahalle widersetzten sich Demonstranten den Aufforderungen der Polizei.

Kommissar Knobloch erteilte Schießbefehl auf die Demonstrierenden, später wurde behauptet, diese hätten auf die Polizei geschossen, die dann dazu gezwungen gewesen sei, das Feuer zu erwidern.[1] Zwei Kugeln eines Polizisten trafen Philipp Müller, eine davon sein Herz tödlich. Durch Polizeikugeln schwer verletzt wurden außerdem der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Kassel und der Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Münster.

Die Schüsse sind mit Urteil vom 2. Oktober 1952 vom Dortmunder Landgericht als Notwehr eingestuft worden. Schusswaffengebrauch von Demonstranten konnte nicht nachgewiesen werden. Dutzende Jugendliche wurden festgenommen, elf von ihnen später zu Gefängnisstrafen bis zu zwei Jahren verurteilt. Ministerpräsident Arnold erklärte:

„Da der Widerstand durch den Gebrauch des Polizeischlagstocks nicht gebrochen werden konnte … musste von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden. Vor dem Schusswaffengebrauch wurde die Menge dreimal aufgefordert, das Werfen einzustellen“.

Vergeblich beantragten die KPD-Abgeordneten im Landtag von Nordrhein-Westfalen am 12. Mai 1952 und der KPD-Abgeordnete Heinz Renner in der Bundestagssitzung am 14. Mai 1952 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Gedenken

Seine Witwe Ortrud Müller beim FDJ-Parlament 1952 (rechts, daneben Erich Honecker)

Zum Begräbnis Müllers in München kamen 3.000 Menschen. In der DDR wurde das Andenken an ihn insbesondere durch die FDJ zur Propaganda genutzt.[2] Philipp Müller wurde dazu als „deutscher Patriot“ und „Nationalheld“ bezeichnet.[3]

Der damalige 1. Vorsitzende der FDJ, Erich Honecker, erklärte auf einer Kundgebung am 16. Mai 1952 in Berlin, die deutsche Jugend werde

„nicht eher rasten und ruhen ( ... ) bis der Mord an Philipp Müller durch den Sturz der verräterischen Adenauerclique gesühnt ist.“[4]

Der Schriftsteller Kurt Barthel schrieb ein Gedicht über Müller, der Schriftsteller Paul Wiens und der Komponist Paul Dessau verfassten zum Gedächtnis an Müller ein Arbeiterkampflied, das insbesondere in der FDJ bei politischen Anlässen gesungen wurde. In vielen Orten erhielten Straßen und öffentliche Einrichtungen den Namen „Philipp Müller“, so z.B. in Harbke ein Kraftwerk, in Biesenthal ein Betriebs-Kinderferienlager, eine Schule in der Innenstadt von Weimar und eine Vielzahl von LPGen .

Familiengrab Philipp Müller, München-Neuaubing

In mehreren Städten und Gemeinden der DDR, darunter Halle (Saale), Jena, Günthersleben-Wechmar, Neubrandenburg, Schöneiche und Wismar, sind bzw. waren bis 1990 Straßen und andere Einrichtungen nach Philipp Müller benannt.

In Dresden trägt ein kleineres Stadion seinen Namen, in Brandenburg an der Havel weist das Gebäude des ehemaligen FDJ-Jugendklubhauses den Schriftzug „Philipp Müller“ auf.

Ein Zubringertrawler mit der Fischereikennnummer ROS 419 der „Artur Becker“-Baureihe erhielt ebenfalls seinen Namen.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Kraushaar in FriedensForum 6/2005
  2. Webseite des Deutschen Historischen Museums
  3. Michael Lemke: Nationalismus und Patriotismus in den frühen Jahren der DDR, siehe Fußnote 21
  4. DeutschlandRadio Kalenderblatt (11. Mai 2002)

Literatur

  • Wolfgang Bartels: Philipp Müller. Der Polizeimord in Essen. Weltkreis Verlag 1977, ISBN 3881421742
  • Wolfgang Buschfort: Philipp Müller und der „Essener Blutsonntag“ 1952, in: Deutschland-Archiv, H.2, Opladen 2002, S. 253-58
  • Michael Herms: Hinter den Linien. Westarbeit der FDJ 1945-1956. Metropol Verlag, Berlin 2001, ISBN 3932482646

Weblinks


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