REIMAHG

REIMAHG

Die REIMAHG (von Reichs Marschall Hermann Göring) war in den Jahren 1944/45 ein unterirdisches Rüstungswerk im Walpersberg bei Kahla in Thüringen. Hier sollte die Messerschmitt Me 262, der erste in Serie gebaute Strahljäger, produziert werden. Der Name des Oberbefehlshabers der deutschen Luftwaffe wurde bewusst von Fritz Sauckel, dem Gauleiter Thüringens und gleichzeitigem Reichsbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, gewählt, um sich im Kampf um Kompetenzen im nationalsozialistischen Deutschen Reich zu verbessern.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Sauckel wollte in Thüringen den von ihm so benannten Schutz– und Trutzgau für den Führer errichten. Dieser sollte nach einem möglichen kurzzeitigen Friedensschluss von Deutscher Seite den Mittelpunkt des Neuaufbaus für das IV. Reich bilden. So kümmerte er sich verstärkt darum, Prestigeobjekte der Vergeltungswaffenproduktion nach Thüringen zu verlagern. So wurden neben der REIMAHG auch noch viele weitere Untertageprojekte in Thüringen realisiert.

Schon im Jahre 1943 inspizierten Geologen, Techniker und Politiker das Gelände in und um Kahla. Besonders der Walpersberg schien sie zu interessieren. Am 1. März 1944 schien die Entscheidung getroffen zu sein: hier sollte ein Flugzeugwerk entstehen. Der an diesem Tag durch das Reichsministerium für Rüstung gegründete neue Stab nannte sich fortan Jägerstab und sollte die Luftwaffenproduktion sichern, um somit die Grundlage zu schaffen, die Lufthoheit wieder zu gewinnen. Der Baustab Schlempp wurde dem Jägerstab unterstellt. Er sollte die Versorgung mit Arbeitskräften, d. h. den Bau von Arbeitslagern, sicherstellen. Der Jägerstab sollte alle Mittel bekommen, um seine Ziele zu verwirklichen. Am 8. März bekam Hermann Göring einen Brief von Sauckel, der sich in diesem Brief selbst als „Reichsverteidigungskommisar für den Reichsverteidigungsbezirk Thüringen“ bezeichnete. Hermann Göring, welcher bisher nur von der Gründung des Jägerstabs gehört hatte, interessierte nun der Vorschlag des Stabes.

Fritz Sauckel schrieb:

„Im Rahmen des Jägerbauprogrammes habe ich in meiner Eigenschaft als Stiftungsführer der Gustloff-Werke diese beauftragt, sofort mit der größten Intensität die Produktion im Rahmen dieses Programms aufzunehmen. Die Produktion kann nahe der Stadt Kahla (Saaletal) in den Gängen der Kaolin-Stollen der Porzellanfabrik aufgenommen werden. Die vorhandenen Stollen sind im Durchschnitt 3 – 3½ m breit und 3 m hoch und können entsprechend erweitert und vermehrt werden. Die gesamte nutzbare Fläche beträgt etwa 10 000 m². Die Gänge sind absolut trocken und können mit verhältnismäßig leichter Mühe staubfrei gemacht werden. Der überdeckende Berg hat im Durchschnitt etwa 35 – 50 m gewachsenen Boden. Ich bitte um Ihre Zustimmung, dieses Unternehmen sofort durch die Gustloff-Werke starten zu lassen und die Fertigung einer bestimmten Type oder von Teilen, Motoren etc. festlegen zu wollen. Arbeitskräfte für diesen Zweck werden von mir schnellstens mobilisiert und auch einen Teil der Stamm –und Facharbeiter der Gustloff-Werke angeordnet werden.“

Göring stimmte diesen Plänen zu. Sauckel hatte sich so zum wichtigsten Mann in Sachen REIMAHG gemacht, ohne auf die vom Generalfeldmarschall Erhard Milch angeordnete Hierarchie des Jägerstabes zu achten, dessen Führer eigentlich Albert Speer war.

Die verschiedenen Werke

Neben dem REIMAHG- Hauptwerk A in Kahla-Großeutersdorf (Codename "Lachs") gab es noch das Werk E ("Schneehase") bei Kamsdorf und das Werk F ("Pikrit") in Krölpa. Alle Werke lagen in einer Entfernung von ca. 30 km, so dass kurze Transportwege garantiert waren.

Werk A "Lachs"

Unterirdische Produktion der Me 262 in Kahla

Die unterirdische Produktionsstätte bei Kahla-Großeutersdorf war das Hauptwerk der REIMAHG GmbH. Mit ca. 250.000 m² gehörte es auch zu den größten unterirdischen Anlagen Deutschlands zu dieser Zeit. Die Messerschmitt 262 sollte in diesem Werk endmontiert werden. Es wurden ca. 15.000 Arbeiter eingesetzt und neben dem Stollensystem ca. 10 verschiedene Bunker geschaffen.

Werk E "Schneehase"

Im 2. Weltkrieg wurden die Grubenbauten des "Bergbaureviers Großkamsdorf" von der REIMAHG GmbH in Besitz genommen, um im Gebiet des "Ernstschachtes" eine Untertagefabrik zu errichten. Es sollten die Motoren für die Me 262 gebaut werden. Interessanterweise findet man als Angabe die BMW 003 Strahltriebwerke, nicht die im Endeffekt eingesetzten Jumo 004 Triebwerke. Dies lag daran, dass für die Me 262 zu Beginn die BMW-Triebwerke geplant waren, dann jedoch auf Grund von Lieferengpässen auf die etwas leistungsschwächeren Junkers-Motoren ausgewichen werden musste. Am 1. November 1944 sollte nach Planungen Sauckels die Produktion aufgenommen werden. Dies war jedoch reines Wunschdenken, die Produktion der Triebwerke begann nie. 1946 bis 1952 versuchte die Sowjetarmee erfolglos, die Anlage zu sprengen.

Werk F "Pikrit" - Krölpa

Dieses System wurde 1944 vollständig neu aufgefahren. Es handelte sich um einen ca. 50 m langen Stollen und einen ca. 50 m langen Blindstollen, welcher nach 60 m vom Hauptstollen nach links abzweigt. In Krölpa sollte die Produktion von Flugzeugkleinteilen erfolgen. Diese wurde jedoch nie aufgenommen.

Zwangsarbeit am Walpersberg

Im Dritten Reich wurden die Arbeiter verschiedenen Kategorien zugeordnet. Zu diesen Kategorien zählten unter anderem europäische Fremd -und Zwangsarbeiter, dienstverpflichtete Deutsche sowie Fachpersonal. Diese Gruppen kamen auch in dem Rüstungswerk „REIMAHG“ zum Einsatz.

Zu den Fremdarbeitern zählten vorwiegend Arbeiter aus dem Ausland, die nach Deutschland kamen und für ihre Arbeit entlohnt wurden. Diese Arbeiter wurden anfangs sogar angeworben. Mit der Propaganda-Zeitschrift "Europa arbeitet in Deutschland", die in verschiedenen Sprachen verlegt wurde, sollten in den okkupierten Gebieten potentielle Arbeitskräfte mobilisiert werden, indem man den Freiwilligen einen guten Verdienst zusicherte. Die Lebensumstände in den Kriegsgebieten waren von Hunger und Elend geprägt, so dass dieses Angebot für viele eine Möglichkeit bot, für sich und ihre Familien das Überleben zu sichern. Sie wurden jedoch schnell von der Realität eingeholt. Lange Arbeitstage, geringe Nahrung und die steigende Bombardierung durch die Alliierten führten dazu, dass viele wieder Deutschland verlassen wollten.

Auf Grund dessen wurden immer mehr Fremdarbeiter zur Zwangsarbeit verpflichtet.

Zwangsarbeiter wurden aus vielen europäischen Ländern deportiert. Fritz Sauckel war gleichzeitig Reichsbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz ausländischer Arbeitskräfte. Damit hatte er die Möglichkeit, die Arbeiter direkt nach Kahla deportieren zu lassen. Da es sich bei den Lagern in Kahla und Umgebung nicht um Konzentrationslager handelte, setzte man zum Bau dieser unterirdischen Anlagen auch keine jüdischen Häftlinge ein, wie es in Dora-Mittelbau bei Nordhausen der Fall war.

Insgesamt wurden etwa 12.000 bis 15.000 Zwangsarbeiter zum Bau der REIMAHG eingesetzt. Am 11. April 1944 kamen die ersten 500 Italiener nach Kahla. Sie wurden im Lager Rosengarten untergebracht und sollten vor allem die Infrastruktur für die nachfolgenden Transporte ausbauen. In den Folgemonaten bis März 1945 stieg die Zahl der ankommenden Transporte stetig an.

Die Zwangsarbeiter waren in insgesamt 21 Lagern untergebracht, die zeitgleich mit dem Werk errichtet wurden und in der Kürze der Zeit nur notdürftig den Erfordernissen an Hygiene und den notwendigen Lebensbedingungen entsprachen.

Bis Kriegsende verschlechterten sich diese Lebensbedingungen für alle Arbeiter.

Vor allem die Zwangsarbeiter litten unter den widrigen Arbeits- und Lebensbedingungen. Viele von ihnen sahen ihre Heimat nicht wieder. Dazu ein Bericht von "P. B.":

Am 9. August kamen wir am Bahnhof von Kahla an, ein bisher unbekannter Ort für uns. Jeder musste den Zug verlassen und wir marschierten zwei Stunden nach Eichenberg. Bei der Ankunft in Eichenberg bekam jeder von einem Bauer aus Eichenberg einen großen Löffel Milch. Auf der Wiese, wo wir standen, sollte Lager E gebaut werden. Bei Ankunft stand überhaupt noch nichts da und die ersten Tage schliefen wir unter blankem Himmel. Obwohl es nachts bereits kalt war, war das Wetter nicht schlecht.

Für die meisten Zwangsarbeiter bestand ein zwölfstündiger Arbeitstag.

Die weiteren Stunden teilten sich folgendermaßen auf:

5½ Stunden Ruhe, welche jedoch auch zur täglichen Hygiene verwendet werden mussten, und ca. zwei Stunden Marsch vom Lager zu den Arbeitsstätten und zurück. Dies variierte jedoch mit der Entfernung der Lager zur Einsatzstelle. Die Arbeiter, die im Leubengrund untergebracht waren, hatten aufgrund ihrer Anmarschstrecke weniger Zeit für persönliche Dinge, da die Arbeitszeit von 12 Stunden blieb. Zur Verpflegung hatte man drei Stunden Zeit. Dazu kam, dass je nach Größe der Lager auch die Warteschlange vor den Essenausgabestellen entsprechend lang war. Die verbleibenden zwei Stunden wurden mit Appellen ausgefüllt. Selbst die Nahrungssituation wurde in den letzten Kriegsjahren immer angespannter. Es wurde alles rationiert, selbst die Festlegungen für die Mindestration wurden meistens nicht mehr eingehalten, da einfach die Nahrungsmittel fehlten. In dieser Situation gab es auch diejenigen, die sich auf Grund ihrer Position mit den Verkauf von Lager-Lebensmitteln bereicherten. P. B. zur Nahrungssituation:

Zu Essen bekamen wir fast nichts (am Tag ¾ Ltr Kohlrübensuppe und 150 Gramm Brot mit einen Löffel Fett oder Marmelade. Die Baracken waren fast unbewohnbar… es gab kaum eine Möglichkeit sich zu waschen, überall waren Läuse. Der Winter 1944 – 1945 war sehr kalt. Durch schlechte Kleidung und Unternährung starben viele… Durchfall und Typhus, TBC und Dysenterie und Hunger waren die häufigste Todesursache. So gingen Tage und Monate vorbei. Viele Kameraden in den Baracken starben einen miesen Tod. Die Unterernährung und Krankheiten nagten an unseren ausgemergelten Körpern und trotzdem ging das Arbeiten weiter.

Wie viele Tote es unter den Arbeitern gegeben hat, ist bis heute nicht geklärt. Die Zahlen schwanken zwischen der dokumentierten Zahl von 991 Toten und 6000 Toten. Am Wahrscheinlichsten ist eine Schätzung, welche von rund 2000 Toten ausgeht.

Viele der dienstverpflichteten Deutschen waren in wenigen Privatquartieren vor allem aber in den Lagern A – D untergebracht. Sie waren alle Fachkräfte und in Verwaltung, Bergbau und Handwerk eingesetzt, speziell aber in der „Stelle 0“. Dies war der erste unterirdische Bereich, in dem schon produziert wurde. Zu diesen Arbeitern kam noch die HJ. Sie wurde zum Bau sowie der Erweiterung der Startbahn und deren Räumung im Winter, aber auch für Zuarbeiten beim Gebäudebau eingesetzt. Dies unterstreicht nochmals deutlich den „totalen Kriegseinsatz“.

Trotz dieses gewaltiges Arbeitsaufwandes wurde das Rüstungswerk REIMAHG nie vollständig fertig gestellt.

Das Produktionsziel

Produziert werden sollte die Messerschmitt Me 262, der erste in Serie gebaute Düsenjäger. Laut Propaganda sollten 1200 Stück monatlich von der auf dem Bergrücken angelegten Startbahn den Berg verlassen, es wurden, je nach Quelle, jedoch nur 17 - 27 Einheiten hergestellt.

Literatur

  • Horst Lange: REIMAHG - Unternehmen des Todes. Der Aufbau der deutschen faschistischen Luftwaffe, Rolle des Gustloff-Konzerns, Verbrechen an ausländischen Zwangsarbeitern im unterirdischen Flugzeugwerk "REIHMAG" bei Kahla (1944/45). Rat des Kreises Jena, Jena 1984.
  • Klaus W. Müller, Willy Schilling: Deckname Lachs. Die Geschichte der unterirdischen Fertigung der Me 262 im Walpersberg bei Kahla 1944/45. 2. überarbeitete Auflage. Jung, Zella-Mehlis u. a. 1995, ISBN 3-930588-30-7.
  • Ursula Krause-Schmitt: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Band 8: Thüringen. Herausgegeben vom Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Deutschen Widerstandes 1933 - 1945. Mit einem Vorwort von Frank Spieth. Erweiterte Neubearbeitung. VAS, Frankfurt/Main 2003, ISBN 3-88864-343-0.
  • Markus Gleichmann, Karl-Heinz, Bock: Düsenjäger über dem Walpersberg. Die Geschichte des unterirdischen Flugzeugwerkes „REIMAHG“ bei Kahla, Thüringen. (Ein Buch zur Geschichte des Freistaates Thüringen und des Zweiten Weltkrieges). Heinrich-Jung-Verlags-Gesellschaft, Zella-Mehlis u. a. 2009, ISBN 978-3-930588-82-4, Inhalt.
  • Patrick Brion: "REIMAHG, Geschichte in Bildern - REIMAHG - A pictorial History", 2009, Eigen Verlag, ISBN 978-9-08135481-3.

Weblinks

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