Reifengas

Reifengas

Statt Druckluft zur Füllung von Autoreifen wird Stickstoff als Reifengas oder Reifenfüllgas unter verschiedenen Handelsbezeichnungen von Reifenhändlern propagiert.

Reifengasgefüllter Autoreifen, markiert mit einer grünen Ventilkappe

Übliche Warenzeichen für Reifengas sind „Nitralife Plus“,[1] „PneuLife“,[2] „SECURPNEUS“[3] und „Power Air“.[4] Entsprechend befüllte Reifen werden in der Regel mit grünen, gelben oder roten Ventilkappen gekennzeichnet.

Reifengas wird in Reifen von Verkehrsflugzeugen, Gefahrgut-Lkws, Fahrzeugen für Einsätze in Tunneln und Bergwerken und Formel 1-Fahrzeugen eingesetzt, um z. B. eine Gefahr der Brandentwicklung und -förderung bei einem platzenden Reifen zu minimieren bzw. eine Selbstentzündung durch einen defekten oder durch einen mit erheblich zu geringem Luftdruck betriebenen Reifen oder eine überhitzte Bremsanlage zu verhindern. Dieser Vorteil ist auf normale Pkw-Reifen nicht übertragbar. Nutzfahrzeugreifen an Lastkraftwagen sind erheblich höheren Belastungen ausgesetzt (bei normalen Lkw bis zu 6000 kg zulässiges Gesamtgewicht je Reifen) und die Reibung ist höher. Ein defekter Reifen oder eine festsitzende Bremse an einem einzelnen Rad (insbesondere am Auflieger oder Anhänger) ist durch die größere Anzahl an Achsen und Reifen auch während der Fahrt für den Fahrer weniger auffällig. Der Reifeninnendruck (üblicherweise zwischen 7 und 10 bar) und die Luftfüllmenge ist im Vergleich zu Pkw-Reifen wesentlich höher, es sind stark brandgefährdete Materialien in großer Menge am Lkw vorhanden (Bordwände aus Holz, Plane u. ä.) und bei Gefahrguttransporten sind besonders strenge Sicherheitsvorschriften zur Risikominimierung einzuhalten. Bei Verkehrsflugzeugen entstehen durch die Landung sehr starke Belastungen an den Flugzeugreifen, da diese beim Aufsetzen auf der Landebahn in sehr kurzer Zeit sehr stark beschleunigt werden.

Inhaltsverzeichnis

Zusammensetzung

Das „Reifengas“ besitzt einen erhöhten Stickstoff-Anteil zwischen 85 bis 99 %, der in normaler Druckluft bei 78 % liegt. Alternativ wird Industriegas aus großtechnischer Produktion verwendet.

Bis etwa zum Jahr 2000 wurde zudem eine Befüllung der Reifen mit SF6 (Schwefelhexafluorid) angeboten. Diese Befüllungen waren jedoch mit rund 100 DM (umgerechnet 51 ) pro Reifensatz vergleichsweise teuer. Zudem ist SF6 als stärkstes bekanntes Treibhausgas in erheblichem Umfang umweltschädlich und auch aus technischer Sicht umstritten.[5] Seit dem 4. Juli 2007 darf SF6 in der Europäischen Union gemäß der „Verordnung (EG) Nr. 842/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über bestimmte fluorierte Treibhausgase“ nicht mehr zum Befüllen von Fahrzeugreifen verwendet werden. In der Schweiz ist diese Anwendung bereits seit 2004 verboten (StoV).

Argumente für Reifengas

Geworben wird unter anderem mit

  • Verringerung der Diffusion des Sauerstoffs durch den Reifen
  • Beständigkeit des Reifendrucks bei unterschiedlichen Temperaturen
  • Verbesserung des Fahrkomforts hinsichtlich Federung und Abrollgeräusch
  • Verbrauchsreduzierung durch geringeren Abrollwiderstand des Reifens
  • keine Öldämpfe im Reifengas, dadurch verbesserte Haltbarkeit des Reifens
  • keine Feuchtigkeit im Reifengas, dadurch Verringerung von Rost an Felge und Ventil
  • geringeres Brandrisiko bei Überhitzung, da sich mangels Sauerstoffs innerhalb des Reifens kein zündfähiges Gemisch bilden kann.
  • Händler und Tankstellen versprechen sich von dem Produkt eine Steigerung der Erträge im Reifenhandel sowie eine bessere Kundenbindung. Indirekt ergeben sich daraus potentielle Wettbewerbsvorteile.

Durch diese „spezielle“ Befüllung wird der Kunde motiviert, zur Reifendruck-Prüfung und Nachfüllung seinen Fachhändler aufzusuchen, da „Reifengas“ nur an wenigen Tankstellen verfügbar ist. Reifengas ist daher nicht nur eine Möglichkeit für den Fachhandel, durch den Verkauf des Gases selbst Umsätze zu generieren, es ist vielmehr ein effektives Mittel zur Kundenbindung und Verkaufsförderung.

Argumente gegen Reifengas

Die technische Argumentation „pro Reifengas“ wird mit folgenden Argumenten kritisiert:

Der Druckverlust durch Diffusion durch das Gummi hat keine Praxisrelevanz.
Für den Druckverlust durch Diffusion sind die Inspektions-Intervalle des Fahrzeugs ausreichend. Relevanter Druckverlust rührt in der Praxis von defekten Ventilen oder Defekten am Felgenhorn her. Zudem schützt das Reifengas nicht vor mechanischen Verletzungen der Reifen wie Schnitten oder eingefahrenen Nägeln.
Reifendruck bei unterschiedlichen Temperaturen nicht gleichmäßiger.
Bei Drücken im Bereich weniger Bar (d. h. auch bei 10 bar im LKW-Reifen) und realen Temperaturen (−50 °C bis +150 °C) verhalten sich alle Gase als nahezu Ideale Gase, ganz gleich, ob es sich nun um 100 % Stickstoff oder lediglich um 78-prozentigen Stickstoff (= Luft) handelt.
Roll- bzw. Federungseigenschaften sind nicht zu unterscheiden.
Bei den vergleichsweise niedrigen Drücken in Kfz-Reifen verhalten sich sowohl Sauerstoff- wie Stickstoffmoleküle als nahezu ideale Gase und damit im Bereich weniger Promille identisch.
Bezug auf Luftfahrt und Formel 1 nicht praxisrelevant.
Die im Formel-1-Sport und bei landenden Flugzeugen auftretenden Temperaturbelastungen der Reifen werden im Straßenverkehr bei weitem nicht erreicht. Im Straßenverkehr ergibt sich ein Brandrisiko für die Reifen allenfalls durch Reifenüberhitzung in Folge zu geringen Druckes und der daraus resultierenden Walkarbeit, bei LKWs zudem an gezogenen Achsen bei fortgesetzt blockierenden Bremsen.
Öl und Wasser haben auch in normaler Druckluft nichts zu suchen.
Das Argument des Fachhändlers „Reifengas ist frei von Öldampf und Feuchtigkeit“ bedeutet im Umkehrschluss „Unsere normale Druckluftanlage (mit Wasser- und Ölabscheider) ist mangelhaft.“ und erklärt, warum in Diskussionsforen auf die Frage „Mein Reifenhändler bietet mir Reifengas an, was soll ich tun?“ eine der Standardantworten lautet: „Einen anderen Reifenhändler aufsuchen“.
Reifengas entbindet nicht von der regelmäßigen Reifendruck-Kontrolle.

Darüber hinaus sind bisher keine nachprüfbaren Vorteile bekannt, die reinen Stickstoff gegenüber der üblichen Füllung mit normaler Luft in Fahrzeugreifen für den Straßenverkehr rechtfertigen.

Quellen

  1. airliquide.at NITRALiFE™ PLUS Reifenfüllgas von Air Liquide.
  2. dwt-gmbh.de - PneuLife von DWT.
  3. securpneus.de SECUR PNEUS von rymgas.
  4. vergoelst.de Power Air von Vergölst.
  5. volkswagen-umwelt.de Volkswagen rät von der Verwendung von SF6 ab.

Weblinks


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