Screening

Screening

Unter einem Screening (englisch für: Durchsiebung, Rasterung, Selektion, Durchleuchten) versteht man ein systematisches Testverfahren, das eingesetzt wird, um innerhalb eines definierten Prüfbereichs – dieser besteht meist aus einer großen Anzahl von Proben oder Personen – bestimmte Eigenschaften der Prüfobjekte zu identifizieren. Ein Screening ist somit ein auf bestimmte Kriterien ausgerichteter orientierender Siebtest.

Inhaltsverzeichnis

Medizin/Psychologie

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Bedeutung von Screening als Reihenuntersuchung.

Formen In der Medizin wird der Begriff Screening in zwei Bedeutungen verwendet:

  1. Für eine Untersuchung, die als Reihenuntersuchung bei möglichst vielen Menschen eine möglichst frühe Angabe zur Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Krankheiten oder Risikofaktoren ermöglichen soll und somit meist als Vorsorgeuntersuchung bezeichnet wird, obgleich beim Vorliegen auffälliger Werte erst durch nachfolgende diagnostische Untersuchungen die Früherkennung von Krankheiten möglich ist.
  2. Für eine umfassende Untersuchung eines einzelnen Menschen, bei dem auf Grund meist unspezifischer Symptome eine Durchuntersuchung stattfindet, um damit durch nachfolgende Untersuchungen weitere Befunde zu erheben, womit eine Krankheit nachgewiesen oder ausgeschlossen werden soll.

Ziel

Das Ziel eines Screeningprogramms im medizinischen Bereich ist es, die Lebenserwartung der Untersuchten bei lebensbedrohenden Krankheiten zu erhöhen, die Lebensqualität zu verbessern oder die Verbreitung eines bestimmten Merkmals festzustellen. Ein bekanntes Beispiel sind die Blutgruppenuntersuchungen, die zeigten, dass in verschiedenen Völkern die Verteilung der Blutgruppen höchst unterschiedlich ist.

In der Regel wird eine möglichst große Anzahl an Probandinnen und Probanden untersucht, um relativ gesicherte statistische Aussagen zu erhalten. Bei der Suche nach Krankheiten wird eine Gesamtheit von mehrheitlich (tatsächlich) Gesunden und eine kleine Anzahl von Kranken, die keine Symptome zeigen, untersucht. In der Regel ist aus epidemiologischen Untersuchungen bekannt, wie viele Kranke sich in etwa in einer Gruppe von Personen verbergen, ihr Anteil wird als Grundanteil bezeichnet.

Im Rahmen exakter Fragestellungen sollen möglichst viele symptomlos erkrankte Menschen mit bestehenden Problemen, die vor der Behandlung nichts von diesen Problemen wussten, erkannt werden und einer Behandlung zugeführt oder zu einer Änderung des Lebensstils angehalten werden.

Schematisches Beispiel

Ein schematisches Beispiel soll die Überlegungen darstellen, die angewandt werden, um in einer Gesamtheit Gesunde und (symptomlose) Kranke mit einem Test zu erkennen:

100 von 100100 Personen (der Grundanteil entspricht in diesem Fall einem von 1001) leiden symptomlos an einer Krankheit. Die Krankheit wird mit einem Test zu 98 % (Sensitivität) richtig erkannt, die Gesunden werden zu 99 % (Spezifität) als gesund erkannt. Der Test ist also sehr zuverlässig. Er ist bei Ihnen positiv ausgefallen. Besteht Grund, sich ernsthafte Sorgen zu machen (siehe auch positiver prädiktiver Wert)? Die Darstellung erfolgt mit einem Entscheidungsbaum.

ScreeningMaster.jpg

Das Testergebnis:

Das Testergebnis ist positiv: 98 Personen werden also zurecht als krank erkannt – 1000 Gesunde aber zu unrecht (falsch positiv). Durch einen Test werden also in diesem Beispiel 1098 Personen gefunden, wovon man 98 helfen kann, man weiß aber nicht welchen 98 der 1098 Personen, dafür sind klärende Befunde notwendig (siehe auch: bedingte Wahrscheinlichkeit).

99000 werden also zurecht als gesund erkannt – 2 Kranke aber zu unrecht (falsch negativ). In diesem Beispiel kann der Großteil davon ausgehen nicht krank zu sein, wenn der Test negativ ist – zwei sollten aber dennoch wachsam sein.

Bei einem realen Screening können sich sowohl der Grundanteil als auch die Sensitivität und Spezifität von diesem Beispiel unterscheiden. Anschaulich kann man den Nutzen eines Screenings in Anzahl der notwendigen Behandlungen ausdrücken.

Bei jedem Screening ist es von entscheidender Bedeutung, den Grundanteil zu kennen, um die Testergebnisse interpretieren zu können. Ist dieser unbekannt, so haben die Testergebnisse keine Aussage – die Frage, ob eine Person krank ist, obwohl der Test negativ ist, oder gesund, obwohl der Test positiv ist, bleibt offen. Das ist auch eine Schwierigkeit beim Screening nach BSE bei Kühen, da der Grundanteil hier unbekannt ist.

Voraussetzungen

Da man bei einem medizinischen Screening nur bei einem Teil der Untersuchten Probleme feststellen wird, d.h. im Nachhinein auch viele letztlich gesunde Personen untersucht werden mussten, müssen Screeningprogramme bestimmte Anforderungen erfüllen:

  1. die Krankheit muss für die Volksgesundheit von Bedeutung sein
  2. sie muss gut bzw. bei früherer Erkennung deutlich besser behandelbar sein
  3. das Testverfahren soll eine hohe Sensitivität und Spezifität aufweisen, d.h. der Test soll die gesuchte Erkrankung (die bestehenden Risikofaktoren) mit möglichst großer Sicherheit nachweisen oder ausschließen können.
  4. die Untersuchung soll zeit- und kostengünstig sein.
  5. die Untersuchung soll den zu Untersuchenden möglichst wenig belasten.

Der letzte Punkt ist von besonderer Bedeutung: Screeningprogramme in der Vorsorgemedizin müssen von den Patienten angenommen werden, um erfolgreich zu sein.

Der Qualitätssicherung von Screeningprogrammen kommt hier eine besondere Bedeutung zu.

Vorteile

  • Eine Erkrankung wird in einem gut behandelbaren Frühstadium entdeckt: Eine Heilung ist häufiger möglich oder mit weniger Aufwand möglich
  • Die Behandlung eines Frühstadiums beeinträchtigt die Lebensqualität in geringerem Ausmaß (Im Frühstadium häufig Vermeidung einer radikalen Operation oder von Chemotherapie möglich).
  • Die Behandlung des Frühstadiums verursacht geringere Kosten.
  • Folgeschäden werden oftmals verhindert.
  • Der Untersuchte ist bei einem unauffälligen Ergebnis beruhigt.
  • Die Scheu vor Arztbesuchen wird gemindert.
  • Der Arzt lernt seinen Patienten besser kennen und kann später in unklaren Situationen womöglich auf Vorbefunde zurückgreifen, die zur Klärung beitragen.
  • Patienten, (besonders solche aus Risikogruppen) können über mögliche Selbstuntersuchungen und prophylaktische Maßnahmen orientiert werden. Ein Einwand hierzu ist, dass Prophylaxe nicht einen Umweg über Screening nehmen soll.

Nachteile

  • Die mögliche Belastung durch die Untersuchung selbst oder unvermeidbare statistische Unsicherheiten, so genannte falsch negative Ergebnisse. Hier werden Untersuchte wie Untersucher zu Unrecht beruhigt, mögliche Anzeichen der Erkrankung werden eventuell fehlgedeutet bzw. der Zweck der Früherkennung einer Krankheit wird ganz einfach verfehlt.
  • Bei falsch positiven Ergebnissen werden Patienten zu Unrecht beunruhigt, und teure, den Patienten wie das Gesundheitswesen belastende Folgeuntersuchungen sind die Folge.
  • Möglicherweise werden (wenn auch gut behandelbare) Frühstadien einer Erkrankung diagnostiziert, deren Früherkennung die Lebenszeit nicht verlängert, stattdessen aber die Lebensqualität vermindert (siehe duktales Carcinoma in situ bei Mammographie und Todesfälle durch die Therapie beim Neuroblastom-Screening)
  • Wird nur der Zeitpunkt der Diagnose vorverlegt, ohne die Lebenserwartung zu erhöhen, kann dies auch als Nachteil angesehen werden. Dies trifft jedoch nur dann zu, wenn die Krankheit in einem bereits unheilbaren Stadium erkannt wird, während durch Screening ja Frühstadien erkannt werden können (Beispiel: Mammographie-Screening).

Kosten

Das Planen von Screeningprogammen muss auch eine Kosteneffizienz beinhalten, das kann bei dem Screening nach Krebs eine Empfehlung für eine bestimmte Altersgruppe bedeuten (nicht jünger als ein bestimmtes Alter, aber auch nicht älter).

Folgerung

Es ist also notwendig, dass Ärzte und Forscher Patienten bzw. Eltern Minderjähriger über Vor- und Nachteile von Tests so aufklären, dass sie selbst entscheiden können, ob sie an einem Screening teilnehmen wollen oder nicht.

Beispiele

Untersuchungen bei Verdacht auf Drogenmissbrauch – siehe Drogenmissbrauch, Drogentest

Bewertung von Screening-Studien

Für viele Leute sieht ein Screening instinktiv nach etwas Gutem aus, weil eine Krankheit früher zu erkennen damit verbunden wird, bessere Heilchancen zu erhalten. Trotzdem ist kein Screening perfekt – Es treten immer größere oder kleinere Probleme auf.

Bevor ein Screening-Programm begonnen wird, muss abgeklärt werden, ob das Programm mehr Nutzen als Kosten erzeugt. Die besseren solcher Studien tragen auch effektiv etwas dazu bei, die Volksgesundheit zu verbessern – weil sie rigoros nach der derzeit besten verfügbaren Methodik durchgeführt werden (Randomisierung zum Beispiel).

Wenn man die Ergebnisse einer Screening-Studie liest, sollte man sich bewusst sein, dass verschiedene Faktoren zu verfälschten Resultaten führen können – entweder zu fälschlich besseren oder zu unwahren, schlechteren Resultaten; und die Studie gibt nicht mehr die Realität dar.[1]

Vorlaufzeit-Verfälschung

Durch ein Screening wird bezweckt, eine Krankheit früher zu diagnostizieren als ohne Screening. Ohne ein Screening könnte eine Krankheit erst dann erkannt werden, wenn offensichtliche Symptome – wie bei Krebs Tumoren – auftreten.

Obwohl in beiden Fällen eine Person zur genau gleichen Zeit sterben kann – weil bei früherer Diagnose die sogenannte Überlebenszeit zwischen Diagnose und Tod einfach verlängert wird, auf Kosten der Zeitdauer zwischen Geburt der Person und Diagnose. Die effektive Lebensdauer kann dabei die gleiche sein.

Nun, auf der Basis der Statistik sieht das so aus: Das Screening erhöht die Überlebenszeit – weil es in jedem Fall die Zeit zwischen Diagnose und Tod verlängert. Auf den ersten Blick ist also jedes Screening nützlich – aber ein Screening kann jedoch – unabhängig davon, ob die Lebensdauer erhöht wird oder nicht, zu einer früheren Diagnose beitragen. Zum Beispiel hätte der Patient bei einer tödlichen Erkrankung mehr Zeit, sein Leben abzuschließen und einen größeren Handlungsspielraum. Andererseits kann eine frühe Diagnose die Lebensqualität verschlechtern [2], da ja nur die Zeit mit der Diagnose verlangert wird, und nicht zwingend die Lebenszeit an sich.

Verfälschung durch den Typ der zu untersuchenden Krankheit

Viele Screenings beinhalten die Krebs-Früherkennung. Es wird angenommen, dass langsam wachsende Tumoren eine bessere Überlebenschance für den Patienten bedeuten als rasch wachsende Tumoren. Jedoch bedeutet das, dass Screenings viel eher einen langsam wachsenden Tumor entdecken als solche, die für das Leben des Patienten eine drastischere Bedeutung tragen – denn rasch wachsende Tumoren können den Patienten das Leben kosten, bevor er die Gelegenheit hat, an einem Screening teilzunehmen.

Dieser Umstand führt dazu, dass Screenings dazu tendieren, Krebserkrankungen zu erkennen, welche für den Patienten seltener lebensbedrohlich werden. Eine nicht lebensbedrohliche Tumorerkrankung bedeutet oft, dass der Patient an etwas anderem stirbt als am Tumor selber – also hat das Screening in einem solchen Fall nichts zur Lebenszeitverlängerung beigetragen (siehe hierzu auch indolenter Tumor und Tumor Dormancy).

Verfälschung durch die Probandenauswahl

Nicht alle Männer und/oder Frauen nehmen an einem Screening teil – deshalb müssen die Studienteilnehmer sorgfältig ausgewählt werden, um die statistische Bedeutung der Resultate zu gewährleisten.

Menschen, die etwa wegen Krebstodesfällen in ihrer Familie um ihr höheres Risiko wissen, nehmen häufiger an einer Screeningstudie teil als andere. Dies führt dazu, dass Screeningstudien die Gesundheitslage der Bevölkerung schlechter darstellen als sie es tatsächlich ist.

Das gleiche Problem kann auch in der umgekehrten Richtung wirken: Wenn ein Test eher für reichere oder jüngere Leute verfügbar ist, dann nehmen auch diese Leute eher daran teil – zum Beispiel, wenn eine längere Reise zum Screening-Zentrum gebrechliche und ärmere Leute abschreckt. In diesem Fall werden prozentual weniger Krankheiten diagnostiziert als in Wirklichkeit auftreten, weil Reiche sich sowieso eine bessere Gesundheitspflege leisten können und weil jüngere Menschen etwa seltener an Krebs oder Herz-Kreislaufproblemen leiden.

Verfälschung durch überflüssige Diagnosen

Ein Screening kann Abnormalitäten erkennen, welche im Leben einer Person nie eine Rolle spielen würden. Ein Beispiel dazu ist Prostatakrebs – über diese Krebserkrankung sagen Ärzte „Die meisten Männer sterben mit Prostatakrebs, aber nicht an Prostatakrebs“. Autopsien an toten Männern haben ergeben, dass ein großer Anteil der Toten mikroskopisch nachweisbare Prostatakrebs-Zellen besaßen, aber (noch) ohne gefährliche Tumorbildung (indolenter Tumor).

Abgesehen von der Gefahr, dass ein Patient eine unnötige Behandlung erhält – Krebstherapien beeinträchtigen die Lebensqualität des Patienten zum Teil massiv – können zu häufige, überflüssige Diagnosen dazu führen, dass ein Screening als wirksamer erscheint als es, gemessen an der effektiven Lebenszeitverlängerung der Probanden, ist. Die Entdeckung einer harmlosen Abnormalität bei einem Patienten ist daher weder vom ökonomischen noch vom medizinischen Standpunkt gesehen sinnvoll.

Reduktion von Verfälschungen

Der einzige Ausweg aus diesen Problemen ist eine strikt zufällige Auswahl der Screening-Teilnehmer, und die Teilnehmerzahlen müssen sehr groß sein. Auch die Methodik der Untersuchung muss strikt definiert sein, so dass die Diagnosen, die von unterschiedlichen Ärzten in verschiedenen Spitälern gestellt werden, auch qualitativ gleichwertig sind. Die genaue Beschreibung der Arbeitsweise in klinischen Studien wird oft in einem Standard Operating Procedure-Handbuch festgehalten.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Dieser Abschnitt beruht auf: http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Screening_%28medicine%29&oldid=78307515
  2. http://www.fr-online.de/wissenschaft/der-preis-der-fruehen-diagnose/-/1472788/4519982/-/index.html

Weblinks


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