St. Paul (Nürnberg)

St. Paul (Nürnberg)
St. Paul (Nürnberg)
Kirche St. Paul, Altarraum
Baustil: Jugendstil
Kapazität: 600 Personen
Konfession: evangelisch-lutherisch
Kirchweihe: 7. September 1913
Orgel: romantische Disposition
Orgelbauer: Johannes Strebel – Nürnberg
Gottesdienste: Sonntag 9:30 Uhr
Pfarrer: Jürgen Thiede
Büro: Evang.-Luth. Pfarramt St. Paul

Ebermayerstr. 15

90471 Nürnberg

Tel. 0911/8147719

E-Mail: N-St.Paul@t-online.de

Kirche St. Paul, Bauernfeindstr. 21

Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Nürnberg - St. Paul ist eine Gemeinde der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, die den Nürnberger Stadtteil Rangierbahnhof-Siedlung umfasst. Von ihrer Entstehung und Entwicklung her ist sie eng mit der Eisenbahn verbunden.

Das Gotteshaus gilt als einzige Jugendstilkirche in Nürnberg und besitzt die zweitälteste stilecht erhaltene Orgel Nürnbergs.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1903 wurde im südlichen Reichswald ein neuer Rangierbahnhof in Betrieb genommen, der nach Umbauten heute einer der modernsten und leistungsfähigsten Rangierbahnhöfe Deutschlands ist. Für den Güterumschlag war auch entsprechendes Personal erforderlich, für das von der Eisenbahnverwaltung aber nur wenige Wohnungen gebaut worden waren. Der Gewerkschafter und Sozialpolitiker Matthäus Herrmann erkannte diesen Notstand und gründete die „Karl Bauernfeind-Kolonie“. 1907 wurden die ersten Wohnungen bezogen. Nach dem 1. und dem 2. Weltkrieg wurde die Eisenbahnersiedlung weiter ausgebaut, bis sie einen Umfang von mehr als 2.400 Wohnungen hatte.

1901 wurden die evangelischen Bewohner der Siedlung in die Pfarrei St. Peter eingegliedert und von einem Hilfsgeistlichen betreut. Auf seine Initiative genehmigte die Eisenbahnverwaltung am 22. April 1907 wegen der zu großen Entfernung zur St.-Peters-Kirche die Einrichtung eines Betsaals in einem Betriebsgebäude des Einfahrtbahnhofs. Am 18. Juni 1907 gestattete das Königlich Protestantische Oberkonsistorium die Durchführung von regelmäßigen Gottesdiensten, Taufen und 6–8 Abendmahlsfeiern im Jahr. Am 1. September 1907 wurde der nur schulzimmergroße Betsaal eingeweiht. Da dies keine Dauerlösung sein konnte, wurde am 31. Oktober 1907 ein Kirchenbauverein gegründet.[1]

Der Kirchbau

Kirche St. Paul, Entwurf von Albert Lehr

Am 1. Juli 1909 stellte der Verein die Pläne vor: eine Kirche mit 600 Sitzplätzen, Pfarrhaus und verbindendem Konfirmandensaal. Am 29. April 1910 wurde dieses Konzept noch um eine Schwesternstation ergänzt. Planung und Bauleitung übernahm der Bahnarchitekt Albert Lehr; St. Paul blieb die einzige Kirche, die er in seiner Berufslaufbahn erbaute.[1]

Der Präsident der Eisenbahndirektion, Lorenz von Seidlein, wollte eine möglichst abwechslungsreiche Siedlung schaffen. Auch die beiden Kirchen sollten sich so stark wie möglich unterscheiden, aber doch miteinander harmonieren. Anfangs wurde daran gedacht, die evangelische Kirche - anders als die katholische Schwesterkirche St. Willibald - als Zentralbau mit einem Dachreiter ohne Turm zu erstellen, womit der Kirchenbauverein nicht einverstanden war. Albert Lehr schreibt dazu: „Da gab mir Gott in schlaflosen Stunden in der Nacht den rettenden Einfall, der evangelischen Kirche zwei Türme zu geben.“[1]

Um den Kostenanschlag möglichst einzuhalten, entstand die - in Bayern unübliche - raumsparende Lösung mit der Orgel als Blickpunkt für die Gemeinde, hinter dem Altar. Damit entstand zusätzlich Platz auf den Emporen. Der Architektenentwurf wurde vom Kirchenbauverein am 31. März 1911 gebilligt. Der Bau kostete 185.000 Reichsmark, 40.000 mehr als veranschlagt. Am 7. September 1913 wurde die Kirche St. Paul eingeweiht.[1]

Die von Albert Lehr erbaute Kirche ist das einzige Nürnberger Gotteshaus im späten Jugendstil. In der Festschrift zur Einweihung heißt es: "Unsre Paulskirche macht auf den Besucher einen imposanten Gesamteindruck. Schlicht und einfach und doch nicht alltäglich; ernst, zuweilen derb und doch traulich, anheimelnd; ohne viel Schmuck, aber von gewaltiger Architektur - so sehen wir sie kraftvoll emporragen mit ihren beiden trutzigen Türmen; schon äußerlich betrachtet, das Bild einer echt protestantischen Kirche." [2]

Die Orgel

Manfred Meier-Appel an der Orgel von St. Paul

Die Orgel, das zweitälteste original erhaltene Instrument in Nürnberg, stammt aus der Werkstatt von Johannes Strebel (Nürnberg). Das Instrument hat 22 Register (1319 Pfeifen) auf zwei Manualen und Pedal. Die Spiel- und Registertrakturen sind elektropneumatisch.[3]

I Hauptwerk C–g3
1. Bourdon 16′
2. Dolce 8′
3. Harmonie-Flöte 8′
4. Viola di Gamba 8′
5. Principal 8′
6. Rohrflöte 4′
7. Octave 4′
8. Mixtur IV 2′
II Schwellwerk C–g3
9. Salicional 8′
10. Vox coelestis 8′
11. Lieblich-Gedeckt 8′
12. Wienerflöte 8′
13. Quintatön 8′
14. Geigen-Principal 8′
15. Fugara 4′
16. Flautino 2′
17. Sesquialtera II 22/3
18. Cornettino III 22/3
Pedal C–f1
19. Bourdonbaß 16′
20. Subbaß 16′
21. Contrabaß 16′
22. Violon 8′
  • Koppeln: II/I, II 16'/I, II 4'/II, I/P, II/P
  • Spielhilfen Feste Kombinationen (mf, f, tutti), Absteller (Handregister, General-Crescendo, Pianopedal)

Eigene Gemeinde

Zum 1. Januar 1916 wurde St. Paul zur selbstständigen Kirchengemeinde erhoben. Zahlenmäßig war sie die kleinste Nürnberger Gemeinde, flächenmäßig die größte, da zu ihr bis 1933 auch die Gartenstadt gehörte. In den zwanziger Jahren erlebte St. Paul eine Verdreifachung der Mitgliederzahlen. Auch als 1953 Langwasser von St. Paul getrennt wurde, hatte die Gemeinde noch 3.500 Mitglieder. Deshalb wurden Ende der sechziger Jahre das Gemeindehaus und das Pfarrhaus am Planetenring gebaut. Durch den Strukturwandel bei der Bahn wurde die Gemeinde seit Mitte der siebziger Jahre jedoch kontinuierlich kleiner. Zur Zeit zählt sie etwa 1.150 Mitglieder.

Die vom Kirchenbauverein schon mitgeplante Schwesternstation konnte wegen des 1. Weltkriegs erst 1928 errichtet werden. Der Betrieb der daraus entstandenen Diakoniestation ist zum 1. April 2003 von der Diakoniestation St. Peter übernommen worden. 1912 wurde ein Kirchenchor gegründet, der sich inzwischen wieder aufgelöst hat. Nach neun Jahren hat die Gemeinde seit dem 1. März 2003 wieder eine festangestellte Kirchenmusikerin. Seit 1935 erscheint ein „Gemeindebote“.

Als die Kirche im Zweiten Weltkrieg beschädigt wurde, fanden 1945/46 die Gottesdienste im angrenzenden Konfirmandensaal statt. In der Sakristei wurde nach dem Krieg eine Kindertagesstätte untergebracht, aus der der heutige Kindergarten St. Paul entstanden ist. Außer diesem zweigruppigen Kindergarten wird vom Gemeindeverein St. Paul auch die Jugendarbeit mitgetragen.

Gegenwart

Pfarrer Jürgen Thiede 2003 mit Angela Merkel
Ministerpräsident a.D. Dr. Günther Beckstein mit Gattin Marga (links) 2011 zu Besuch

Inhaber der 1. Pfarrstelle ist seit dem 1. März 2002 Jürgen Thiede, der zuvor Referent im Kirchenamt der EKD, Wissenschaftlicher Assistent an der Theologischen Fakultät in Erlangen und Pfarrer in Wonsees (1987-1990) und Ottobeuren (1990-2002) war. Als Stellvertretender Landesvorsitzender des EAK der CSU ist er auch politisch engagiert. Am Gottesdienst beteiligt sich der Klinikseelsorger auf der halben 2. Pfarrstelle (für das Klinikum Nürnberg Süd). Im Pfarramtsbüro arbeitet eine Teilzeitkraft als Sekretärin. Für Kirche und Gemeindehaus ist nebenamtlich ein Hausmeister zuständig. Der Messnerdienst wird ehrenamtlich versehen. Ohne die Mitarbeit von mehr als 90 Ehrenamtlichen wäre die Gemeindearbeit nicht denkbar.

Da man den geschlossenen Stadtteil als ‚Dorf in der Stadt’ bezeichnen kann, ist St. Paul in mancher Hinsicht eine ‚Kirche im Dorf’, für Menschen mit einem großen Zusammengehörigkeitsgefühl und einem regen Vereinsleben. Deshalb wünschte sich die Gemeinde einen Pfarrer, der nicht nur Verständnis für die Situation und die Probleme der Eisenbahner hat, sondern mit den Menschen in der Siedlung lebt und offen auf sie zugeht. Die Überalterung der Gemeinde macht einen seelsorgerlichen Schwerpunkt in der Seniorenarbeit nötig. Die vielen Ehrenamtlichen erwarten Anleitung und Begleitung durch den Pfarrer. Ein besonderes Anliegen ist dem Kirchenvorstand die Arbeit mit Jugendlichen, die von einem engagierten Jugendausschuss geleitet wird, und der Kontakt zu jungen Familien mit Kindern. Im Rahmen des Programms „Evangelisch in Nürnberg“ hat sich die Kirchengemeinde die Aufgabe gestellt, die Kirche St. Paul als ein Stück Heimat im Wohnviertel erfahrbar zu machen, damit sich die Gemeindemitglieder in ihrer Kirche wohler und Gäste weniger fremd fühlen.

Einzelnachweise

  1. a b c d Hansjörg Biener, Heinz Geißendörfer, Heidi Wienecke, Jörg Wienecke: Festschrift zum 75. Geburtstag der St. Pauls Kirche
  2. Die neue St. Paulskirche in Nürnberg-Rangierbahnhof, S. 35.
  3. Umfassende Informationen zur Geschichte und Disposition der Orgel von St. Paul

Literatur

  • Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (online).
  • Ferdinand Schmidt (Hrsg.): Die neue St. Paulskirche in Nürnberg-Rangierbahnhof, Verlag des Protestantischen Kirchenbauvereins, Nürnberg 1913
  • Festschrift 75 Jahre Nürnberg/St. Paul 1913-1988, Nürnberg 1988
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