Betsingmesse

Betsingmesse

Die Betsingmesse war eine deutschsprachige Sonderform in der Entwicklung der Messfeier.

Inhaltsverzeichnis

Singmesse

Der Ursprung der deutschen Singmesse liegt in den Bemühungen um eine deutschsprachige Feier der Messe während der Aufklärungszeit, besonders in Süddeutschland und in Österreich im Einflussbereich des Josephinismus. Zusammen mit dem Augustiner-Chorherrn und Musiker Norbert Hauner, dem Stiftsdekan auf Herrenchiemsee, veröffentlichte Franz Seraph von Kohlbrenner 1777 in Landshut sein Gebet- und Gesangbuch Der heilige Gesang zum Gottesdienste in der römisch-katholischen Kirche. Erster Theil, das die Liturgie in deutscher Sprache verbreitete. Der Gottesdienst ist hier erstmals als Singmesse der Gläubigen konzipiert. Das noch heute beliebte Adventslied Tauet, Himmel, den Gerechten erscheint hier beispielsweise als Gesang zum Offertorium während der Adventssonntage.

1795 überarbeitete Michael Haydn die Haunerschen Melodiefassungen und schuf daraus sein Deutsches vollständiges Hoch-Amt. Diese Reihe von Liedern zu den einzelnen Teilen der Messe (die nach wie vor vom Priester leise auf Latein gesprochen wurden) wird meist mit der ersten Zeile des Eröffnungsliedes Hier liegt vor deiner Majestät betitelt oder schlicht als Haydn-Messe bezeichnet. Der Text ist vom Geist der Aufklärung geprägt und als Singmesse zum katholischen Gemeingut geworden. Diese zweite Vertonung ist die wohl bekannteste und findet sich bis heute in mehreren Regionalteilen des katholischen Gesangbuchs Gotteslob.

Liturgiegeschichtlich lösten die Singmessen die aufwändigen Orchestermessen ab, die Kaiser Joseph II. für seinen Herrschaftsbereich verboten hatte.

Die berühmteste Singmesse aus dem 19. Jahrhundert, die Deutsche Messe von Franz Schubert aus dem Jahr 1826, stützt sich auf das Vorbild Haydns. Auch sie ist keine Vertonung des klassischen Mess-Ordinariums, sondern bietet deutsche Lieder, die sich in freier Assoziation in ihrer Empfindung an die Aussagen des Ordinariums anlehnen und in romantischer Weise die Gefühle der Feiernden ansprechen.

Betsingmesse

Ausgehend von den Anregungen Romano Guardinis und der Benediktiner der Abtei Maria Laach unter Abt Ildefons Herwegen feierte der Klosterneuburger Augustiner-Chorherr Pius Parsch ab 1922 sogenannte „Gemeinschaftsmessen“ in der Kirche St. Gertrud (Klosterneuburg), bei denen Teile der Messe vom Volk in deutscher Sprache gesungen wurden. Er wollte damit eine aktive Teilnahme der Mitfeiernden und eine Rückbesinnung auf das Urchristentum erreichen. Diese Feiern gelten als die Geburtsstunde der Liturgischen Bewegung in Österreich und Deutschland. Ein Durchbruch gelang, als beim Wiener Katholikentag 1933 eine Betsingmesse gefeiert wurde.

In der Betsingmesse wurden zunächst Teile des Propriums in der Form deutscher Lieder gesungen. Auch für das Ordinarium wurden zunehmend deutsche Gesangsformen entwickelt oder Lieder bestimmt. Gleichzeitig wurden diese Texte jedoch nach wie vor auf Latein vom Priester gesprochen. Die Doppelgleisigkeit von priesterlichem und gemeindlichem Handeln wurde noch nicht überwunden.[1]

Nachwirkungen

Mit der Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils und der Einführung volkssprachlicher Liturgie in der Feier der Gemeindemesse wurde die Betsingmesse obsolet.

Die Tradition, einzelne Stücke der Liturgie in der Form deutscher Gesänge auszuführen, die nicht unbedingt eine deutsche Fassung dieses Teils der Liturgie sind, etwa durch ein Lied zum Gloria oder Lied zum Sanctus, hat sich jedoch bis heute in vielen Gemeinden gehalten, auch wenn sie von Liturgikern kritisch gesehen wird und von den amtlichen Dokumenten kaum gedeckt ist.

Auch der Begriff Betsingmesse findet sich nach wie vor oft in Pfarrnachrichten, obwohl es die Form an sich nicht mehr gibt.

Literatur

  • Karl Eder: Auf dem Weg zur Teilnahme der Gemeinde am Gottesdienst: Bamberger Gebet- und Gesangbücher von 1575 bis 1824. St. Ottilien: EOS-Verl. 1993 (Dissertationen : Theologische Reihe ; Bd. 56, zugl.: Bamberg, Univ., Diss., 1992/93) ISBN 3-88096-446-7
  • Barbara Krätschmer: Die deutsche Singmesse der Aufklärung unter besonderer Berücksichtigung der Deutschen Hochämter von Johann Michael Haydn. In: Singende Kirche 33 (1986), S. 11–17
  • Adolf Adam/Rupert Berger: Pastoralliturgisches Handlexikon. Freiburg: Herder 1990, s.v. Betsingmesse, S. 61f
  • Pius Parsch: Volksliturgie. Klosterneuburg 1940
  • Pius Parsch: Klosterneuburger Betsingmesse. 9. Auflage, Wien-Klosterneuburg: Volksliturgischer Verlag 1940

Einzelnachweise

  1. Hans Bernhard Meyer: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral Regensburg: Pustet 1989 (Der Gottesdienst der Kirche, Band 4), S. 283

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Singmesse — Die Betsingmesse war eine deutschsprachige Sonderform in der Entwicklung der Messfeier. Inhaltsverzeichnis 1 Singmesse 2 Betsingmesse 3 Nachwirkungen 4 Literatur 5 Einzelnachweise …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsche Singmesse — The Deutsche Singmesse is a form of (Tridentine) Low Mass that developed in German speaking countries. Contents 1 Historical precursors 2 Origin 3 The Betsingmesse 4 …   Wikipedia

  • Liturgiebewegung — Als liturgische Bewegung werden Bestrebungen sowohl in den reformatorischen Kirchen als auch in der römisch katholischen Kirche seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet, die eine Erneuerung und Vertiefung des Verständnisses der kirchlichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Pius Parsch — Gedenktafel an der Pfarrkirche Floridsdorf Pius Parsch (* 18. Mai 1884 in Neustift bei Olmütz, Mähren; † 11. März 1954 in Klosterneuburg, Niederösterreich) war Augustinerchorherr und katholis …   Deutsch Wikipedia

  • Franz Seraph von Kohlbrenner — Franz Seraph von Kohlbrenner, zeitgenössisches Gemälde …   Deutsch Wikipedia

  • Liturgische Bewegung — Als liturgische Bewegung werden Bestrebungen sowohl in den reformatorischen Kirchen als auch in der römisch katholischen Kirche seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bezeichnet, die eine Erneuerung und Vertiefung des Verständnisses der kirchlichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsches Hochamt (Michael Haydn) — Deutsches Hochamt ist der Titel mehrerer deutscher Messen von Michael Haydn, die ausdrücklich „zum Gebrauch für Stadt und Land“ (für Stadt und Landkirchen) deklariert sind. Während drei dieser Vertonungen als Hochämter für die Aufführung durch… …   Deutsch Wikipedia

  • Hilde Lermann — (* 8. Juli 1944 in Possenhofen) ist eine deutsche Schauspielerin, Autorin und Regisseurin. Sie studierte an der Musikhochschule München Klavier. Sie nahm Schauspielunterricht, Theaterengagements und Filmrollen an. Seit 1986 arbeitet Hilde Lermann …   Deutsch Wikipedia

  • Stille Messe — Die stille Messe (auch Stillmesse oder Engelsmesse) ist eine schlichte Form der Heiligen Messe in der katholischen Kirche, die vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil und auch noch heute vor allem an Wochentagen praktiziert wird. Inhaltsverzeichnis… …   Deutsch Wikipedia

  • ИННИТЦЕР — [нем. Innitzer] Теодор (25.12.1875, Вайперт (ныне Вейпрти), Чехия 9.10.1955, Вена), кард., архиеп. Венский, австр. политический деятель. Род. в бедной рабочей семье. В детстве был отдан учеником на текстильную фабрику; в 1890 г. принят в местную… …   Православная энциклопедия

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”