Geh aus, mein Herz, und suche Freud

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
Titelbild von Praxis Pietatis Melica, Auflage von 1721.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud ist ein geistliches Sommerlied von Paul Gerhardt (1607–1676).

Paul Gerhardt veröffentlichte das Gedicht 1653 in der fünften Auflage des Gesangbuchs Praxis Pietatis Melica.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der weit ausholende Liedtext, der in Paul Gerhardts originaler Fassung 15 Strophen umfasst, gliedert sich in mehrere Abschnitte: Im ersten Teil steht die Betrachtung der Natur als „des großen Gottes großes Tun“ (Strophe 8) und die Bewunderung ihrer Schönheit im Vordergrund. Der zweite Teil handelt von der Vorahnung, dass der himmlische Garten die irdische Schönheit nochmals überstrahlen werde. Die Schlussstrophen leiten aus dem Vorangegangenen die Bitte ab, zur Vollendung zu gelangen. Der Weg dorthin wird in Bildern aus der Natur veranschaulicht: „... dass ich dir werd ein guter Baum“, „Verleihe, daß zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben“ (14) sowie „laß mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen“ (15).

Viele Abdrucke des Textes beschränken sich auf die Auswahl der Strophen 1–3 und 8. In dieser Form verselbständigte sich das Lied zum Volkslied.

Text

Sommergesang

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
Schau an der schönen Gärten Zier,
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide.
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an,
als Salomonis Seide.

3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fleucht aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder,
Die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Thal und Felder.

4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist ihr’ Jungen,
Der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh, und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen.

5. Die Bächlein rauschen in dem Sand,
und mahlen sich und ihren Rand
mit schattenreichen Myrthen,
Die Wiesen liegen hart dabei,
und klingen ganz von Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten.

6. Die unverdroßne Bienenschaar
zeucht hin und her, sucht hier und dar
ihr’ edle Honigspeise,
Des süßen Weinstocks starker Saft
kriegt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise.

7. Der Waizen wächset mit Gewalt,
darüber jauchzet jung und alt,
und rühmt die große Güte
Des, der so überflüßig labt,
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüthe.

8. Ich selbsten kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Thun
erweckt mir alle Sinnen:
Ich singe mit, wenn alles singt,
und laße, was dem Höchsten klingt,
aus meinem Herzen rinnen.

9. Ach, denk ich, bist du hie so schön,
und läßt dus uns so lieblich gehn
auf dieser armen Erden,
Was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnem Schloße werden?

10. Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein?
wie muß es da wohl klingen,
Da so viel tausend Seraphim
mit eingestimmtem Mund und Stimm
ihr Allelujah singen?

11. O wär ich da! O stünd ich schon,
ach, süßer Gott! vor deinem Thron,
und trüge meine Palmen!
So wollt ich nach der Engel Weis’
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen.

12. Doch will ich gleichwohl, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen,
Mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen.

13. Hilf nur und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
daß ich dir stetig blühe!
Gib, daß der Sommer deiner Gnad
in meiner Seelen früh und spat
viel Glaubensfrücht erziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum,
daß ich dir werd ein guter Baum,
und laß mich wohl bekleiben:[1]
Verleihe, daß zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben.

15. Erwähle mich zum Paradeis
und laß mich bis zur letzten Reis’
an Leib und Seele grünen:
So will ich dir und deiner Ehr
allein, und sonsten keinem mehr,
hier und dort ewig dienen.[2]

Melodien

Der Liedtext wurde im Laufe seiner Rezeptionsgeschichte immer wieder mit verschiedenen Melodien verknüpft. Paul Gerhardt selbst veröffentlichte ihn 1653 zunächst zu der Melodie des Liedes Den Herrn meine Seel erhebt.

Im Jahr 1667 veröffentlichte der Komponist Johann Georg Ebeling das Lied mit einer von ihm neu komponierten Weise in der Sammlung Pauli Gerhardi Geistliche Andachten.[3] Diese stellt die erste eigens zu diesem Text komponierte Melodie dar. Sie erscheint als Diskant in einem vierstimmigen Chorsatz mit zwei instrumentalen Oberstimmen ad libitum. Ebelings Sammlung war sowohl für den liturgischen Gebrauch wie auch für die häusliche Andacht intendiert.

Die bekannteste Melodie?/i zu Gerhardts Text stammt von August Harder (1775–1813).[4] Sie war ursprünglich eine Vertonung des Gedichts Die Luft ist blau, das Tal ist grün von Ludwig Hölty. Sie wurde dem Gerhardtschen Text erstmals 1836 von dem Organisten Friedrich Eickhoff (1807–1886) unterlegt. Diese Bearbeitung ist jedoch nicht ganz unproblematisch, da die Form der Melodie eine Wiederholung der letzten Textzeile einer jeden Strophe verlangt, wodurch häufig Textzeilen von geringer Wichtigkeit ein zu starkes Gewicht zukommt. Der beschwingte, fröhliche Ton der Melodie passt dennoch sehr gut zum Charakter des Gerhardtschen Textes und trug sehr zur Beliebtheit des Liedes bei. Zusammen mit dieser Melodie ist der Text in EG 503 abgedruckt.

In den 1920er-Jahren wurde das Gedicht von dem Musikerzieher und Volksliedforscher Walther Hensel vertont. Diese Fassung findet sich unter anderem in der verbreiteten Liedersammlung Bruder Singer.[5] Hensels in F-Dur gesetzte Melodie ist nicht farbloser, gleichwohl etwas getragener als die von Harder.

Abgeleitete Kompositionen

Der Kreuzkantor der Dresdner Kreuzkirche Rudolf Mauersberger schuf, auf dem Lied aufbauend, die Geistliche Sommermusik Geh aus, mein Herz, und suche Freud (RMWV 11).

Einzelnachweise

  1. Zur Bedeutung von bekleiben siehe Adelungs Wörterbuch. Das EG schreibt sachgerecht „und laß mich Wurzel treiben“.
  2. Textfassung: Paulus Gerhardts geistliche Lieder getreu nach der bei seinen Lebzeiten erschienenen Ausgabe wiederabgedruckt. Stuttgart 1853; fotomechanischer Nachdruck Bern 1974, ISBN 3 261 00502 5
  3. Friedhelm Kemp (Hrsg.): Paul Gerhardt. Geistliche Andachten. Reprint. Bern 1975.
  4. Matthias Werner: Harder, August. In: Wolfgang Herbst: Wer ist wer im Gesangbuch? Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-50323-7, S. 131 f. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  5. In der Ausgabe Kassel 1974 auf Seite 21

Literatur

  • Christa Reich: Geh aus, mein Herz, und suche Freud. In: Hansjakob Becker u.a. (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. 2., durchgesehene Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-48094-2, S. 262–274.
  • Johann Anselm Steiger: „Geh' aus, mein Herz, und suche Freud'“: Paul Gerhardts Sommerlied und die Gelehrsamkeit der Barockzeit (Naturkunde, Emblematik, Theologie). de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-019440-1.

Weblinks


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