Hilbertraum-Tensorprodukt

Hilbertraum-Tensorprodukt

Die im mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis betrachtete Bildung von Hilbertraum-Tensorprodukten ist eine Methode, aus Hilberträumen neue Hilberträume zusammenzusetzen. Eine rein algebraische Bildung des Tensorproduktes reicht nicht aus, da man im Allgemeinen so keine vollständigen Räume erhält. Auch die in der Banachraumtheorie untersuchten injektiven und projektiven Tensorprodukte führen nicht zum gewünschten Ergebnis, da man auf diese Weise im Allgemeinen nicht zu Hilberträumen kommt, das heißt die Normen sind nicht durch ein Skalarprodukt definiert.

Zwar sind Skalarprodukte auf \C–Hilberträumen nicht bilinear, sondern nur sesquilinear, aber dennoch sollte es möglich sein, diese auf algebraische Tensorprodukte von Hilberträumen fortzusetzen, denn Tensorprodukte sind ja gewissermaßen für bilineare Abbildungen gemacht. Dann hätte man immerhin einen Prähilbertraum, den man nur noch vervollständigen müsste, um einen Hilbertraum zu erhalten. Genau dieses Vorgehen erweist sich als erfolgreich. Im Folgenden werden nur komplexe Hilberträume betrachtet, die für viele Anwendungen wichtiger sind. Die Konstruktion von Tensorprodukten reeller Räume verläuft ganz ähnlich und ist in manchen Details sogar einfacher.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Es seien H und K zwei \C–Hilberträume. Die Skalarprodukte werden stets mit \langle\cdot,\cdot\rangle bezeichnet, zur Präzisierung wird gegebenenfalls der Name des Hilbertraums als Index angefügt. Dann kann man zeigen:

Auf dem algebraischen Tensorprodukt H\odot K gibt es genau eine Sesquilinearform mit der Eigenschaft

\langle x_1\otimes y_1, x_2\otimes y_2\rangle_{H\otimes K} = \langle x_1,x_2\rangle_H \cdot \langle y_1,y_2\rangle_K  für alle x_1,x_2\in H und y_1,y_2\in K.


Die Vervollständigung des Prähilbertraums (H\odot K,\langle\cdot,\cdot\rangle_{H\otimes K}) heißt das Hilbertraum-Tensorprodukt aus H und K und wird mit H \otimes K bezeichnet. Manche Autoren verwenden H\otimes K für das algebraische Tensorprodukt und schreiben dann H\overline{\otimes} K für die Vervollständigung, andere verwenden H\otimes K für beides und weisen auf mögliche Mehrdeutigkeiten hin oder verwenden für das algebraische Tensorprodukt eine andere Notation, wie in diesem Artikel geschehen.

Eigenschaften

  • Das Hilbertraum-Tensorprodukt lässt sich leicht mittels Induktion auf das Hilbertraum-Tensorprodukt endlich vieler Hilberträume H_1,\ldots,H_n ausdehnen, wobei H_1\otimes \ldots \otimes H_n als (H_1\otimes \ldots \otimes H_{n-1})\otimes H_n definiert wird.
  • Für das Hilbertraum-Tensorprodukt gelten die üblichen Sätze über Kommutativität, Assoziativität und Distributivität, das heißt man hat folgende isometrische Isomorphismen, wobei die Hi Hilberträume mit Elementen xi seien:
H_1\otimes H_2 \cong H_2\otimes H_1 mit x_1\otimes x_2 \mapsto x_2\otimes x_1
H_1\otimes (H_2\otimes H_3) \cong (H_1\otimes H_2)\otimes H_3 mit x_1\otimes (x_2\otimes x_3) \mapsto (x_1\otimes x_2)\otimes x_3
H_1\otimes (H_2\oplus H_3) \cong (H_1\otimes H_2)\oplus (H_1\otimes H_3) mit x_1\otimes (x_2\oplus x_3) \mapsto (x_1\otimes x_2)\oplus (x_1\otimes x_3)
  • Das Hilbertraum-Tensorprodukt hat die sogenannte Kreuznorm-Eigenschaft, das heißt es gilt
\|x\otimes y\| = \|x\|\cdot\|y\| für alle Vektoren x und y aus den Hilberträumen.

Beispiele

L^2(X_1,\Sigma_1,\mu_1)\otimes L^2(X_2,\Sigma_2,\mu_2) \cong L^2(X_1\times X_2, \Sigma_1\otimes \Sigma_2, \mu_1\times \mu_2)
  • Seien I und J zwei Mengen und \ell^2(I) und \ell^2(J) die zugehörigen Hilberträume mit Orthonormalbasen (e_i)_{i\in I} bzw. (e_j)_{j\in J}. Dann ist das Hilbertraum-Tensorprodukt isomorph zu \ell^2(I\times J), das heißt in Formeln[2]
\ell^2(I)\otimes \ell^2(J)\cong \ell^2(I\times J).
Da nach dem Satz von Fischer-Riesz jeder Hilbertraum isomorph zu einem \ell^2(I) mit geeignetem I ist, folgt für beliebige Hilberträume H und K:
\mathrm{dim}(H\otimes K) \,=\, \mathrm{dim}(H)\cdot \mathrm{dim}(K)\,,
wobei dim(H) für die Kardinalzahl einer Orthonormalbasis von H steht.

Tensorprodukte als direkte Summen

Es seien H und K Hilberträume und (y_j)_{j\in J} sei eine Orthonormalbasis von K. Dann ist

H\otimes y_j := \{x\otimes y_j; x\in H\} \subset H\otimes K

ein zu H isometrisch isomorpher Unterraum, und es ist

H\otimes K \cong \bigoplus_{j\in J} H\otimes y_j,

wobei die rechte Seite für die Vervollständigung der algebraischen direkten Summe steht. Die Rollen von H und K kann man selbstverständlich vertauschen. In diesem Sinne ist ein Hilbertraum-Tensorprodukt nichts weiter als eine geeignete direkte Summe von Kopien eines der beiden Faktoren des Tensorproduktes.[3]

Operatoren auf Tensorprodukten

Stetige lineare Operatoren A\in L(H) und B\in L(K) auf Hilberträumen H und K lassen sich zum Tensorprodukt A\otimes B auf H\otimes K zusammensetzen. Genauer:

Das algebraische Tensorprodukt  A\odot B:H\odot K\rightarrow  H\odot K ist stetig bezüglich der Prähilbertraum-Norm und kann daher zu einem stetigen linearen Operator A\otimes B\,\in\, L(H\otimes K) fortgesetzt werden. Dabei gilt \|A\otimes B\| = \|A\|\cdot\|B\|, wobei links die Operatornorm von L(H\otimes K) steht. [4]

Dies ist die wichtigste Motivation zur Einführung von Tensorprodukten für Hilberträume. Mittels dieser Operatoren A\otimes B kann man ein Tensorprodukt für von-Neumann-Algebren definieren.

Vergleich verschiedener Tensorprodukte

Wir betrachten Tensorprodukte von \ell^2 mit sich selbst. Jedes Element t=\sum_{i=1}^n x_i\otimes y_i aus dem algebraischen Tensorprodukt gibt Anlass zu einem endlichdimensionalen Operator T_t:\ell^2\rightarrow \ell^2,\,x\mapsto \sum_{i=1}^n\langle x,y_i\rangle x_i, das heißt das algebraische Tensorprodukt ist in natürlicher Weise in L(\ell^2) enthalten. Bezeichnen \otimes_\varepsilon und \otimes_\pi das injektive bzw. projektive Tensorprodukt, so erhält man:

Dies ist unter anderem im unten angegebenen Lehrbuch von R. Schatten zu finden.

Einzelnachweise

  1. R.V. Kadison, J. R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras, 1983, ISBN 0123933013, Example 2.6.11
  2. R.V. Kadison, J. R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras, 1983, ISBN 0123933013, Beispiel 2.6.10
  3. R.V. Kadison, J. R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras, 1983, ISBN 0123933013, Bemerkung 2.6.8
  4. Jacques Dixmier: Von Neumann algebras. North-Holland, Amsterdam 1981, ISBN 0-444-86308-7, I.2.3

Literatur

  • Richard V. Kadison, John R. Ringrose: Fundamentals of the Theory of Operator Algebras. Band 1: Elementary Theory. Academic Press, New York NY 1983, ISBN 0-12-393301-3 (Pure and Applied Mathematics 100, 1).
  • Robert Schatten: A theory of cross-spaces. Princeton University Press, Princeton NJ 1950 (Annals of Mathematical Studies 26, ISSN 0066-2313).

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