Johann Hartmann Bernhard

Johann Hartmann Bernhard

Johann Hartmann Bernhard (* 17. Dezember 1773; † 22. August 1839) war ein deutscher Orgelbauer, der im 19. Jahrhundert in Hessen wirkte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

(Johann) Hartmann Bernhard entstammte einer Orgelbaufamilie, die über mehrere Generationen bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätig war. Hartmann Bernhard war Sohn des Orgelbauers Johann Georg Bernhard, der aus Oberzell (Sinntal) stammte. Sein Vater ging bei Adam Adolph Otto in Würzburg vier Jahre in die Lehre (bis 1766) und übersiedelte nach Romrod,[1] wo er sich in den 1770er Jahren selbstständig machte. Johann Hartmann übernahm die väterliche Werkstatt und war vor allem in Hessen-Darmstadt und vereinzelt auch in Hessel-Kassel tätig. 1837 umfasste seine Opusliste 36 Werke.[2] Als seine Schüler gelten Johann Georg Markert (Ostheim vor der Rhön), Christoph Opitz (Dobra), Adam Eifert (Stadtilm), Friedrich Melchior Zindel (Kassel), Georg Friedrich Wagner (Hersfeld) und Johann Georg Förster (Lich).[2]

Sein Sohn Friedrich Wilhelm Bernhard (* 1804; † 1861) übernahm die Romroder Werkstatt und schuf Orgeln in Merlau (1857), Windhausen (1845) und Beuern (Buseck) (1847). Ein anderer Sohn mit Namen Adam Karl Bernhard (* 1807; † 1893) erlernte ebenfalls den Orgelbau und ließ sich in Gambach nieder, wo er auch als Lehrer tätig war. Nach dem Tod Wilhelms errichtete Adam Karl in Gambach eine Werkstatt.[1] Karls Söhne Karl Theodor und Karl Rudolf firmierten als Gebrüder Bernhard. Die beiden bauten im Jahr 1890 eine Orgel in Appenrod. Die Orgelbauerfamilie prägte die Orgellandschaft Hessen vor allem im 19. Jahrhundert durch zahlreiche Werke.[1] Bisher sind über 120 Orgelneubauten oder größere Umbauten der Familie bekannt.[2]

Werk

Hartmann Bernhard gilt als herausragendste Gestalt der Orgelbauerdynastie. Trotz Kriegszeiten und Konkurrenzdruck lieferte er jedes Jahr eine Orgel, die er individuell und mit charakteristischen Prospekten gestaltete. Trotz des Bemühens, mit fortschrittlichen Neuerungen mitzuhalten, kamen weiterhin traditionelle Handwerkstechniken zum Einsatz. Ab 1884 wurde die Kegellade gebaut, ab 1912 die pneumatische Traktur.[2] In seiner Frühzeit ist noch die klassisch gewordene Prospektgestaltung mit einem runden Mittelturm, seitlichen Spitztürmen und dazwischenliegenden Flachfeldern anzutreffen. Danach ist für seine Werke der flache Verbundprospekt charakteristisch, in dem die Pfeifentürme nicht mehr hervortreten, wie es zuvor jahrhundertelange Tradition war. Zudem weist der Prospekt eine klare geometrische Gestaltung aufweist:[3] Durch den Wechsel von ein- und zweigeschossigen Pfeifenfeldern entsteht eine rechteckige Fläche.[4] Bernhards frühe Werke sind vom Zopfstil, spätere weitgehend vom Stil des Klassizismus geprägt. Klanglich greifen sie noch stark auf das 18. Jahrhundert zurück[5] und verwenden gerne Octave 1′ und Zimbel. Selbst bei kleinen Dorforgeln ist ein selbstständiges Pedal mit einem oder zwei Registern die Regel.

Werkliste

Kursivschreibung gibt an, dass die Orgel nicht oder nur noch das historische Gehäuse erhalten ist. In der fünften Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal. Die arabische Zahl gibt die Anzahl der klingenden Register an. Die letzte Spalte bietet Angaben zum Erhaltungszustand oder zu Besonderheiten.

Jahr Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1808 Engelrod Ev. Kirche I/P 17 1859 durch Neubau von Förster ersetzt[2]
1808 Ober-Ohmen Ev. Kirche II/P 23 Im Zopfstil; 1855 Umbau durch Wilhelm Bernhard
1808 Köddingen Ev. Kirche I/P 13 Verschiedene Umbauten
1809 Elpenrod Ev. Kirche I/p 8 Manualregister erhalten; nach 1945 Ergänzung durch Schmidt (Gelnhausen) um einen Subbaß 16′ im Pedal
1813 Erbenhausen Ev. Kirche I/P 10 Gehäuse im Zopfstil; 1952 durch Förster & Nicolaus verändert; zum großen Teil erhalten
1815 Blofeld (Reichelsheim) Ev. Kirche I/P 9 1890 durch Neubau von August Förster ersetzt
1817 Ober-Mockstadt Ev. Kirche I/P 13 Ausmaß des Umbaus 1884 durch Johann Georg Förster ungeklärt
1819 Storndorf Ev. Kirche 1956 durch Neubau von Walcker ersetzt
1820 Wahlen (Kirtorf) Ev. Kirche I/P 12 Weitgehend erhalten
1821/22 Borsdorf (Nidda) Ev. Kirche I/P 9 Umbauten 1960 durch Förster & Nicolaus und 1978 durch Werner Bosch; Großteil der Register erhalten
1822 Kelsterbach Ev. Kirche II/P 22 Nur Gehäuse mit originalen Prospektpfeifen erhalten
1823 Wetterfeld Ev. Kirche I/P 12 Mehrfach verändert
1825 Pfungstadt Ev. Kirche II/P 26 15 Register von Bernhard erhalten; 1921/54/81/94 Veränderungen durch Förster & Nicolaus Orgelbau
um 1825 Dortelweil Ev. Kirche I/P 11 Bernhard zugeschrieben;[2] Großteil der Register erhalten erhalten
1828 Rodheim-Bieber Ev. Kirche I/P 11 Erhalten
1829 Oppershofen Ev. Kirche II/P 23 1912 durch Orgel von Körfer ersetzt
1830 Holzheim Ev. Kirche I/P 11 Nur Gehäuse erhalten; Neubau durch Förster & Nicolaus (1968; II/P/22)
1830/31 Nieder-Bessingen Ev. Kirche I/P 10 1957/58 durch Neubau von Förster & Nicolaus hinter hist. Prospekt ersetzt
1831 Wißmar Ev. Kirche I/P 17 1967 durch Neubau von G. Hardt ersetzt
1833 Ober-Bessingen Ev. Kirche I/P 11 Weitgehend erhalten
1834 Feldkrücken Ev. Kirche I/P 8 Im Zustand nach Umbau von 1901 durch August Förster erhalten
1834 Steindorf (Wetzlar) Ev. Kirche I/P 9 Erhalten
1837 Gleimenhain Ev. Kirche I/P 9 Klassizistischer Prospekt; Orgel weitgehend erhalten
1839 Dorf Güll Ev. Kirche I/P 8 Erhalten; gegenüber dem Vertrag (I/P/9) verkleinert oder später umgebaut
1839 Ober-Hörgern Ev. Kirche I/P 13 Nahezu unverändert erhalten; 1971 auf freien Schleifen Manual-Trompete 8′ und Pedal-Choralbass 4′ von Förster & Nicolaus Orgelbau ergänzt
1839 Heimertshausen Ev. Kirche I/P 8 Erhalten

Literatur

  • Hans Martin Balz, Reinhardt Menger: Alte Orgeln in Hessen und Nassau. 2. Auflage. Merseburger, Kassel 1997, ISBN 3-87537-169-0 (Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde 72).
  • Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 1: Mainz und Vororte - Rheinhessen - Worms und Vororte. Schott, Mainz 1967, ISBN 978-3-7957-1306-5 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 6).
  • Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 1 (A–K), Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1307-2 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 7,1).
  • Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 2: Das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Wiesbaden. Teil 2 (L–Z), Schott, Mainz 1975, ISBN 3-7957-1370-6 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 7,2).
  • Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1 (A–L), Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,1).
  • Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2 (M–Z), Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,2).
  • Dieter Großmann: Orgeln und Orgelbauer in Hessen. 2. Auflage. Trautvetter & Fischer, Marburg 1998, ISBN 3-87822-109-6 (Beiträge zur hessischen Geschichte 12).
  • Eckhard Trinkaus: Orgeln und Orgelbauer im früheren Kreis Ziegenhain (Hessen). Elwert, Marburg 1981, ISBN 3-7708-0713-8 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 43).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Franz Bösken: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 1: Mainz und Vororte - Rheinhessen - Worms und Vororte. Schott, Mainz 1967, ISBN 978-3-7957-1306-5, S. 35 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 6).
  2. a b c d e f Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 1 (A–L), Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1330-7, S. 18 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,1).
  3. Eckhard Trinkaus: Orgeln und Orgelbauer im früheren Kreis Ziegenhain (Hessen). Elwert, Marburg 1981, ISBN 3-7708-0713-8, S. 243f (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 43).
  4. Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2 (M–Z), Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5, S. 712f (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,2).
  5. Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins. Bd. 3: Ehemalige Provinz Oberhessen. Teil 2 (M–Z), Schott, Mainz 1988, ISBN 3-7957-1331-5, S. 734 (Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 29,2).

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