Schloss Gnadenthal

Schloss Gnadenthal
Gartenfassade des Herrenhauses

Das Schloss Gnadenthal ist eine klassizistische Schlossanlage im Klever Stadtteil Donsbrüggen, etwa drei Kilometer nordwestlich der Innenstadt von Kleve. Im Natur- und Landschaftsschutzgebiet der Düffel gelegen, steht die Schlossanlage als Baudenkmal unter Denkmalschutz.[1]

An der Stelle des heutigen Schlosses stand im Mittelalter ein Gutshof, der im 15. sowie 16. Jahrhundert durch Augustiner-Chorherren als Kloster genutzt und im Achtzigjährigen Krieg zerstört wurde. Johann Moritz von Blaspiel ließ zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf dem einstigen Klostergrund ein barockes Schloss mit Gartenanlage errichten, das am Anfang des 19. Jahrhunderts von der Familie von Hoevell zu Westerflier im Stil des Klassizismus verändert wurde. Bei der damit einhergehenden Umgestaltung des Schlossgartens wurden die darin befindlichen Skulpturen entfernt, weil sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen. Sechs dieser wertvollen Plastiken wurden in den 1950er Jahren durch Zufall in einer Grube wiederentdeckt.

Seit den 1980er Jahren dient die Anlage mit dem sie umgebenden englischen Landschaftsgarten als Tagungs- und Bildungsstätte und befindet sich seit 2008 im Besitz der Stiftung Geldersch Landschap en Geldersche Kasteelen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Blick zum Herrenhaus über den Spiegelteich
Die Orangerie

Die Schlossanlage besteht aus einem Herrenhaus im Stil des Klassizismus und einigen Nebengebäuden die nördlich davon stehen. Die Gebäude werden von einem Grabensystem umschlossen und liegen inmitten eines Landschaftsparks. Eine rund 420 Meter[3] lange Kastanienallee führt an der Ostseite zu einem schmiedeeisernen Tor mit vasenbekrönten Pfeilern, das aus der Zeit um 1830 stammt[4].

Herrenhaus

Das schmucklose Herrenhaus ist ein langgestrecktes, zweigeschossiges Gebäude, das von einem Walmdach mit Dachgauben abgeschlossen wird. Der Backsteinbau ist verputzt und mit einer hellgelben Farbe gestrichen, die sich gut vom dunklen Grün der Fensterläden abhebt. Die südliche, zum Garten gewandte Fassade ist durch Fenster in 15 Achsen unterteilt und besitzt an den Enden pavillonartige Eckrisalite. Ihr bestimmendes Element ist ein dreiachsiger Mittelrisalit mit einem Balkon, der auf vier Säulen toskanischer Ordnung ruht. Ein durchfenstertes Attikageschoss bildet seinen oberen Abschluss. Das Aussehen des Mittelrisalits beruht auf Umbauten aus der Zeit um 1830, bei denen er auch die gusseiserne Unterteilung seiner drei Oberlichter im Erdgeschoss erhielt. Im Inneren sind aus der gleichen Zeit einige Stuckdecken und Kaminaufbauten erhalten.[5]

Nebengebäude und Schlosspark

Nördlich des Herrenhauses stehen im rechten Winkel zu diesem zwei niedrige Wirtschaftsgebäude. Östlich davon befindet sich die sogenannte Orangerie, ein zweigeschossiges Haus aus dem 18. Jahrhundert.[4] Seine Backsteinfassade mit dem zinnenbekrönten Mittelrisalit und großen Rundbogenblenden stammt allerdings von späteren Veränderungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts und entstand nach einem Entwurf von Ernst Friedrich Zwirner.[5]

Der fünf Hektar[6] große Schlossparks im Stil eines Landschaftsgartens umfasst neben großen Waldflächen auch noch einige Überreste des heutzutage verschwundenen Barockgartens. Dazu zählen neben einem Spiegelweiher südlich des Herrenhauses auch die weitläufigen Wassergräben, die das Schlossareal durchziehen, und sechs barocke Gartenplastiken, die heute bei der Orangerie aufgestellt sind. Die Skulpturen antiker Naturgottheiten wurden 1956[7] in einer Grube gefunden und stammen ursprünglich aus dem barocken Schlossgarten des 18. Jahrhunderts.

Geschichte

Erst Gutshof, dann Kloster

An der Stelle des heutigen Schlosses oder in seiner unmittelbaren Nähe stand im Mittelalter ein Gutshof, der am 28. August 1373 als Allodial namens Ganswykhof erstmals urkundlich Erwähnung fand. Dieser Hof war seitdem Eigentum kleinerer, regionaler Adelsfamilien. 1448 verkaufte Arndt von Nyel den Hof Ganswyk an Elbert van Alpen, Herrn von Hönnepel. Dieser wiederum tauschte den Besitz am Lambertustag, also dem 17. September, des Jahres 1452 mit dem Propst des Klever Stiftskapitels, Heinrich van Nyenhuis, gegen 53,5 holländische Morgen Land in Niel und Mehr.[8] Der Ganswykhof wurde mit Genehmigung Papst Pauls II. zu einem Kloster umgebaut, in das Augustiner-Chorherren einziehen sollten. Diese waren zuvor in Uedem beheimatet gewesen, aber aufgrund von Kriegswirren in finanzielle Nöte geraten und mussten ihr dortiges Kloster sowie das von ihnen betriebene Heiliggeisthospital aufgeben. Am 12. April 1469 übergab der Klever Propst Hermann van Braekel den Kanonikern den umgebauten Gutshof gegen eine jährliche Summe von 58 Goldgulden[8] als „schatz- und dienstfreies Eigentum“[9]. Die Augustiner-Chorherren bezogen um 1470 ihr neues Quartier und gaben ihrem Konvent den Namen „vallis gratiae“ (Tal der Gnade bzw. Gnadental), der 1481 erstmals urkundlich erwähnt wurde[10].

Während des Spanisch-niederländisches Kriegs wurde das Kloster am 4. April 1590[11] im Zuge der Kämpfe um Schenkenschanz von niederländischen Truppen erst belagert, dann geplündert und schließlich in Brand gesteckt. Die Gebäude waren anschließend verwüstet und unbewohnbar, sodass die Brüder in eine vorübergehende Bleibe in Kleve ausweichen mussten. Der Konvent kehrte nie wieder nach Gnadenthal zurück, denn er zog mit Genehmigung des Klever Herzogs Johann Wilhelm im Jahr 1603 wieder nach Uedem. Das Baumaterial der Klosterruine verkauften die Chorherren 1663 an den brandenburgischen Statthalter Johann Moritz von Nassau, der die Steine für den Umbau des Klever Schlosses nutzte[12].

Schlossneubau

Schloss Gnadenthal 1745, Kupferstich von Hendrik Spilman
Lithografie des Schlosses in den 1860er Jahren

Am 24. November 1670 wechselte Gnadenthal den Besitzer: Die Augustiner-Chorherren tauschten das Anwesen mit dem Freiherrn Werner Wilhelm von Blaspiel (auch Blaespeil und Blaespeyl) gegen drei Bauernhöfe in Uedem. Blaspiel war herzoglicher Rat sowie Botschafter des Großen Kurfürsten, und wahrscheinlich plante er, auf dem Gnadenthaler Grund und Boden ein Schloss als repräsentativen Landsitz zu errichten,[7] aber erst sein Sohn Johann Moritz, preußischer Minister und Patenkind des Johann Moritz von Nassau, verwirklichte die Baupläne. Er baute auf den Grundmauern des einstigen Klosters[13] ein Barockschloss samt weitläufigem französischen Garten. Die Arbeiten dazu waren wahrscheinlich 1704 beendet, zumindest trug der Rahmen des früher im Schloss installierten Glockenspiels diese Jahreszahl.[7] Zeitgenossen rühmten Gnadenthal nach seiner Fertigstellung als einen der schönsten Adelssitze am Niederrhein.[14] Nach dem Tod Johann Moritz’ im Jahr 1723 war das Schloss vorübergehend unbewohnt, denn die Witwe Dorothea Henriette, geborene van Hoft, ging an den Potsdamer Hof, wo sie 1745 Oberhofmeisterin der Prinzessin Amalie von Preußen wurde. Anstatt ihrer bewohnte der Kaufmann und Bankier Thomas Franciscus von Cloots das Anwesen ab dem 6. Dezember 1747 zur Miete. Dorothea Henriettes Erben verkauften ihm das Schloss am 11. September 1748[8] samt den dazugehörigen Gütern für 35.000 holländische Gulden.[15] Die finanzielle Grundlage für den Erwerb bildete das ererbte Vermögen seines Großonkels Johannes Baptista Cloots, der 1747 verstorben war. Unter den acht Kindern Thomas Franciscus’, die alle auf Schloss Gnadenthal zur Welt kamen, war auch sein Sohn Johann Baptist Hermann Maria, der unter dem Namen Anacharsis Cloots während der Französischen Revolution in Paris von sich reden machte und schließlich unter der Guillotine starb.

Eine Enkelin Thomas Franciscus’, Clara Francisca Cornelia Maria, heiratete am 11. Juni 1806 den Baron Arnold Johannes Antonius von Hoevell zu Westerflier und Wezeveld und brachte das Schloss damit an diese Familie. Der neue Eigentümer ließ das Herrenhaus gemäß dem Zeitgeschmack im klassizistischen Stil umgestalten und gab dem Gebäude damit im Wesentlichen sein heutiges Aussehen. Auf ihn ist auch der englische Landschaftsgarten zurückzuführen, den er anstelle des symmetrischen Barockgartens anlegen ließ.

Seit dem 20. Jahrhundert

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Schloss durch Artilleriebeschuss beschädigt. Auch die Belegung des Gebäudes zuerst mit Soldaten der deutschen Wehrmacht und anschließend mit kanadischem Militär tat der Bausubstanz nicht gut. Nachdem alliierte Truppen das Klever Land Ende Februar/Anfang März 1945 besetzt hatten, plünderten zudem britische Soldaten das Anwesen, sodass die Familie von Hoevell bei ihrer Rückkehr im Juni 1945 ein leeres Schloss vorfand.

Ab 1946 betrieben Franziskusschwestern in einer Hälfte des Herrenhauses ein Altenheim. Ab Mai 1947 wurde das komplette Anwesen als Seniorenheim der Stadt Kleve bewirtschaftet. Für die Nutzung wurden tiefgreifende Änderungen im Inneren – vor allem bei der Raumdisposition –, aber auch am Äußeren des Hauptgebäudes vorgenommen. Zum Beispiel stammen die heutigen Dachgauben des Herrenhauses von der Anpassung an die moderne Nutzung. Mit der Fertigstellung des Franziskusheims in der Klever Spyckstraße endete 1977 diese Art der Schlossnutzung. Der drohende Leerstand und damit einhergehender Verfall konnten dadurch verhindert werden, dass Angehörige der amerikanischen Luftwaffe für die nächsten vier Jahre im Herrenhaus Quartier bezogen.

Seit Frühjahr 1981 dient das Schloss als Tagungs- und Seminarhotel, das seit 1987 von der zum Paritätischen Wohlfahrtsverband gehörenden Gesellschaft Bildung und Leben betrieben wird. 2008 wechselte die Schlossanlage zum bisher letzten Male den Eigentümer: Die Familie von Hoevell schenkte das Anwesen der Stiftung Geldersch Landschap en Geldersche Kasteelen, bewohnt aber weiterhin die Orangerie.

Literatur

  • Paul Clemen (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler des Kreises Kleve. L. Schwann, Düsseldorf 1892 (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Band 1, Abt. 4), S. 23–25 (online).
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen. Band 1: Rheinland. Deutscher Kunstverlag, München 1967, S. 116–117.
  • Alexander Duncker: Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie nebst den Königlichen Familien-, Haus-Fideicommiss- und Schatull-Gütern. Band 9. Berlin 1866/67 (PDF; 212 KB).
  • Hans-Peter Hilger: Kreis Kleve. Rheinland-Verlag, Düsseldorf 1967, (Die Denkmäler des Rheinlandes. Band 6, Teil 4), S. 44–47.
  • Gregor Spohr: Wie schön, hier zu verträumen. Schlösser am Niederrhein. Peter Pomp, Bottrop, Essen 2001, ISBN 3-89355-228-6, S. 82–85.
  • Walther Zimmermann (Hrsg.), Friedrich von Klocke (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Band 3: Nordrhein-Westfalen. Kröner, Stuttgart 1963, S. 227.

Weblinks

 Commons: Schloss Gnadenthal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Liste der Baudenkmäler in der Stadt Kleve – Teil A, Zugriff am 23. April 2011.
  2. Andreas Daams: Ein Schloss in guten Händen. In: Der Westen. Ausgabe vom 20. August 2008 (online).
  3. Angabe gemäß der online verfügbaren Katasterkarte des Kreises Kleve.
  4. a b G. Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen, S. 117.
  5. a b Karl-Heinz Hohmann: Bau- und Kunstdenkmäler im Kreis Kleve. Eine kursorische Übersicht. 1. Auflage. Neusser Druckerei und Verlag, Neuss 1995, ISBN 3-88094 (formal falsche ISBN) (Rheinische Kunststätten. Heft 419 S), S. 95.
  6. Website des Schlosses, Zugriff am 23. April 2011.
  7. a b c R. Hoymann: Vallis Gratiae - Val de Grace, Zugriff am 23. April 2011.
  8. a b c A. Duncker: Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen …
  9. G. Spohr: Wie schön, hier zu verträumen, S. 82.
  10. Kurzhistorie auf der Website des Schlosses, Zugriff am 23. April 2011. Manche Publikationen nennen dieses Jahr als Einzugsdatum der Chorherren.
  11. W. Zimmermann, F. von Klocke: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, S. 227.
  12. Laut Karl Emerich Krämer wurde aus den Quadern der Klosterkirche der Tempel im Klever Tiergarten erbaut. Vgl. Karl Emerich Krämer: Von Burg zu Burg am Niederrhein. Band 1, 4. Auflage. Mercator, Duisburg 1982, ISBN 3-87463-057-9, S. 64.
  13. Es ist nicht vollends gesichert, ob der Schlossbau tatsächlich auf den Fundamenten des Klosterbaus errichtet wurde oder ob er in direkter Nähe zum einstigen Standort erfolgte.
  14. Johan Henrich Schütte: Amusemens des Eaux de Cleve oder Vergnügungen und Ergötzlichkeiten bei den Wassern zu Cleve. Meyer, Lemgo 1748, S. 183.
  15. Städtisches Museum Haus Koekkoek (Hrsg.): Der Niederrhein. Zeichnungen, Druckgraphik und Bücher aus der Sammlung Robert Angerhausen. Boss, Kleve 1993, ISBN 3-89413-334-1, S. 11.
51.8062597858336.1076366902778

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