Eiserner Vorhang (Politik)

Eiserner Vorhang (Politik)
Europa zur Zeit des Eisernen Vorhangs.
Symbol des Eisernen Vorhangs: Die Berliner Mauer
Grenzbefestigung zwischen der Tsche­cho­slowakei (Čížov) und Österreich (Hardegg)

Als „Eiserner Vorhang“ wird in Politik und Zeitgeschichte eine sowohl ideologisch wie tatsächlich „unüberwindbare“ Grenze nach ihrem Vorbild aus dem Theaterbau beschrieben.

Insbesondere bezieht sich der Begriff auf die Grenze zwischen den marktwirtschaftlich und größtenteils demokratisch orientierten Staaten des Westens (teilweise angeführt durch die USA) und den planwirtschaftlich gelenkten, von kommunistischen Diktaturen regierten Staaten Osteuropas (teilweise unter Vorherrschaft der UdSSR) während des Kalten Krieges.

Aus engerer deutscher Sicht bezieht er sich auf den als Innerdeutsche Grenze bezeichneten Teil dieser Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung des Begriffs

Die Bezeichnung wurde von Joseph Goebbels am 23. Februar 1945 als Reaktion auf die Ergebnisse der Krimkonferenz[1] in der Zeitschrift Das Reich (übernommen von der Times) in Anspielung auf den eisernen Vorhang im Theater geprägt: bei einer deutschen Kapitulation würde sich vor dem von der UdSSR besetzten Territorium „sofort ein eiserner Vorhang heruntersenken“, „hinter dem dann die Massenabschlachtung der Völker“ begänne.

Winston Churchill hat den Ausdruck dann als Bezeichnung für die Abschottung des Ostblocks gegen den Westen übernommen: Nachdem er diesen Begriff erstmals am 12. Mai 1945 in einem Telegramm an US-Präsident Truman verwendete, formulierte er am 5. März 1946 in Fulton, Missouri:

From Stettin in the Baltic to Trieste in the Adriatic an Iron Curtain has descended across the Continent. Behind that line lie all the capitals of the ancient states of Central and Eastern Europe. Warsaw, Berlin, Prague, Vienna, Budapest, Belgrade, Bucharest and Sofia; all these famous cities and the populations around them lie in what I must call the Soviet sphere, and all are subject, in one form or another, not only to Soviet influence but to a very high and in some cases increasing measure of control from Moscow.

Von Stettin an der Ostsee bis Triest am Mittelmeer hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt. Dahinter liegen all die Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas. Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Diese berühmten Städte und die Bevölkerung ringsum liegen alle im sowjetischen Wirkungskreis, so muss ich es nennen, und unterliegen, auf die eine oder andere Weise, nicht bloß sowjetischem Einfluss, sondern zu einem sehr hohen und in einigen Fällen zunehmendem Maße der Lenkung durch Moskau.

The Sinews of Peace[2]

In ähnlicher Weise hatte bereits am 5. Juli 1945 Konrad Adenauer den Begriff in einem Brief verwendet:

Ich sehe die Entwicklung mit [steigender] Sorge. Rußland läßt einen eisernen Vorhang herunter. Ich glaube nicht, daß es sich bei der Verwaltung der Hälfte Deutschlands, die ihm überantwortet ist, von der Zentralen Kontrollkommission irgendwie beeinflussen lassen wird.

Konrad Adenauer: Brief an Hans Rörig (Bern)[3]

Weder Goebbels oder Churchill noch Adenauer war jedoch der Schöpfer dieser Metapher. Der Begriff wurde 1918 vom russischen Autor Wassilij Rosanow benutzt, um die Isolation der Sowjetunion vom Rest Europas zu beschreiben. Rosanow schrieb in seinem Buch Die Apokalypse unserer Zeit:

Unter Rasseln, Knarren und Kreischen senkt sich ein eiserner Vorhang auf die russische Geschichte […] herab. Die Vorstellung geht zu Ende.

Wassilij Rosanow: Die Apokalypse unserer Zeit

Im englischen Schriftgut wurde der Begriff in diesem Zusammenhang erstmals von Ethel Snowden im Jahre 1920 in ihrer Publikation „Through Bolshevik Russia“ (New York und London) verwendet:

We were behind the 'iron curtain' at least.

Ethel Snowden: Through Bolshevik Russia[4]

Verlauf

Militärische Verträge
Wirtschaftliche Verträge

Wenn auch der Eiserne Vorhang Deutschland wegen der Teilung besonders traf, zählten nicht nur die Berliner Mauer (13. August 1961 – 9. November 1989), die Innerdeutsche Grenze und die Grenzbefestigungen der ČSSR zur Bundesrepublik Deutschland dazu. Er zog sich vielmehr durch ganz Europa von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer. Die Bering- und La-Pérouse-Straße als Seegrenzen der UdSSR zur USA (Alaska) bzw. zu Japan waren meist nicht inbegriffen, obwohl sie de facto zur Blockgrenze gehörten. Jugoslawien war nach dem sog. Tito-Stalin-Bruch am 28. Juni 1948 kein Ostblockstaat mehr und gründete später u. a. mit Ägypten, Indien und Indonesien die Bewegung der Blockfreien Staaten. Bis 1955 bestand auch in Österreich die Gefahr einer solchen Trennung quer durch das Land.

Teilstücke

weitere Befestigungen gab es zwischen:

  • Ungarn und Jugoslawien
  • Rumänien und Jugoslawien
  • Bulgarien und der Türkei
  • Ungarn und Österreich
  • Tschechoslowakei und Österreich


Die Grenzbefestigungen wurden die im Laufe der Zeit immer weiter und effizienter ausgebaut. Trotzdem versuchten zahlreiche Menschen die Flucht in den Westen, was wegen Minenfeldern, Hundelauf-Anlagen, Schießbefehlen und zeitweise Selbstschussanlagen mit Lebensgefahr verbunden war. Wer bei dem Versuch scheiterte, wurde z. B. in der DDR wegen „Republikflucht“ zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Viele hundert Menschen wurden bei Fluchtversuchen getötet. Valide Zahlen zu gelungenen und gescheiterten Fluchten existieren bis heute nicht.

Auswirkungen

Metallzaun, wie er an der inner­deut­schen Grenze ver­baut war

Der Begriff Eiserner Vorhang beschreibt nicht nur die realen Grenzbefestigungen, sondern im übertragenen Sinn auch die Politik der Abgrenzung. Diese Politik wurde, im Gegensatz zu den Befestigungsanlagen, die nur von den entsprechenden Ostblockstaaten errichtet wurden , auch vom Westen in den Nachkriegsjahren auf den unterschiedlichsten Feldern betrieben. Er war somit nicht nur physisch existent, sondern ebenfalls in der Politik, bei der UNO, in den Medien, im Sport und in der Wirtschaft präsent und fand seine Verlängerung bis in die Länder der Dritten Welt, wo zahlreiche Stellvertreterkriege zwischen Ost und West ausgetragen wurden.

Der Eiserne Vorhang hinterließ in allen angrenzenden Ländern seine Spuren. Viele nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Staaten diesseits und jenseits des Vorhangs verschwanden im Laufe der Jahrzehnte. Besonders im wirtschaftlichen Bereich war diese Grenze eine tote Grenze, sodass dort bestehende Betriebe abwanderten (vgl. Zonenrandgebiet). Infolgedessen wanderten viele Bewohner aus diesen Gegenden ab. Auch die Sprachbarrieren wurden größer, da kaum jemand in den westlichen Ländern die Sprache des unmittelbaren, aber nicht erreichbaren Nachbarlandes lernte. Auf östlicher Seite wurden oft kilometerbreite Sperrzonen errichtet und vom Militär in Beschlag genommen, nachdem die Bewohner, oft auch unfreiwillig, umgesiedelt worden waren (z. B. Aktion Ungeziefer).

Versuche zur Überwindung

Nach der Abkühlung im Verhältnis der westlichen und der östlichen Weltmacht bis zum Beginn des Kalten Krieges gab es u. a. von christlichen Kreisen Bestrebungen zur Überwindung des Eisernen Vorhangs. So sagte bei der I. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 in Amsterdam der tschechische Theologe Josef Hromádka:

Kein Vorhang, sei er aus Gold, Silber oder Eisen, darf uns voneinander trennen: alle nationalen und klassenmäßigen Vorurteile müssen ausgelöscht werden […].

Josef Hromádka[5]

Österreich konnte auf Grund seiner dem Staatsvertrag folgenden Neutralität, wenn auch nicht auf politischer, so doch auf kultureller Ebene den Eisernen Vorhang in Richtung seiner nördlichen und östlichen Nachbarn etwas aufweichen. So konnten Österreicher wesentlich früher als die übrigen Westeuropäer ohne Visum nach Ungarn einreisen. Umgekehrt durften jedoch keine Ungarn nach Österreich ausreisen.

Reisefreiheit

Reisen für DDR-Bürger unter 65 Jahren ins sog. nichtsozialistische Ausland waren nach 1961 nur auf Antrag, nur bei bestimmten Anlässen und meist nur dann möglich, wenn eine Rückkehr in die DDR wahrscheinlich war (z. B. zurückgelassene Kinder oder Ehepartner, keine „Westverwandtschaft“). Ab 1964 durften alle Rentner einmal im Jahr Besuchsreisen zu Westverwandten machen, später gab es weitere Reiseerleichterungen. In anderen Ostblockstaaten existierten ähnliche Regelungen. Es gab auch noch restriktivere Reisebedingungen, etwa in Rumänien oder der UdSSR. Anders war die Situation in Jugoslawien als zwar sozialistischem, aber blockfreiem Staat: Für z. B. Westeuropäer war die Reise nicht komplizierter als nach Italien oder Frankreich. Jugoslawien war auch das einzige sozialistische Land, dessen Staatsbürger visafrei nach Westeuropa, Nordamerika und in andere Teile der Welt reisen konnten. Durch die westlichen Touristen, die jährlich zu Millionen an die Mittelmeerküste kamen, profitierte die Wirtschaft. Des Weiteren kamen schon in den 1960er Jahren Gastarbeiter aus Jugoslawien nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz. So genossen die Jugoslawen dank Präsident Titos (Außen-)Politik bereits damals einen westlichen Lebensstil und Reisefreiheit.

Öffnung des Eisernen Vorhangs

In Europa wurden die Grenzanlagen entlang des Eisernen Vorhangs zuerst von Ungarn ab dem 2. Mai 1989 abgebaut. Die symbolische Öffnung eines Grenztors zwischen Österreich und Ungarn beim Paneuropäischen Picknick am 19. August 1989 mit Zustimmung beider Regierungen galt als erste „offizielle“ Öffnung des Eisernen Vorhangs. Die Ungarn wollten die Grenze trotz symbolischen Abbaues des Zaunes durch verstärkte Bewachung die Bildung einer grünen Grenze verhindern. Der Druck durch die DDR-Bürger führte aber in der Folge dazu, dass in der Nacht von 10. auf den 11. September 1989 die ungarischen Behörden keine Kontrollen an der Westgrenze zu Österreich durchführten und dadurch eine Massenflucht von DDR-Bürgern, die nahe der Grenze in Lagern verharrten, nach Österreich ermöglichten. Bis zum Fall der Berliner Mauer verließen so etwa 50.000 Menschen die DDR in Richtung Bundesrepublik Deutschland.[6]

Die Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 bedeutete das endgültige Ende des Eisernen Vorhangs und damit auch die Beendigung des Kalten Krieges. Auch die Tschechoslowakei baute ihre Grenzbefestigungen noch im Dezember desselben Jahres ab.

Heute wird versucht, mit dem durch die Weltnaturschutzunion koordinierten Grünen Band Europas einen Biotopenverbund entlang der 8500 km langen ehemaligen Grenzanlagen zu schaffen.

Einzelnachweise

  1. F.A.Z., 10. Januar 2002.
  2. Churchill
  3. Konrad Adenauer: Briefe über Deutschland 1945–1955. Ausgewählt und eingeleitet von Hans Peter Mensing. Goldmann, München 1999, S.18. ISBN 3-442-75560-3
  4. Hinweis auf Ethel Snowden
  5. Heinz Kloppenburg: Von Amsterdam nach Prag. In: Evangelische Zeitstimmen. Hamburg 1964, 45/46, S.8f. ISSN 0531-4828
  6. Als die Grenze im September 1989 aufging von Andreas Oplatka abgerufen am 8. September 2010

Literatur

  • Ehtreiber, Ewald: Stichwort „Eiserner Vorhang“ in: Oswald Panagl / Peter Gerlich (Hg.): Wörterbuch der politischen Sprache in Österreich. öbv, Wien 2007.
  • Stefan Karner, Michal Stehlík (Hg.): Österreich. Tschechien. geteilt – getrennt – vereint, Beitragsband und Katalog der Niederösterreichischen Landesausstellung 2009. Schallaburg 2009. ISBN 90-08-89500923-9
  • Manfred Sapper, Volker Weichsel: Freiheit im Blick. 1989 und der Aufbruch in Europa. Berlin 2009. ISBN 978-3-8305-1604-0
  • Andreas Schmidt-Schweizer: Die Öffnung der ungarischen Westgrenze für die DDR-Bürger im Sommer 1989. Vorgeschichte, Hintergründe und Schlußfolgerungen. In: Südosteuropa-Mitteilungen. München 37.1997, 1, S. 33-53. ISSN 0340-174X
  • Dietmar Schultke: Keiner kommt durch – Die Geschichte der innerdeutschen Grenze und Berliner Mauer von 1945 bis 1990. Aufbau, Berlin 2008. ISBN 3-7466-80417

Weblinks


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