Feinwertung

Feinwertung

Die Feinwertungen für Schachturniere werden angewandt, wenn mehrere Spieler punktgleich sind und trotzdem eine Rangliste erstellt werden soll.

Inhaltsverzeichnis

Einzelwertungen

Wertung nach Sonneborn-Berger

Diese sogenannte Sonneborn-Berger-Wertung wurde für Rundenturniere („Jeder gegen jeden“) entwickelt, wenn am Ende zwei oder mehrere Spieler punktgleich sind. Sie wird heute auch in Turnieren nach Schweizer System eingesetzt. Für jeden der punktgleichen Spieler wird eine SB-Zahl wie folgt ermittelt: Der Spieler erhält die volle Punktzahl von allen Gegnern, gegen die er gewonnen hat, sowie die halbe Punktzahl von allen Gegnern, gegen die er remisiert hat. Die Summe dieser Punktzahlen ist die SB-Zahl. Der Spieler mit einer höheren SB-Zahl erhält den besseren Tabellenplatz.

Dieses Verfahren gewichtet einen Punktgewinn gegen einen Gegner, der hoch in der Tabelle steht, höher als gegen einen Gegner, der weiter unten steht, während es umgekehrt eine Niederlage gegen einen schwachen Gegner nicht stärker ankreidet als eine Niederlage gegen einen starken. Bei Punktgleichheit wird also derjenige Spieler höher bewertet, der öfter gegen starke Gegner gewonnen oder wenigstens Remis erzielt hat, dafür aber die Punkte bei den schwachen hat liegen lassen, während der Spieler, der gegen die schwachen Gegner gewinnt und gegen die starken verliert, das Nachsehen hat.

Im August 1873 hat der österreichische Schachmeister Oscar Gelbfuhs dieses System entwickelt. 1882 haben William Sonneborn (*1843, † 1906) und der österreichische Meister Johann Berger das System bei einem Turnier in Liverpool erstmals ausprobiert und 1886 in die Praxis eingeführt.

Beispiel: Am Ende eines Rundenturniers ergebe sich folgende Kreuztabelle (1 = Sieg, ½ = Remis, 0 = Verlust):

               A  B  C  D  E  F  G   Punkte

   Spieler A   -  ½  ½  1  1  1  1     5
           B   ½  -  ½  ½  1  1  1     4½
           C   ½  ½  -  ½  ½  1  1     4
           D   0  ½  ½  -  1  1  1     4 
           E   0  0  ½  0  -  1  1     2½
           F   0  0  0  0  0  -  1     1
           G   0  0  0  0  0  0  -     0
           

Spieler C und D sind punktgleich mit 4 Punkten. Hier muss die SB-Wertung entscheiden.

Spieler C erhält folgende SB-Punkte:

   Remis   gegen A:   2½ Punkte  (Hälfte von 5 Punkten von A)
   Remis   gegen B:   2¼ Punkte
   Remis   gegen D:   2  Punkte
   Remis   gegen E:   1¼ Punkte
   Sieg    gegen F:   1  Punkt   (alle Punkte von F)
   Sieg    gegen G:   0  Punkte                           Summe = SB-Zahl = 9

Spieler D erhält folgende SB-Punkte:

   Verlust gegen A:   0  Punkte
   Remis   gegen B:   2¼ Punkte
   Remis   gegen C:   2  Punkte
   Sieg    gegen E:   2½ Punkte
   Sieg    gegen F:   1  Punkt
   Sieg    gegen G:   0  Punkte                           Summe = SB-Zahl = 7¾

Somit hat C die höhere SB-Zahl und steht daher in der Tabelle vor D.

Im Beispiel sind die Siege gegen G im SB-Sinne wertlos, weil G nur 0 Punkte hat. Dagegen bringt das Remis von C gegen den Tabellenersten A einen hohen SB-Zuwachs.

Buchholz-Wertung

Die Buchholz-Wertung (BH) - erfunden 1932 von dem Magdeburger Bruno Buchholz - ähnelt der Wertung nach Sonneborn-Berger und wird bei Turnieren nach dem Schweizer System angewandt. Die Buchholz-Zahl errechnet sich durch Addition der Punkte aller Gegner, gegen die gespielt wurde - unabhängig vom Ergebnis der Spiele. Der Spieler mit der höheren Buchholz-Zahl ist besser platziert als der punktegleiche Spieler mit der niedrigeren, weil er ja in diesem Turnier gegen stärkere Gegner gespielt hat.

Bringt auch diese Wertung keine Entscheidung, kann eine Verfeinerte Buchholz-Wertung durch Addition der Buchholz-Punkte aller Spieler, gegen die gespielt wurde, ermittelt werden. Weil diese Verfeinerte Buchholzzahl auf dieselbe Datenbasis wie die Buchholzzahl rekuriert, gleichen sich die Ergebnisse beider Wertungen unbefriedigend stark an, so dass man inzwischen zumeist als zweite Wertung die Sonneborn-Berger-Wertung heranzieht, die ursprünglich nur in Rundenturnieren eingesetzt wurde.

In der Gemittelten Buchholzwertung bleiben die Ergebnisse des besten und des schwächsten Gegners in der Wertung unberücksichtigt.

Üblicher ist es zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten, etwa bei der Auslosung der ersten Runde oder durch Rücktritte, mit ein oder zwei Streich-Ergebnissen zu arbeiten, bei denen die Punkte der zwei am schlechtesten abgeschnittenen Gegner in der Wertung unberücksichtigt bleiben.

In Rundenturnieren, bei denen jeder gegen jeden spielt, ist die Buchholz-Zahl belanglos, da in diesem Fall alle Spieler mit der gleichen Punktzahl ebenfalls die gleiche Buchholz-Zahl aufweisen würden. In diesen Fällen benutzt man die Wertung nach Sonneborn-Berger (siehe oben).

Die Buchholz-Wertung wird auch bei Pétanque-Turnieren angewandt.

Fortschrittswertung

Die Fortschrittswertung wird auch bei Turnieren nach dem Schweizer System angewandt, allerdings vornehmlich bei größeren Open-Turnieren. Für diese Wertung bekommt man nach jeder Runde seine bis dahin erzielten Punkte als Feinwertung gutgeschrieben. Siege oder Unentschieden in frühen Runden eines Turniers werden damit stärker gewertet als in den letzten Runden. Es soll damit erreicht werden, dass ein Spieler, der lange in der Spitzengruppe mitgespielt hat, also schon recht früh in einem Turnier Punkte geholt hat, in den letzten Runden nicht noch von jemandem überholt wird, der nur weiter hinten gespielt hat gegen vermutlich schwächere Gegner.

Diese Wertung hat aber auch etliche Schwächen, da zum Beispiel kampflose Siege oder ein Freilos genauso hoch bewertet werden wie ein richtiger Sieg. Auch ist nicht gesagt, dass Spieler, die am Ende eines Turniers die gleiche Punktzahl aufweisen, z. B. in der Eröffnungsrunde gleich starke Gegner gehabt haben. Deswegen wird die Fortschrittswertung bevorzugt bei Turnieren mit gesetzter Rangliste eingesetzt, bei denen weitgehende Vergleichbarkeit der nominellen Gegnerstärken herrscht.

Wenn allerdings von einer großen Zahl von Spielern ausgegangen wird, erfüllt diese Wertung durchaus ihren Sinn.

Spieler A und Spieler B haben beide in etwa eine gleiche Elo-Zahl, sie spielen beide in der 1 Runde gegen nominell stärkere Gegner, weil sie in der unteren Hälfte der Auslosung sind. Spieler A spielt Remis und B verliert. In Runde 2 spielt Spieler A wieder gegen einen nominell stärkeren Gegner, B hingegen ist jetzt in der oberen Hälfte derer, die 0 Punkte haben, und bekommt demzufolge einen schwächeren Gegner. A spielt erneut Remis und B gewinnt. Beide haben jetzt 1 Punkt. A hat aber schon 1 1/2 Fortschritt im Gegensatz zu B der nur 1 Fortschrittspunkt hat. A wird dafür belohnt, dass er seine Punkte früher geholt hat.

Koya-System

Das Koya-System wird bei Rundenturnieren angewandt. Als Feinwertung wird die Anzahl der Punkte herangezogen, die gegen Gegner erzielt wurden, welche im Turnier 50 Prozent oder mehr der erreichbaren Punkte erzielt haben. Es benachteiligt somit Spieler, die sich lediglich auf Siege gegen die schwächeren Teilnehmer beschränken.

Wertung nach Performance

Eine Feinwertung nach Performance wird gelegentlich bei Turnieren nach dem Schweizer System angewandt, allerdings vornehmlich bei kleineren und hochklassigen Turnieren, auf denen alle Teilnehmer eine einheitliche und aussagekräftige Wertungszahl – etwa eine ELO-Zahl – besitzen.

Bei dieser Wertung wird für jeden Spieler der Durchschnitt (oder gleichbedeutend die Summe) aller vor dem Turnier feststehenden und bekannten Wertungszahlen seiner Gegner herangezogen. Der Spieler, dessen Gegner einen höhere durchschnittliche Wertungszahl besitzen, hat eine höhere Performance und damit eine bessere Leistung im Turnier erzielt.

Diese Art der Feinwertung hat verschiedene Vorteile gegenüber Buchholz-System oder Fortschrittswertung. Zum einen ist sie unabhängig von der Reihenfolge, in der man auf die Gegner trifft. Zum anderen steht die Feinwertung auch bereits mit der Auslosung der Paarungen der Schlussrunde fest, so dass diese Feinwertung nicht von zufälligen oder manipulierbaren Resultaten der Schlussrunde abhängt und den Spielern bereits während der Schlussrunde bekannt ist.

Die Wertung nach Performance wird etwa seit einigen Jahren bei den Deutschen Meisterschaften verwendet, wo praktisch stets alle qualifizierten Teilnehmer über eine aussagekräftige ELO-Zahl verfügen: „Bei Punktgleichheit entscheidet über die Platzierung die Summe der ELO-Zahlen der Gegner, ersatzweise deren DWZ, bei erneuter Gleichheit die FIDE-Buchholz-Wertung.“ (Ausschreibung zur Deutschen Meisterschaft 2007)

Mannschaftswertungen

Berliner Wertung

Die Berliner Wertung wird bei Bedarf bei Mannschaftskämpfen angewandt. Endet ein Mannschaftskampf remis und soll aber gleichzeitig doch eine Entscheidung herbeigeführt werden, dann wendet man oft die Berliner Wertung an − wieder analog der Tordifferenz beim Fußball.

Für einen Gewinn am letzten Brett erhält die Mannschaft einen Punkt. Am vorletzten zwei Punkte usw. Am ersten Brett erhält der Sieger so viele Punkte wie es Bretter gibt. Bei remis bekommen beide Mannschaften jeweils die Hälfte der am Brett zu vergebenden Punkte.

Im Falle eines Unentschiedens des Mannschaftskampfes gewinnt dann die Mannschaft, die mehr Punkte in der Berliner Wertung erreicht, die Begegnung.

Die Farbverteilung an den Brettern wird in der Regel so vorgenommen, dass auch die Berliner Wertung keine Entscheidung erbringen kann, wenn alle Weiß-Spieler (bzw. alle Schwarz-Spieler) ihre Partien gewinnen. Die Spieler einer Mannschaft haben deshalb an den Brettern 1,4 ( und ggf. 5,8) gleiche Farbe.

Als Beispiel spiele Mannschaft M1 gegen Mannschaft M2. Die Einzelergebnisse sehen so aus:

                    BW
 Brett 1:  remis    2:2
 Brett 2:   1:0     3:0
 Brett 3:   0:1     0:2
 Brett 4:  remis  0.5:0.5
          ---------------
            2:2   5.5:4.5

Der Mannschaftskampf endet also 2:2. Nach der Berliner Wertung steht es 5.5:4.5, also „gewinnt“ die Mannschaft M1.

Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung

Seit der Schacholympiade 2008 in Dresden entscheidet nicht mehr die Zahl der Brettpunkte über die bessere Platzierung, sondern zunächst die Zahl der Matchpunkte (Wertung 1). Dabei gibt es zwei Punkte für ein gegen eine gegnerische Mannschaft gewonnenes Match, einen für ein unentschiedenes und null für ein verlorenes. Bei Gleichstand der Matchpunkte entscheidet zunächst die sog. Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung[1] (Olympiad Pairing Rules[2], Abschnitt G. Tie Breaking). Hier werden die erzielten Brettpunkte jedes Matches mit der während des gesamten Turniers erzielten Matchpunktzahl des Gegners multipliziert und aufaddiert; die Matchpunkte des Gegners mit den wenigsten Matchpunkten werden jedoch nicht mitgerechnet; die allerschwächsten Teilnehmer sollten nämlich keinen Einfluss mehr auf den Turnierausgang und die Medaillen-Verteilung haben.

Interessanterweise wird die Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung als Wertung 2 deutlich vor der Wertung der insgesamt erzielten Brettpunkte (Wertung 4) angewandt. Das ist durchaus sinnvoll, denn die Spielstärke der über 100 Teams aus großen und kleinen Nationen ist extrem unterschiedlich, sodass beim bloßen Addieren der Brettpunkte diejenigen Teams im Vorteil wären, die schwache Gegner zugelost bekommen. Und da die Schacholympiade im Schweizer System ausgetragen wird, können vor allem zu Beginn des Turnieres auch starke Teams, die um die Goldmedaille kämpfen, auf extrem schwache Gegner treffen.

Während die gewöhnliche, bei Nicht-Mannschaftsturnieren angewandte Sonneborn-Berger-Wertung erst bei Brettpunkt-Gleichstand angewandt wird und somit nur noch die Fähigkeit, unerwartete, überraschende Ergebnisse zu liefern, misst, bietet die vor der Brettpunkt-Wertung angewandte Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung eine geschickte Kombination aus zwei Kriterien. Zum einen entspricht sie in etwa der Tordifferenz im Fußball. Für die Matchpunkte ist nämlich nicht entscheidend, ob ein Team hoch, etwa mit 3,5:0,5, oder nur knapp mit 2,5:1,5 gewinnt; beides gibt zwei Matchpunkte. Die Höhe des Sieges geht aber in die Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung ein. Zum Zweiten anerkennt die Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung, dass es schwerer ist, gegen starke Gegner zu punkten als gegen schwache. Dabei misst sie die Stärke der Gegner mit den Matchpunkten, die diese während des gesamten Turniers bereits erzielt haben und noch erzielen werden. Die Kombination dieser beiden Kriterien besagt nun - um ein Beispiel zu nennen -, dass ein 2,5:1,5-Sieg gegen einen Gegner, der im gesamten Turnier 14 Matchpunkte erzielt, genauso viel wert ist wie ein 3,5:0,5-Sieg gegen einen Gegner, der insgesamt nur 10 Matchpunkte sammelt, denn 2,5 mal 14 ergibt 35; dasselbe Ergebnis liefert 3,5 mal 10.

Olympiade-Buchholz-Wertung

Seit der Schacholympiade 2008 gilt weiter: Sollte auch nach der Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung (Wertung 2) noch Gleichstand vorliegen, entscheidet die Summe der Matchpunkte aller Gegner bis auf den mit den wenigsten Punkten (Olympiad Pairing Rules[2], Abschnitt G. Tie Breaking). Diese Wertung 3 entspricht dann einer Olympiade-Buchholz-Wertung.

Beispiel: Einen 2,5:1,5-Sieg gegen einen Gegner mit insgesamt 14 Matchpunkten bewertet die Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung genauso hoch wie einen 3,5:0,5-Sieg gegen einen Gegner mit insgesamt nur 10 Matchpunkten. Die Olympiade-Buchholz-Wertung gibt den Ausschlag zugunsten des Teams, das den stärkeren Gegner hatte: 14 gegnerische Matchpunkte statt nur 10 werden höher bewertet als die geringere Höhe des Sieges (nur 2,5 statt 3,5 Brettpunkte). Natürlich wird aber auch diese Wertung erst auf das Gesamtergebnis nach allen Runden angewandt. Die Zahl der in allen Runden erzielten Brettpunkte (Wertung 4) würde nur dann herangezogen werden, wenn auch die Olympiade-Buchholz-Wertung keine Entscheidung bringen sollte.

Einzelnachweise

  1. Endergebnisse der Schacholympiade in Dresden; am Ende ist die Rangordnung der Wertungen angegeben.
  2. a b Actual Handbook, Olympiad Pairing Rules

Siehe auch


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