Französischer Revolutionskalender

Französischer Revolutionskalender

Der Französische Revolutionskalender (auch Republikanischer Kalender) wurde infolge der Französischen Revolution von 1789 geschaffen, jedoch trat er in offizieller Form erst ab dem 22. September 1792 auf. Seit dem 15. Juli 1789, einem Tag nach Erstürmung der Bastille wurde das An I de la liberté („Jahr Eins der Freiheit“) ausgerufen, allerdings wurden die Datierungen nach diesem Kalender bisher nur inoffiziell, beispielsweise von revolutionären Zeitungen verwendet (als Beispiel: der Moniteur). Da ansonsten der gregorianische Kalender beibehalten wurde, dauerte dieses Jahr nur 5½ Monate. Der 1. Januar 1790 war der Beginn des Jahres II der Freiheit. Am 10. August 1792, mit dem Tuileriensturm, wurde das „Jahr I der Gleichheit“ ausgerufen.

Am 22. September 1792 wurde die Monarchie abgeschafft und das laufende Jahr in das „Jahr I der Republik“ umbenannt (An I de la République Française). An diesem Tag wurde per Dekret beschlossen, dass die neue, geänderte Jahreszahl von staatlichen Institutionen verwendet werden musste. Am 5. Oktober 1793 entschied der Nationalkonvent, auch die Zählung der Tage und Monate zu erneuern („2. Republikanischer Kalender“). Dieser Kalender trat am 24. November 1793 (4. Frimaire II) rückwirkend ab dem 22. September 1792 in Kraft. Der Teil des Jahres 1793 bis zum 21. September, der vorher zum Jahr II gezählt hatte, wurde dem Jahr I zugeschlagen.

In Beschreibungen der Revolution werden einzelne Monatsnamen zur Bezeichnung bestimmter Ereignisse eingesetzt, so etwa der Thermidor (das Ende der jakobinischen Schreckensherrschaft) oder der Brumaire (die Machtergreifung Napoleons).

Für Daten vor dem 22. September 1792 wurde weiterhin die Datierung des gregorianischen Kalenders verwendet. Der Französische Revolutionskalender war also nicht proleptisch, wies nicht in die Vergangenheit zurück. Der Republikanische Kalender galt bis zum 31. Dezember 1805 und kam nochmals während der linksradikalen Pariser Kommune 1871 zum Einsatz. Heute verwenden Autoren die Datierung nach diesem Kalender gelegentlich, um Büchern über die Revolution ein gewisses historisches Kolorit zu geben.

Republikanischer Kalender von 1794

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die Revolution hatte in Frankreich die Trennung von Staat und Kirche durchgesetzt, daher sollte der neue Kalender nichtchristlich sein. Den alten (gregorianischen) nannte man in revolutionären Verordnungen abschätzig ère vulgaire (E.V. statt A.D.), also gemeine Ära. Außerdem sollte das Prinzip der „Vernunft“ in der weitgehenden Anpassung an das Dezimalsystem zum Ausdruck kommen.

Der Kalender führte eine Zehntagewoche ein. Dadurch gab es nur noch alle zehn Tage einen freien Tag (und zusätzlich einige Feiertage am Jahresende im September), was den Kalender nicht beliebt machte. Die Leute wollten sich nicht jeden dritten freien (Sonn-)Tag nehmen lassen.

Napoleon I. führte 1806 den gregorianischen Kalender wieder ein. Wer in Deutschland im privaten Bereich den Revolutionskalender verwendete, tat dies aus Liebe zu den Idealen der Revolution.

Struktur

Das Jahr besaß gemäß dem Revolutionskalender 12 Monate zu 30 Tagen mit jeweils 3 Dekaden (10 Tagen). Dazu kamen fünf (in Schaltjahren sechs) Ergänzungstage.

Der Jahresbeginn war, während der gesamten Gültigkeitsdauer des Revolutionskalenders, auf den Tag der Herbst Tag-und-Nacht-Gleiche festgelegt, genauer auf Mitternacht vor dem wahren Herbstäquinoktium – bezogen auf Paris. Da dadurch zukünftige Daten ohne Himmelsbeobachtung nicht zu bestimmen waren und dies keine festen Regeln zuließ, wurden am 7. Fructidor III (24. August 1795) von einer Kommission unter Vorsitz des Mathematiklehrers Gilbert Romme Schaltjahresregeln vorgeschlagen, die sich am Gregorianischen Kalender orientierten. Romme orientierte sich dabei stark an einem Kalender, der bereits zum Jahresende 1787 erschienen war und der seinem Herausgeber Sylvain Maréchal die Haft einbrachte. Die Schalttage sollten jeweils an das Ende der durch vier teilbaren Republikanischen Jahre gelegt werden. Die gregorianische Regel der ausnahmsweise normalen Jahre sollte auf den neuen Kalender übertragen werden. Zusätzlich sollte entweder jedes 3600. oder jedes 4000. Jahr auch kein Schaltjahr sein. Dadurch hätte sich eine durchschnittliche Jahreslänge von 365 Tagen 5 Stunden 48 Minuten 48 Sekunden beziehungsweise 50,4 Sekunden (Gregorianisch: 365d 5h 49' 12") ergeben, das heißt etwa zwei bis dreieinhalb Sekunden länger als das damalige, tatsächliche tropische Jahr. Ein Vier-Jahres-Zyklus sollte Franciade genannt werden.

Das Dekret der Regulation der Schaltjahre (années sextiles) wurde nie erlassen oder umgesetzt. So waren die Jahre III, VII und XI der Republik „sextile Jahre“. Das Jahr XV war ebenfalls als Schaltjahr vorgesehen, die Abschaffung des Systems zum Jahresbeginn 1806 (11. Nivôse XVI) erledigte dies jedoch.

Am 1. August 1793 wurden mit Wirkung zum 1. Juli 1794 auch am Dezimalsystem orientierte Maß- und Währungseinheiten (Meter und Gramm, Liter, Franc) eingeführt. Das Kalendergesetz vom 4. Frimaire II (24. November 1793) sah eine dezimale Zeiteinteilung mit Beginn des Jahres III (22. September 1794) vor. Der Tag sollte in 10 Stunden (heure décimale) zu 100 Minuten (minute décimale) zu 100 Sekunden (seconde décimale) eingeteilt werden. Die Umsetzung dieses Vorhabens hätte alle vorhandenen Uhren unbrauchbar gemacht. Neue Maßstäbe und Gewichte waren einfach herzustellen, neue Uhren waren jedoch sehr teuer.

Am 18. Germinal III (7. April 1795) beschloss der Konvent, das Gesetz zur dezimalen Tageseinteilung auszusetzen; es trat nie in Kraft. Revolutionsuhren mit einem in zehn Stunden eingeteilten Zifferblatt sind noch heute auf Auktionen zu finden.

Tage

Kalenderuhr (Ende 18. Jhd.)

Die zehn Tage der Dekaden wurden durchgezählt:

  1. Primidi
  2. Duodi
  3. Tridi
  4. Quartidi
  5. Quintidi
  6. Sextidi
  7. Septidi
  8. Octidi
  9. Nonidi
  10. Decadi

Monate

Die 12 Monate des republikanischen Kalenders wurden, basierend auf einem Namenskatalog, der von dem Abgeordneten Fabre d’Églantine ausgearbeitet wurde, in vier jahreszeitliche Gruppen eingeteilt, beginnend mit dem Jahrestag der Revolution als erstem Tag des Jahres:

Herbstmonate (auf -aire endend)
Vendémiaire lateinisch vindemia „Weinlese“ 22. September bis 21. Oktober
Brumaire französisch brume „Nebel“ 22. Oktober bis 20. November
Frimaire französisch frimas „gefrierender Nebel“ 21. November bis 20. Dezember
Wintermonate (auf -ôse endend)
Nivôse lateinisch nix, nivis „Schnee“ 21. Dezember bis 19. Januar
Pluviôse lateinisch pluvia „Regen“ 20. Januar bis 18. Februar
Ventôse lateinisch ventus beziehungsweise französisch vent „Wind“ 19. Februar bis 20. März
Frühlingsmonate (auf -al endend)
Germinal lateinisch germen, germinis „Keim; Spross“ 21. März bis 19. April
Floréal lateinisch flos, floris „Blume“ 20. April bis 19. Mai
Prairial französisch prairie „Wiese“ 20. Mai bis 18. Juni
Sommermonate (auf -idor endend)
Messidor lateinisch messis „Ernte“ 19. Juni bis 18. Juli
Thermidor griechisch thermós „warm“ 19. Juli bis 17. August
Fructidor lateinisch fructus „(Feld-)Frucht“ 18. August bis 16. September

Übergangstage

Die sechs Übergangstage am Jahresende (Sansculottiden genannt) waren Feiertage.

  • Jour de la Vertu, Tag der Tugend (17. September, ab 1800 18. September)
  • Jour du Génie, Tag des Geistes (18. September, ab 1800 19. September)
  • Jour du Travail, Tag der Arbeit (19. September, ab 1800 20. September)
  • Jour de l'Opinion, Tag der Meinung (20. September, ab 1800 21. September)
  • Jour des Récompenses, Tag der Belohnung (21. September, ab 1800 22. September)
  • Jour de la Révolution, Tag der Revolution (nur in Schaltjahren 22. September 1795/99 und 23. September 1803)

Tageseinteilung

Der Revolutionskalender enthielt auch eine neue Stundeneinteilung für den Tag und führte die Dezimalzeit ein. Der Tag wurde in 10 Stunden zu je 100 Minuten à 100 Sekunden eingeteilt. Die neue Sekunde war damit nur unwesentlich (-14%) kürzer als die alte, die Minute etwas länger (+44%), während die Revolutionsstunde mit ihrer 2,4-fachen Länge gegenüber der alten Stunde eine völlig neue Zeiteinheit darstellte.

Umrechnung

(Stunden×3600 + Minuten×60 + Sekunden) ÷ 0,864 = Dezimalsekunden des Tages

Beispiele

  • 19 Uhr 12 = (19×3.600 + 12×60 + 0) ÷ 0,864 = 80.000, was für die achtzigtausendste Dezimalsekunde des Tages steht. Da der Revolutionskalender auf dem Dezimalsystem basiert, lässt sich relativ leicht ablesen, dass es genau 8 Uhr der Revolutionszeit wäre. 80.000 → 8:00:00 → 8 Uhr.
  • 20 Uhr 15 = (20×3.600 + 15×60 + 0) ÷ 0,864 = 84.375 → 8:43:75 → 8 Dezimalstunden 43 Dezimalminuten und 75 Dezimalsekunden.

Dezimaluhren

Die Uhrenhersteller Berthoud, Firstenfelder, Lenoir und Perrier bauten entsprechende Dezimaluhren nach dem neuen System. Die meisten hatten ein Zifferblatt, das die alte und neue Tageseinteilung nebeneinander anzeigte. Während der Revolution wurde an den Tuilerien in Paris eine große Dezimaluhr angebracht, eine weitere wurde im Konferenzsaal der Nationalversammlung aufgestellt.

Erhaltene Uhren sind im Musée Carnavalet in Paris, im historisch-archäologischen Museum zu Orléans (le musée historique et archéologique, Orléans), im Museum für Kunst und Geschichte in Genf (les Musées d'art et d'histoire, Gèneve) und im Uhrenmuseum Abeler in Wuppertal zu sehen.

Entstehung der Namen

Im Dekret vom 5. Oktober 1793 wurden die Tage der Dekaden durchgezählt (premier (second, troisième...); jour de la première (seconde, troisième) décade). Der als Ruhetag vorgesehene zehnte Tag erhielt den Namen decadi. Der Dichter Fabre d’Églantine schlug am 24. Oktober eine Benennung auch der anderen Tage nach diesem Muster vor.

Nach dem Vorbild und zur Ersetzung der christlichen Tagesheiligen wurden alle Tage mit einem Eigennamen bezeichnet. Die Duodis wurden nach landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten, die Quintidis nach Haustieren, alle übrigen Tage nach Pflanzen benannt [1].

Ebenso wie die Tage der Dekaden wurden auch die Monate im ersten Entwurf einfach durchgezählt (premier, second, troisième etc. mois de l’année). Stattdessen schlug Fabre d’Églantine Monatsnamen vor, die auf einen typischen Aspekt des Klimas verwiesen (etwa Dezember: nivôse „der Verschneite“) oder auf wichtige Zeitpunkte des landwirtschaftlichen Lebens (der Erntemonat September: vendémiaire zu lateinisch vindemia „Weinlese“). Da diese Namen eng mit dem französischen Klima verknüpft waren, war dieser Kalender, den seine Gestalter „universell“ verwendet wissen wollten, von sehr regionaler Natur.

Für die Ergänzungungstage, die zunächst jours complémentaires hießen, schlug Fabre d’Églantine den Namen Sansculottides vor. Er schlug auch die Namen der Tage (statt premier jour complémentaire...) vor.

Am 24. November 1793 wurden diese Vorschläge mit geringfügigen Änderungen angenommen. So erscheinen die Sansculottides als Sansculotides und bei den Monaten auf -ose wurde auf den Zirkumflex verzichtet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. [1]

Weblinks

Parallelkalender

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Synonyme:

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