Gallenstein

Gallenstein
Klassifikation nach ICD-10
K80 Cholelithiasis
K80.0 Gallenblasenstein mit akuter Cholezystitis
K80.1 Gallenblasenstein mit sonstiger Cholezystitis
K80.2 Gallenblasenstein ohne Cholezystitis
K80.3 Gallengangsstein mit Cholangitis
K80.4 Gallengangsstein mit Cholezystitis
Jeder unter K80.5 aufgeführte Zustand mit Cholezystitis (mit Cholangitis)

K80.5

K80.5 Gallengangsstein ohne Cholangitis oder Cholezystitis
Gallenstein (eingeklemmt):
Ductus choledochus
Ductus hepaticus
Gallengang o.n.A.
Intrahepatische Cholelithiasis
Leberkolik (rezidivierend)
K80.8 Sonstige Cholelithiasis
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Ein Gallenstein (Gallenkonkrement, Cholelith, von altgriechisch χολή chole ‚Galle‘ und altgriechisch λίθος líthos ‚Stein‘) ist ein festes, kristallisiertes Ausfallprodukt der Galle (Gallenflüssigkeit). Gallensteine entstehen durch ein Ungleichgewicht löslicher Stoffe in der Galle. Allgemein wird das Vorhandensein eines Gallensteins als Gallensteinleiden oder Cholelithiasis (altgriechisch -ίασις -iasis ‚krankhafter Zustand‘) bezeichnet. Findet sich der Gallenstein in der Gallenblase, so spricht man von einem Gallenblasenstein(leiden) (Cholezystolithiasis oder Cholecystolithiasis, von altgriechisch κύστις cystis ‚Blase, Harnblase, Beutel‘); findet er sich im Gallengang (Ductus choledochus), so spricht man von einem Gallengangsstein(leiden) (Choledocholithiasis). Gallensteine sind häufig und verursachen oft keine Beschwerden. Wenn Gallensteine sich einklemmen und den Abfluss der Galle behindern, kann es allerdings zu heftigen Koliken und Entzündungen (Cholezystitis) kommen. Mit Gallensteinen verwandt ist der Gallengries.

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie

10 bis 15 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind Gallensteinträger, Frauen sind dabei etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen. Die Erkrankung ist besonders häufig in den westlichen Industrieländern, noch häufiger (60–70 %) ist sie bei vielen Indianergruppen. Seltener tritt sie in Ostasien, südlich der Sahara und bei Afroamerikanern auf.[1]

Genetische Ursachen

Mitte 2007 entdeckten Forscher der Universitäten Kiel und Bonn eine Mutation des Gens ABCG8, als eine Ursache (man rechnet noch mit drei bis vier weiteren Mutationen) für die Bildung von Gallensteinen. Dieses Gen enthält die Bauanleitung für Sterolin, welches das Blutfett Cholesterin in die Gallenwege befördert. Die Mutation soll diese Beförderung verstärken, wodurch die Bildung von Gallensteinen gefördert würde. Die Forschung versucht jetzt durch Einbringen gesunder Gene oder Medikamente die Produktion dieser Proteine zu hemmen und damit neue Ansätze für Prävention und Therapie zu finden.[2][3][4][5]

Entstehung

Gallensteine mit Vergleichsmaßstab
Calcium-Bilirubinat-Gallenstein
Querschnitt des obigen Gallensteins
Mikroskopische Aufnahme eines Cholesterinpigmentsteines.

Bei einem Ungleichgewicht der löslichen Stoffe, der in der Leber gebildeten Gallenflüssigkeit, begleitet von einer Entzündung oder einer Flussbehinderung in den Gallenwegen, z. B. durch eine Verengung (Stenose) der Papille (Papillenstenose), kann es zur Steinbildung kommen. Liegt ein Ungleichgewicht von Gallensäuren und Lezithin auf der einen Seite und Calciumcarbonat oder Bilirubin auf der anderen Seite vor, so entstehen Calcium- bzw. Bilirubinsteine. Bei einem Überangebot von Cholesterin und (seltener) einem Unterangebot von Gallensäuren entstehen Cholesterinsteine.

Gefördert wird die Entstehung durch verschiedene Faktoren:

Es wird auch von den „fünf F“ gesprochen: female, fat, fertile, forty, fair (weiblich, übergewichtig, fruchtbar, vierzig Jahre alt, hellhäutig oder blond). Im Angloamerikanischen kommt noch ein sechstes „F“ für family (familiäre Häufung) dazu.

Pathogenese

Die normale Zusammensetzung der Galle ist Cholesterin, Phospholipide und Gallensäuren im Verhältnis von 5 zu 25 zu 70. Typisch für die lithogene Galle ist der hohe Anteil von Cholesterin und/oder der verminderte Anteil von Gallensäuren, sodass die Galle mit Cholesterin übersättigt ist. Folgende Faktoren begünstigen die Entstehung von Cholesteringallensteinen:

  • Hypomotilität der Gallenblase, wodurch eine verlängerte Verweildauer der Galle in der Gallenblase entsteht
  • unvollständige Entleerung der Gallenblase

Symptome

Nur in etwa 25 % der Fälle werden die Gallensteine symptomatisch und nur in solchen Fällen muss auch eine Therapie erfolgen. Symptomatisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es zu Koliken kommt. Diese treten besonders nach fettreichem Essen oder nachts durch Gallenblasenkontraktionen auf. Hierbei kommt es zu einem sich anfallsartig steigernden Schmerz im (rechten) Oberbauch, der auch in den Rücken oder die rechte Schulter ausstrahlen kann. Weitere Symptome:

Diagnose

Neben der klinischen Untersuchung gibt es noch verschiedene apparative Untersuchungen zur Diagnostik und Befundsicherung bei Verdacht auf Gallenstein:

Sonographie einer Gallenblase mit einem einzelnen, ca. 1,3 Zentimeter großen Gallenstein.
MRCP-Aufnahme der Gallenwege mit Gallenstein (Pfeil)
  • Ultraschalluntersuchung (Sonographie): Gallensteine und auch Entzündungen der Gallenblase lassen sich sonographisch gut darstellen.
  • Röntgenuntersuchungen:
    • Leeraufnahme: Kalziumhaltige Steine sind im Röntgenbild schattengebend. Luft in der Gallenblase spricht für gasbildende Erreger.
    • Kontrastmitteluntersuchung:
      • Orale Cholezystographie
      • Infusionscholezystangiographie („i.v.-Galle“)
  • ERCP (Endoskopisch-retrograde Cholangiopankreatikographie)
  • MRCP (magnet-resonanztomographische Cholangio-Pankreatographie)
  • PTC (Perkutane transhepatische Cholangiographie)
  • CT (Computertomographie)
  • MRT (Magnetresonanztomographie)
  • Labordiagnostik (Nachweis von Entzündungen, Differentialdiagnose des Ikterus)

Behandlung

Gallensteine, die keine Symptome verursachen, bedürfen keiner Therapie. Koliken erfordern Nahrungskarenz, Schmerzmittel, Spasmolytika und bei gleichzeitiger Cholezystitis Antibiotika.

Nach Abklingen der akuten Symptomatik stehen mehrere Verfahren zum Entfernen der Gallensteine zur Verfügung:

  • Cholezystektomie: Bei Steinen in der Gallenblase eine Operation mit Entfernung der Gallenblase, entweder durch laparoskopische oder (heute selten) konventionelle Chirurgie. Erstere stellt die Therapie der Wahl dar und gilt als sogenannter „goldener Standard“, da sie wegen des minimal-invasiven Eingriffs eine sehr niedrige Komplikationsrate aufweist und jedenfalls das Gallenblasensteinleiden definitiv behebt. Es können aber auch nach der operativen Entfernung der Gallenblase Gallensteine im Gallengang zurückbleiben oder sich neu bilden und diesen blockieren. Dann wird eine ERCP empfohlen.[6] Als neues und noch nicht etabliertes Verfahren wird nun auch die Entfernung der Gallenblase ohne Hautschnitt angeboten. Bei der Frau wird dies durch die Vagina, bei Mann und Frau auch mittlerweile durch den Magen durchgeführt. Diese Methode wird NOTES (natural orifice transluminal endoscopic surgery) genannt.
  • ERCP mit Steinextraktion und/oder Erweiterung der Papilla duodeni major im Duodenum mittels Papillotomie bei im Gallengang eingeklemmten Steinen. Es kann sinnvoll sein, diese vor einer Cholezystektomie durchzuführen, da sie wesentlich weniger invasiv ist.
  • Lyse: Medikamentöse Auflösung der Steine mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) oder Chenodeoxycholsäure. Diese Methode ist jedoch nur bei reinen Cholesterinsteinen möglich. Weitere Voraussetzungen für die Lysetherapie sind Steingrößen von maximal 5 mm (wobei die Gallenblase maximal zur Hälfte mit Steinen gefüllt sein soll, das Fehlen von Kalkablagerungen in den Steinen und die normale Funktion der Gallenblase (nach einer sogenannten „Reizmahlzeit“ soll sich die Gallenblase um mindestens 50% entleeren, die Gallengänge müssen frei sein). Kontraindikationen sind außerdem die akute oder chronische Entzündung der Gallenblase (Cholezystitis) oder der Gallenwege (Cholangitis), der Verdacht auf ein Gallenblasenkarzinom, akute oder chronische Leberentzündung (Hepatitis), Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), Leberzirrhose, Durchfallerkrankungen und Schwangerschaft. Wegen häufiger Nebenwirkungen von Chenodeoxycholsäure wird heute die praktisch nebenwirkungsfreie Ursodeoxycholsäure bevorzugt. Durch die orale Gabe von Ursodeoxycholsäure wird eine Steinfreiheit von bis zu 70 % innerhalb von 1-2 Jahren erzielt. Die Rezidivrate liegt bei bis zu 50 % innerhalb von 5 Jahren. Als Prophylaxe könnte hier eine intermittierende, niedrig dosierte Gabe von Ursodeoxycholsäure wirksam sein. Die Therapie mit Ursodeoxycholsäure ist die schonendste Art der Gallensteinentfernung. Wesentliche Vorteile gegenüber einer Operation sind die Erhaltung einer funktionsfähigen Gallenblase, die Vermeidung von Operationsrisiken und -folgen und die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit während der Behandlung.[7][6]
  • ESWL (extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie): Zertrümmern der Steine mit Stoßwellen, die dann – meist mit Gallengangskoliken – in den Darm abgehen. Auch hier besteht eine sehr hohe Rezidivrate, da sich in der belassenen Gallenblase wieder neue Steine bilden können.

Komplikationen

Weblinks

 Commons: Gallstones – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Shaffer: Gallstone disease: Epidemiology of gallbladder stone disease.
  2. www.spiegel.de: Risiko-Gen für Gallenstein entdeckt.
  3. Informationsdienst Wissenschaft: Genomweite Suche identifiziert Risikogen für Gallensteine.
  4. pubmed: Buch et al.: A genome-wide association scan identifies the hepatic cholesterol transporter ABCG8 as a susceptibility factor for human gallstone disease. Nat Genet. 2007 Aug;39(8).
  5. innovations-report.de: Forscherteam entdeckt Gallenstein-Gen.
  6. a b Diagnostik und Therapie von Gallensteinen. (PDF, 1 MB) Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie. AWMF-Leitlinien-Register Nr. 021/008.
  7. Volker Hinz: Einfluss von Ursodeoxycholsäure auf den gastrointestinalen Lebensqualitätsindex (GLQI) bei Patienten mit „asymptomatischer“ Cholezystolithiasis. Ludwig-Maximilians-Universität (Diss.), München 2005.
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