Gerichtsorganisation in Österreich

Gerichtsorganisation in Österreich
Gerichtsbarkeit in Österreich

Die Gerichtsorganisation in Österreich ist durch eine Zweiteilung in die ordentliche Gerichtsbarkeit (für Straf- und Zivilrecht) und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (für Verfassungs-, allgemeines Verwaltungs- und Asylrecht) gekennzeichnet. Im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten ist Gerichtsträger aller Gerichte der Republik Österreich der Bund.

Zu Namen und Sitz der einzelnen Gerichte siehe Liste österreichischer Gerichte.

Inhaltsverzeichnis

Ordentliche Gerichtsbarkeit

In Österreich sind die ordentlichen Gerichte in vier Stufen organisiert, es besteht aber ein nur zwei- oder dreistufiger Instanzenzug.

Bezirksgerichte

Seit Anfang 2007 bestehen in Österreich 141 Bezirksgerichte (Abkürzung BG). Sie sind zuständig

  • in Zivilrechtssachen für streitige Zivilprozesse generell mit einem Streitwert von nicht mehr als 10.000 Euro; für bestimmte Sachen aber unabhängig von der Höhe des Streitwertes (z. B. Ehe- und Familiensachen, Miet- und Pachtsachen, Grenz- und Dienstbarkeitssachen, Besitzstörungssachen).
  • für die meisten Angelegenheiten, die im Verfahren außer Streitsachen zu erledigen sind wie etwa familienrechtliche Angelegenheiten (Obsorge über Kinder, Unterhalt für Kinder, Regelung des Besuchsrechtes, Adoptionen, Bestellung von Sachwaltern, Verlassenschaftsabhandlungen u. dgl.), Todeserklärung verschollener Personen, Kraftloserklärung (Ungültigerklärung) verlorener Wertpapiere, Streitigkeiten zwischen Miteigentümern von Liegenschaften, bestimmte Angelegenheiten des Wohnungseigentums- und Mietrechtes und Verfahren über Enteignungsentschädigungen;
  • für sämtliche Exekutionen (Zwangsvollstreckungen) sowie für Konkurse von Personen, die kein Unternehmen betreiben (Privatkonkurs, sog. Schuldenregulierungsverfahren);
  • in Strafsachen für Vergehen, für die nur Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt;
  • zur Führung des Grundbuchs.

Am Bezirksgericht entscheiden immer Einzelrichter, im Verfahren außer Streitsachen, über die Erlassung von bedingten Zahlungsbefehlen, im Exekutionsverfahren und in Grundbuchssachen auch Rechtspfleger. Die Leitung obliegt dem Vorsteher des Bezirksgerichts.

In Wien gibt es zwölf allgemeine Bezirksgerichte, die jeweils für einen oder mehrere Gemeindebezirke zuständig sind, sowie ein eigenes Bezirksgericht für Handelssachen. In Graz bestanden eigene Bezirksgerichte für Zivilrechtssachen, für Strafsachen sowie ein Jugendgericht, die mit 1. Jänner 2005 zum Bezirksgericht Graz zusammengelegt wurden. Seit 1. Jänner 2007 gibt es neben diesem, das in Bezirksgericht Graz Ost umbenannt wurde wegen der angewachsenen Wohnbevölkerung zusätzlich das Bezirksgericht Graz West.

Landesgerichte

Landesgericht für Strafsachen Graz (2008)

Die 18 Landesgerichte (Abkürzung LG; auch Gerichtshöfe erster Instanz genannt, Abkürzung GH I) sind in 16 Orten von überregionaler Bedeutung eingerichtet, und zwar in Eisenstadt, Feldkirch, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Korneuburg, Krems an der Donau, Leoben, Linz, Ried im Innkreis, Salzburg, St. Pölten, Steyr, Wels, Wien und Wiener Neustadt. In Graz und Wien gibt es jeweils zwei Gerichte, eines für Zivilrechtssachen und eines für Strafsachen. In Wien haben zudem auch das Handelsgericht Wien und das Arbeits- und Sozialgericht Wien seinen Sitz.

Ihre Zuständigkeit umfasst sowohl Aufgaben der ersten als auch der zweiten Instanz.

  • In Zivilrechtssachen sind die Landesgerichte in erster Instanz für alle Zivilprozesse zuständig, die nicht vor die Bezirksgerichte gehören. Dazu gehören auch alle Arbeits- und Sozialrechtssachen und Amtshaftungssachen sowie eine Reihe von Spezialmaterien. In der Regel entscheidet ein Einzelrichter. Bei einem Streitwert von mehr als 100.000 Euro können jedoch die Parteien zu Beginn des Verfahrens beantragen, dass die Sache vor einem Senat aus drei Berufsrichtern (in Handelssachen: zwei Berufsrichter und ein fachmännischer Laienrichter) verhandelt wird. In Arbeits- und Sozialrechtssachen entscheidet ein Senat, der aus einem Berufsrichter und zwei fachkundigen Laienrichtern aus dem Kreis der Dienstgeber und der Dienstnehmer gebildet wird.
  • In zweiter Instanz entscheiden die Landesgerichte durch Senate, die aus drei Berufsrichtern (in Handelssachen: zwei Berufs- und einem fachmännischen Laienrichter) gebildet werden, als Rechtsmittelgericht über Berufungen und Rekurse gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte.
  • In Strafsachen ist das Landesgericht in erster Instanz für alle Verbrechen und Vergehen zuständig, die nicht vor das Bezirksgericht gehören. Je nach Delikt entscheidet entweder
    • ein Einzelrichter,
    • ein Schöffensenat, bestehend aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen, oder
    • das Geschworenengericht, das aus drei Berufsrichtern und acht Geschworenen gebildet wird. Das Geschworenengericht ist streng genommen keine Organisationsform des Landesgerichtes, sondern wird dort nur gebildet.
  • Weiters hat das Landesgericht umfassende Kompetenzen im Ermittlungsverfahren - auch hinsichtlich jener Straftaten, für die in der Hauptverhandlung das Bezirksgericht zuständig ist.
  • In zweiter Instanz ist das Landesgericht zuständig für Berufungen und Beschwerden gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte. Es entscheidet ein Drei-Richter-Senat.
  • Bei den Landesgerichten (in Wien beim Handelsgericht) wird das Firmenbuch (früher Handelsregister) geführt. Hier entscheidet ein Einzelrichter oder ein Rechtspfleger.
  • Außerdem ist das Landesgericht für Insolvenzverfahren (Konkurse, Ausgleiche) zuständig, soweit diese nicht zum Bezirksgericht gehören.

In Wien bestehen ein eigenes Handelsgericht, je ein Landesgericht für Zivilrechtssachen und Strafsachen sowie das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Außerdem bestand ein eigener Jugendgerichtshof, der für Strafsachen Jugendlicher und junger Erwachsener sowohl auf Ebene des Bezirksgerichtes als auch des Gerichtshofs erster Instanz zuständig war. Dieser Gerichtshof wurde jedoch mit 30. Juni 2003 aufgelöst und seine Aufgaben wurden je nach Strafdrohung dem Landesgericht für Strafsachen Wien und den Wiener Bezirksgerichten übertragen.

An jedem für Strafsachen zuständigen Landesgericht ist eine Staatsanwaltschaft eingerichtet. Außerdem befindet sich am Sitz jedes für Strafsachen zuständigen Landesgerichts ein gerichtliches Gefangenenhaus (Justizanstalt).

Oberlandesgerichte

Die 4 Oberlandesgerichte (Abkürzung OLG; auch Gerichtshöfe zweiter Instanz genannt, Abkürzung GH II) bestehen in

Als Rechtsmittelgerichte sind sie zuständig

  • in Zivilrechtssachen für Berufungen und Rekurse gegen die in erster Instanz ergangenen Urteile und Beschlüsse der Landesgerichte,
  • in Strafsachen für (volle) Berufungen und Beschwerden gegen Urteile und Beschlüsse, die das Landesgericht durch den Einzelrichter erlassen hat, und für Berufungen gegen die Höhe der in Urteilen des Landesgerichtes als Schöffen- oder Geschworenengericht verhängten Strafen.

Die Oberlandesgerichte entscheiden in Senaten aus drei Richtern (in Handelssachen: zwei Berufs- und einem fachmännischen Laienrichter), in Arbeits- und Sozialrechtssachen hingegen aus Senaten, die aus drei Berufs- und zwei fachkundigen Laienrichtern gebildet werden.

Das Oberlandesgericht Wien ist als Kartellgericht in erster Instanz für das ganze Bundesgebiet in Kartellrechtssachen zuständig.

Den Präsidenten der Oberlandesgerichte obliegen wichtige Agenden der Justizverwaltung.

An jedem Oberlandesgericht ist auch eine Oberstaatsanwaltschaft eingerichtet.

Oberster Gerichtshof

Sitz des Obersten Gerichtshofs im Justizpalast

Der Oberste Gerichtshof in Wien (Abkürzung OGH) ist die höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Er entscheidet in Zivilrechtssachen in dritter Instanz über Revisionen gegen Urteile sowie Rekurse gegen Beschlüsse, welche die Landesgerichte und Oberlandesgerichte als zweite Instanz gefällt haben. In Strafsachen erkennt er über Nichtigkeitsbeschwerden gegen Urteile der Landesgerichte als Schöffen- und Geschworenengerichte.

Der Oberste Gerichtshof entscheidet in der Regel in Senaten von fünf Richtern (Hofräten), in bestimmten Einzelfällen von drei Richtern. Derzeit bestehen zehn zivilrechtliche und fünf strafrechtliche Senate. Daneben sind noch ein Senat zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Kartellgerichtes sowie ein Fachsenat für Patent-, Marken- und Musterschutzsachen eingerichtet.

Über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung erkennt ein verstärkter Senat aus insgesamt elf Richtern. In Arbeits- und Sozialrechtssachen werden auch beim OGH zwei (Fünf-Richtersenate) bzw vier (verstärkte Senate) fachkundige Laienrichter beigezogen.

Die Rolle der staatlichen Anklagebehörde übernimmt am Obersten Gerichtshof die Generalprokuratur.

Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts

Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (Sitz jeweils in Wien) stehen neben den ordentlichen Gerichten. Eine Besonderheit des österreichischen Rechtssystems ist, dass Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof und Oberster Gerichtshof von Verfassungs wegen auf gleicher Stufe stehen (Höchstgerichte). Wegen dieser formellen Gleichstellung ist gegen Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, anders als in Deutschland, auch keine Verfassungsbeschwerde an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts zulässig. Die ordentlichen Gerichte können aber bei Bedenken gegen Gesetze (erst ab der II. Instanz) oder Verordnungen eine Normprüfung beim Verfassungsgerichtshof beantragen.

Verfassungsgerichtsbarkeit

Die Verfassungsgerichtsbarkeit in Österreich wird vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) ausgeübt.

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich wird ausgeübt durch:

Im Rahmen der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit werden Bescheide im Hinblick auf die Verfassung geprüft. Wenn gegen einen Bescheid sowohl vor dem Verwaltungs- und dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde geführt wird, so entscheidet zuerst der Verfassungsgerichtshof. Hebt dieser den Bescheid nicht auf, so hat er gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Prüfung abzutreten.

Keine Gerichte sind die eine gerichtsähnliche Kontrollfunktion ausübenden Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS). Ihre Umwandlung in echte Verwaltungsgerichte wurde in den letzten Jahren oft diskutiert. Nach einem derzeit im Begutachtungsverfahren befindlichen Gesetzesentwurf sollen anstelle der UVS Landesverwaltungsgerichtshöfe geschaffen werden.

Siehe auch

Weblinks

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