Glas à la façon de Venise

Glas à la façon de Venise
Glas im venezianischen Stil, dargestellt bei Georg Flegel

Als Glas à la façon de Venise wird Renaissance-Glas im venezianischen Stil bezeichnet, das im 16. und 17. Jahrhundert nördlich der Alpen hergestellt wurde. Häufig ist es von genuinem venezianischem Glas äußerlich nicht zu unterscheiden.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte in Venedig

Die venezianische Glasherstellung ist seit dem Mittelalter bekannt. Handel und Know-how erreichten die Republik mutmaßlich über Byzanz. Die Glasbläser (phiolari), die wegen der Brandgefahr in der Stadt ihre Produktionsstätten bis 1295 auf die vorgelagerte Insel Murano verlegen mussten, waren per Gesetz verpflichtet, die Technik streng geheim zu halten.

Bekannt wurde Venedig ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für sein farbloses, dünnwandiges und fein elaboriertes cristallo. Aus der Zeit davor ist nichts, aus dem 16. und 17. Jahrhundert nur noch wenig erhalten. Über die Variationsbreite der venezianischen Glaskunst, ihre Formen und Dekore geben vor allem niederländische und flämische Stillleben Auskunft.

Es handelt sich größtenteils um Becher, Schalen, Kannen und Flaschen, die aus hohl geblasenen Balustern zusammengesetzte Schäfte mit flachen Füßen hatten. Diese Schäfte wurden in der Folgezeit immer ausgeklügelter, Flügel wurden in phantasievollen Ornamenten und figürlichen Dekorationen angesetzt, manchmal war auch der Schaft in figürlicher, beispielsweise in Tiergestalt ausgeführt.

Für die Wandung gab es besondere Veredelungstechniken. Beim so genannten Eisglas, hergestellt durch Abschrecken in eiskaltem Wasser oder durch Rollen über kleine Splitter, wird auf der Oberfläche ein Effekt wie bei einem durch Eisblumen überzogenen Fensterglas erzielt. Beim Faden- oder Netzglas (it. latticinio / vetro a filigrano / reticella) - wurden Milchglas-Fäden in die klare Glasmasse eingeschmolzen und durch Drehen so verwoben, dass ein faden bzw. netzartiges Muster entstand. Diese Technik war in Ansätzen schon in der Antike bekannt.

Verbreitung nördlich der Alpen

Netzglas à la façon de Venise, Rheingauer Weinmuseum, 17. Jh.
Façon de Venise

In den Wäldern nördlich der Alpen gab es seit dem Mittelalter zwar auch schon Glashütten, doch in ihnen konnte farbloses Glas venezianischer Qualität nicht hergestellt werden. Die groben Gebrauchsglas-Formen knüpften an fränkische Vorbilder an; Entfärbungstechniken des durch hohen Eisenoxidgehalt grünen Waldglases kannte man nicht.

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts gelangte das Know-how der venezianischen Glaskunst trotz aller Versuche der Republik, dieses Geheimnis für sich zu behalten, nach Deutschland, die Niederlande und Flandern. Emigrierte Venezianer errichteten die ersten Produktionsstätten in Antwerpen, Lüttich, in Norddeutschland und Holland, in Kassel, Nürnberg, im Schwarzwald, in Tirol und andernorts. Da Gläser in dieser Zeit noch nicht signiert wurden, legt hauptsächlich die Besitzer-Provenienz (fürstlicher/gräflicher Familienbesitz, Adelshaus etc.), soweit dokumentierbar, die Provenienz nahe.

Im 18. Jahrhundert ist mit dem Aufkommen des barocken Schnittglases vornehmlich in Böhmen und Schlesien die erste Blütezeit venezianischen Glases vorbei.

Glassammlungen à la façon de Venise finden sich in verschiedenen deutschen Museen, beispielsweise

Im Antiquitätenhandel und auf Auktionen ist es ebenfalls erhältlich. Zu unterscheiden ist es von Glas des Historismus aus dem 19. Jahrhundert; diese geistesgeschichtliche Strömung revitalisierte neben anderen Stilmerkmalen der Vergangenheit auch die Faden- und Netzglastechnik à la façon de Venise, beispielsweise in der Rheinische Glashütten Köln in Köln-Ehrenfeld.

Literatur

  • Dreier, Franz Adrian: Venezianische Gläser und "Façon de Venise", Berlin 1989
  • Theuerkauf-Liederwald, Anna-Elisabeth: Venezianisches Glas der Kunstsammlungen der Veste Coburg, Lingen 1994

Weblinks

 Commons: Façon de Venise – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Flügelglas – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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