Grundumsatz

Grundumsatz

Der Grundumsatz, auch basale Stoffwechselrate genannt, ist eine Größe, die zur Charakterisierung des Stoffwechsels hauptsächlich beim Menschen verwendet wird. Sie ist diejenige Energiemenge, die der Körper pro Tag bei völliger Ruhe, bei Indifferenztemperatur (28 °C) und nüchtern (leerer Magen) zur Aufrechterhaltung seiner Funktion benötigt.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Physikalisch handelt es sich um Arbeit pro Zeit, also Leistung. Ihre SI-Einheit ist daher Watt (W) = Joule pro Sekunde (J/s). Allerdings wird in der Praxis meist die veraltete Einheit Kilokalorien pro 24 Stunden (kcal/24 h) benutzt und die Angabe „24 h“ weggelassen, auch wenn dies nicht korrekt ist. Spricht man von Grundumsatz, so ist immer der Bezug auf 24 Stunden gemeint. 1 kcal entspricht 4,186 kJ, 1 kJ entspricht 0,239 kcal.

Der Grundumsatz ist von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Körpergewicht, Körpergröße, Muskelmasse, Wärmedämmung durch Kleidung und Gesundheitszustand (Fieber) abhängig.

Messung

Durch Methoden der Kalorimetrie lässt sich der Grundumsatz messen, was aber für den Alltag außerhalb wissenschaftlicher Forschung, beispielsweise in Krankenhäusern, zu aufwändig ist. Kalorimetrie wurde schon im 18. Jahrhundert von Antoine Laurent de Lavoisier verwendet, hat heute jedoch nur noch historische Bedeutung. Derzeit wird in Spirometern der Sauerstoffverbrauch und die Kohlendioxidabgabe in der Atemluft gemessen und daraus (relativ aufwendig) der Grundumsatz berechnet.[1]

Berechnung über Näherungsformeln

Harris-Benedict-Formel

Grundumsatz in kCal pro Tag für Männer nach Harris-Benedict und BMI-Formeln, über Alter und Gewicht für einen BMI von 21,5
Grundumsatz in kCal pro Tag für Frauen nach Harris-Benedict und BMI-Formeln, über Alter und Gewicht für einen BMI von 21,5

Bereits 1918 veröffentlichten J. A. Harris und F. G. Benedict die nach ihnen benannte Harris-Benedict-Formel, in die die Körpermasse m, die Größe l und das Alter t als Einflussfaktoren des Grundumsatzes eingehen.[2]

Die Formel stellt noch heute eine, in der Ernährungsmedizin allgemein akzeptierte, gute Näherung des gemessenen Grundumsatzes G dar. Sie lautet für Männer:

G_\mathrm{m}(m,l,t) = (66{,}5  + 13{,}7 \tfrac{1}{\mathrm{kg}}\,m + 5{,}0 \tfrac{1}{\mathrm{cm}}\,l - 6{,}8 \tfrac{1}{\mathrm{a}}\,t) \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{24\,h}}\,,

und für Frauen

G_\mathrm{w}(m,l,t) = (655  + 9{,}6 \tfrac{1}{\mathrm{kg}}\,m + 1{,}8 \tfrac{1}{\mathrm{cm}}\,l - 4{,}7 \tfrac{1}{\mathrm{a}}\,t) \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{24\,h}}\,.

Der auffällige Unterschied des ersten Summanden um fast eine Zehnerpotenz – 66,5 bei Männern, 655 bei Frauen – bringt zum Ausdruck, dass der Grundumsatz bei Männern stärker von der Körperstatur und der davon abhängigen Muskelmasse bestimmt wird.

Broca-Index Anpassung

Da mit steigendem Körperfettanteil der Grundumsatz pro Kilogramm Körpergewicht abnimmt, sollte hauptsächlich ab einem BMI von 30 kg/m² in die o. g. Formeln ein korrigiertes Körpergewicht mkorr eingesetzt werden, das sich unter Berücksichtigung des Normalgewichtes mnorm nach Paul Broca wie folgt berechnet:

m_{\mathrm{korr}} = m_{\mathrm{norm}} + \tfrac{1}{4}\,(m - m_{\mathrm{norm}}) = \tfrac{3}{4}\,m_{\mathrm{norm}} + \tfrac{1}{4}\,m = \tfrac{3}{4}\,(l - 100\,\mathrm{cm})\,\tfrac{\mathrm{kg}}{\mathrm{cm}} + \tfrac{1}{4}\,m

Eine Vereinfachung ergibt sich, wenn beide Formeln zusammengefasst werden. Man erhält dabei den korrigierten Grundumsatz ohne dass ein korrigiertes Körpergewicht eingesetzt werden muss.

Die Formel lautet für Männer

G_\mathrm{korr,m}(m,l,t) = (3{,}4 \tfrac{1}{\mathrm{kg}}\,m + 15{,}3 \tfrac{1}{\mathrm{cm}}\,l - 6{,}8 \tfrac{1}{\mathrm{a}}\,t - 961) \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{24\,h}}\,,

und für Frauen

G_\mathrm{korr,w}(m,l,t) = (2{,}4 \tfrac{1}{\mathrm{kg}}\,m + 9{,}0 \tfrac{1}{\mathrm{cm}}\,l - 4{,}7 \tfrac{1}{\mathrm{a}}\,t - 65) \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{24\,h}}\,.

Außer für die Berechnung des korrigierten Grundumsatzes spielt das Normalgewicht nach Broca heutzutage praktisch keine Rolle mehr und ist zur Beurteilung von Übergewicht und Adipositas durch den Body-Mass-Index, sowie verschiedene andere körperliche Parameter abgelöst worden.

Mifflin-St.Jeor-Formel

Grundumsatz in kCal pro Tag für Männer und Frauen nach Mifflin-St.Jeor und BMI-Formeln, über Alter und Gewicht für einen BMI von 21,5

Eine neuere Formel wurde 1990 von Mifflin und St.Jeor vorgeschlagen[3], welche den Lebenstiländerungen der letzten 100 Jahre Rechnung tragen soll und im Mittel ungefähr 5% akkurater ist.[4]

  • G(m,l,t) = \left ( \frac {10,0 m} {kg} + \frac {6,25 l} {cm} - \frac {5,0 t} {a} + s \right ) \frac {\mbox {kcal}} {\mbox {24 h}}, mit s +5 für Männer und −161 für Frauen.

Einfache Abschätzung

Stark vereinfacht, doch immer noch alltagstauglich, ist die Näherungsannahme, dass der Mensch pro Kilogramm Körpergewicht unter den genannten Bedingungen 25 kcal pro Tag verbraucht. Daraus leitet sich folgende vereinfachte Formel ab:

G(m) = 25 \cdot \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{kg \cdot 24\,h}} \,m

Da sowohl ein Tag 24 Stunden besitzt als auch 100 kJ etwa 24 kcal entsprechen, wird in zahlreichen Publikationen eine noch einfachere Faustformel mit dem Faktor 24 verwendet. So ergibt sich aus dem hundertfachen des Gewichtes der Grundumsatz eines Tages in Kilojoule und aus dem Gewicht selbst der Grundumsatz pro Stunde in kcal. Nach dieser Faustformel berechnet sich der tägliche Grundumsatz für einen Mann wie folgt:

G_\mathrm{m}(m)= 24 \cdot \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{kg \cdot 24\,h}} \,m = \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{kg \cdot h}} \cdot m = 100\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{kg \cdot 24 \cdot h}} \cdot m

Da Männer durchschnittlich etwas größer sind und im Verhältnis zum Körpergewicht sowohl mehr Muskelmasse als auch weniger Körperfett als Frauen besitzen, wird pauschal von einem um 10 % geringerem Grundumsatz bei Frauen ausgegangen:

G_\mathrm{w}(m)= 0{,}9 \cdot 24 \cdot \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{kg \cdot 24\,h}} \,m = 0{,}9 \cdot \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{kg \cdot h}} \cdot m = 90\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{kg \cdot 24 \cdot h}} \cdot m

Daraus ergeben sich für einen Menschen mit einem Gewicht von 70 kg etwa folgende Werte:

G_\mathrm{m}(70\,\mathrm{kg})= 1680 \cdot \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{24\,h}} = 70\,\tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{h}} = 7000\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{24 \cdot h}}
= 7000\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{86400\cdot s}} = \tfrac{7000}{86400}\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{s}} = 81\,\mathrm{W}
G_\mathrm{w}(70\,\mathrm{kg})= 1515 \cdot \tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{24\,h}} = 63\,\tfrac{\mathrm{kcal}}{\mathrm{h}} = 6300\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{24 \cdot h}}
= 6300\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{86400\cdot s}} = \tfrac{6300}{86400}\,\tfrac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{s}} = 73\,\mathrm{W}

Tatsächlicher Energieumsatz

Der Energieumsatz steigt mit erhöhter körperlicher Aktivität an. Man bezeichnet ihn als den Leistungsumsatz. Der tatsächliche Energieumsatz (Summe aus dem Grund- und dem Leistungsumsatz) lässt sich abschätzen, indem man den errechneten Grundumsatz mit einem Aktivitätsfaktor multipliziert. Dieser beträgt zwischen 1,2 im Liegen oder Sitzen und bis über 6 bei starker körperlicher Arbeit, z. B. in der Schwerindustrie, bei Sport teilweise sogar noch viel höher. Bei Büroarbeit kommt man auf einen Aktivitätsfaktor von 1,3 bis 1,6.

In der Medizin wird der Grundumsatz zur Ermittlung des tatsächlichen Energiebedarfs außer mit dem Aktivitätsfaktor (der bei bettlägerigen Patienten 1,2, und bei mobilisierten Patienten 1,3 beträgt) noch mit einem Traumafaktor multipliziert, der durch die Schwere der Krankheit bestimmt wird und zwischen 1,0 und 1,6 beträgt.

70 bis 80 Prozent der zugeführten Energie werden als Wärme abgegeben. Die Heizleistung eines Menschen entspricht etwa der Leistung einer 60-Watt-Glühlampe oder der einer Kerze. Pro Tag verschwitzt ein Mensch ein bis zwei Liter Wasser, entsprechend einer Kühlleistung von etwa 30 W.

Energieverteilung

Den größten Anteil am Grundumsatz im menschlichen Körper haben Leber und Skelettmuskulatur mit je etwa 26 %, dann folgt das Gehirn mit 18 %, das Herz mit 9 % und die Nieren mit 7 %. Die restlichen 14 % entfallen auf den übrigen Organismus.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Horst de Marées: Sportphysiologie S. 381ff Köln 2003. ISBN 3-939390-00-3
  2. Harris J, Benedict F: A Biometric Study of Human Basal Metabolism. In: Proc Sci U S a. 4, Nr. 12, 1918, S. 370–3. doi:10.1073/pnas.4.12.370. PMID 16576330. Volltext bei PMC: 1091498.
  3. Mifflin, St Jeor et al: A new predictive equation for resting energy expenditure in healthy individuals. In: American Journal of Clinical Nutrition. 51, Nr. 2, Comparison of Predictive Equations for Resting Metabolic Rate in Healthy Nonobese and Obese Adults: A Systematic Review, S. 241-247. PMID 2305711.
  4. David Frankenfield et al: Comparison of Predictive Equations for Resting Metabolic Rate in Healthy Nonobese and Obese Adults: A Systematic Review. In: Journal of the American Dietetic Association. 105, Nr. 5, May 2005, S. 775-789. doi:10.1016/j.jada.2005.02.005.

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