Guy de Maupassant

Guy de Maupassant
Guy de Maupassant

Henry René Albert Guy de Maupassant [gidəmopɑˈsã], (* 5. August 1850 auf Schloss Miromesnil[1] (Normandie); † 6. Juli 1893 in Passy bei Paris) war ein französischer Schriftsteller und Journalist.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Schaffen

Kindheit und Jugend

Entgegen der verbreiteten Ansicht, dass das normannische Hafenstädtchen Fécamp sein Geburtsort war, wurde Maupassant nach neueren Forschungen (2005) auf Schloss Miromesnil bei Dieppe geboren, das seiner Familie zwar nicht gehörte, aber 1849 von ihr angemietet worden war. Seine Kindheit verbrachte er jedoch überwiegend in Fécamp. Seine Mutter, Laure Le Poittevin, war die Schwester eines Jugendfreundes von Gustave Flaubert, sein Vater ein aus einer neuadeligen Familie stammender Privatier, der sich bald durch seinen aufwändigen Lebensstil ruinierte (weshalb man u.a. das Schloss rasch wieder aufgab) und seine Frau zudem durch Seitensprünge verdross. Als der Vater sich 1859 in Paris als Bankangestellter verdingen musste, trennte sich die Mutter kurz danach von ihm und ging mit Guy und seinem jüngeren Bruder Hervé zurück in die Normandie, in das aufstrebende Seebad Étretat.

Maupassant besuchte als Internatsschüler zunächst das katholische Seminar (petit séminaire) der Kreisstadt Yvetot, in dem nicht nur angehende Priester unterrichtet wurden, fühlte sich dort aber unwohl. Als Schüler unternahm er bereits literarische Versuche und wurde mit 17 wegen eines frechen Gedichts von der Schule verwiesen. Er wechselte auf das staatliche Gymnasium von Rouen, wo er von einem anderen Jugendfreund Flauberts, dem heute vergessenen Autor Louis Bouilhet, betreut wurde und auch Flaubert selbst kennenlernte, der ihm später ein väterlicher Freund wurde. Im Oktober 1868 rettete er das Leben des Poeten Algernon Charles Swinburne an der Küste von Étretat in der Normandie.[2]

Nach dem Baccalaureat 1869 begann er in Paris ein Jura-Studium (wobei er bei seinem Vater wohnte). Er musste es aber unterbrechen, weil er nach Beginn des Französisch-Preußischen Krieges eingezogen wurde. Er kam zwar nicht zur kämpfenden Truppe, erlebte aber die Niederlage und die teilweise Besetzung Frankreichs durch preußisches Militär hautnah mit.

Die literarischen Anfänge

Nach seiner Demobilisierung im Herbst 1872 führte Maupassant sein Studium nicht weiter, sondern nahm, dank der Vermittlung Flauberts, einen Posten als mittlerer Angestellter zuerst im Marine- und 1877 im Bildungsministerium an. Als Ausgleich für die lustlos ausgeübte Berufstätigkeit verbrachte er seine Freizeit Kanu fahrend auf der Seine, verbunden mit diversen Liebesabenteuern. Hierbei infizierte er sich 1877 mit Syphilis, was ihm (zusammen mit der Angst, verrückt zu werden wie sein Bruder Hervé) die letzten Lebensjahre stark verdüsterte.

Neben Beruf und Hobby betätigte er sich unter Anleitung Flauberts literarisch in verschiedenen Gattungen, auch mit Gedichten und Theaterstücken. Doch veröffentlichte er lange Zeit fast nichts. Über Flaubert, der häufig in Paris weilte, erhielt er Kontakt zu Pariser Literaten, insbesondere 1875 zu Émile Zola, dem Chef der jungen Schule des Naturalismus. Maupassants Durchbruch als Autor war 1880 die meisterhafte psychologische Novelle Boule de suif ("Fettklößchen"), die in einem Sammelband antimilitaristischer Erzählungen erschien, den Zola, Joris Karl Huysmans und andere schon bekannte naturalistische Autoren unter dem Titel Les soirées de Médan herausgegeben hatten.

Aufstieg und frühes Ende

Nach dem Erfolg von Boule de suif gab Maupassant die Produktion lyrischer und dramatischer Texte weitgehend auf. In den nächsten zwölf Jahren schrieb er mit rasch wachsendem Prestige und Einkommen vor allem erzählende Werke. Insgesamt brachte er es auf ca. 300 Novellen und 6 Romane, die jedoch nicht alle fertig wurden. Seine drei Reisebücher, ein Gedichtband und ein Band Theaterstücke waren eher Beiprodukte. Dank seines Erfolgs konnte er Ende 1880 seinen Angestelltenposten aufgeben, 1883 ein Haus in Étretat bauen und 1885 eine Segelyacht kaufen.

Grab de Maupassants in Paris

Die Handlungen der meist dem Naturalismus nahestehenden erzählenden Werke spielen überwiegend in der heimatlichen Normandie und in Paris. Ort der Erstveröffentlichung war in der Regel das Feuilleton von Pariser Zeitschriften, wie Le Gaulois und Gil Blas. Heute noch gelesen werden – neben zahlreichen als Schullektüre obligaten Erzählungen – die Romane Une Vie (1883) und vor allem der in vielerlei Hinsicht autobiografische Bel-Ami (1885). Une Vie schildert die Enttäuschung aller Jungmädchenhoffnungen und den sozialen Abstieg einer adeligen Frau von ihrem ca. 15. bis ca. 50. Lebensjahr. Bel-Ami zeigt die entscheidenden Jahre eines (von Maupassant sichtlich als Figur zugleich ungeliebten und bewunderten) jungen Mannes kleinbürgerlicher Herkunft, der durch sein Glück bei den Frauen, aber auch durch Energie, Geschick und Ehrgeiz vom Provinzler und kleinen Büroangestellten zum erfolgreichen Pariser Journalisten, Schwiegersohn eines reichen Zeitungsverlegers und künftigen Politiker aufsteigt. Weniger bekannt geblieben ist der Roman Pierre et Jean (1887/88), den manche für seinen besten halten.

Außer seinen literarischen Texten verfasste Maupassant zahlreiche politische – meist regierungskritische – Artikel (sog. chroniques) für Pariser Zeitungen. Zugleich führte er neben seiner Schriftstellerei eine unruhige Existenz. Er hatte wechselnde Geliebte (mit denen er drei Kinder hatte), weilte oft in seinem Haus in Étretat, unternahm drei längere Reisen nach Nordafrika, lebte zeitweilig in Cannes und Antibes und unternahm dort Reisen auf seiner Yacht Bel-Ami. Offensichtlich war ihm die Wahrscheinlichkeit eines frühen Todes aufgrund seiner Syphilis bewusst.

Obwohl seine gesundheitlichen Probleme (Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Angstzustände, Halluzinationen usw.) auch aufgrund seines Drogenkonsums in den späten 1880er Jahren stark zunahmen, hielt er sie geheim und arbeitete wie besessen. Seine düsterer werdenden Texte, z. B. die bekannte Schauernovelle Le Horla, spiegeln jedoch seinen Zustand wider. Am Neujahrsabend 1892 brach er beim Abendessen bei seiner Mutter zusammen, kam aber bald wieder zu sich. Er kehrte trotz Bitten der Mutter, bei ihr zu bleiben, nach Cannes zurück und unternahm dort einen Selbstmordversuch. Tage später wurde er in eine psychiatrische Klinik in Passy bei Paris eingeliefert, wo er anderthalb Jahre später in geistiger Umnachtung starb. Er wurde auf dem Pariser Friedhof Montparnasse beigesetzt.

Maupassant gilt neben Stendhal, Balzac, Flaubert und Zola als einer der großen französischen Erzähler des 19. Jahrhunderts. Er ist auch einer der am häufigsten verfilmten Autoren.

Verschiedenes

Seine Großnichte Jeanne Barthélemy de Maupassant heiratete 1943 Louis Germain David de Funès de Galarza, der unter dem Namen Louis de Funès als Schauspieler bekannt wurde.

Werke (Auswahl)

Mademoiselle Fifi (Einband von 1898)
Erzählungen bzw. Erzählbände
  • Boule de suif (1880) (dt. Fettklößchen (1893))
  • La Maison Tellier (1881) (dt. Familie Tellier und andere Erzählungen (1893))
  • Mademoiselle Fifi (1882) (dt. Novellen (1898))
  • Clair de lune (1883)
  • Contes de la Bécasse (1883)
  • Miss Harriet (1884)
  • Les Sœurs Rondoli (1884)
  • Yvette (1884)
  • La Parure (1884)
  • Le Diable (1886)
  • Monsieur Parent (1886)
  • La Petite Roque (1886)
  • Le Horla (1887) (dt. Novellen (1905))
  • Le Vagabond
  • Le Bonheur
  • Le Gueux
  • La Mère Sauvage
  • Deux amis
  • Saint-Antoine
  • Un duel
  • Le père Milon
  • La Peur
Romane
  • Une Vie (1883) (dt. Ein Menschenleben (1894))
  • Bel-Ami (1885) (dt. 1892)
  • Mont-Oriol (1887)
  • Pierre et Jean (1888)
  • Fort comme la mort (1889) (dt. Stark wie der Tod)
  • Notre Cœur (1890)
  • Le Penner Ignor (1895)
Publizistik
  • Chroniques, 2 Bde. (2004)
Reisereportagen
  • Au soleil (1884)
  • Sur l'eau (1888)
  • La Vie errante (1890)
Dichtung
  • Des Vers (1880)

Siehe auch

Literatur

Hilfsmittel

  • Maupassant Criticism. A Centennial Bibliography 1880–1979 Red. Robert Willard Artinian & Artine Artinian, Jefferson. London, 1982 [3]

Darstellungen

  • Pierre Bayard: Maupassant, juste avant Freud. Minuit, Paris 1994. ISBN 2-7073-1493-5
  • Martin Brucke: Magnetiseure. Die windige Karriere einer literarischen Figur. Rombach, Freiburg im Breisgau 2002. (= Rombach Wissenschaften; Reihe Cultura; 28) ISBN 3-7930-9332-8
  • Philippe Dahhan: Guy de Maupassant et les femmes. Essai. Bertout, Luneray (Seine-Maritime) 1996. ISBN 2-86743-253-7
  • Gérard Delaisement: La modernité de Maupassant. Rive Droite, Paris 1995. ISBN 2-84152-019-6
  • Stefanie Fröschen: Die Krankheit im Leben und Werk Guy de Maupassants. Die Bedeutung seiner Syphilis-Erkrankung für seine Dichtungen. Mainz, Aachen 1999. ISBN 3-89653-579-X
  • Claudine Giacchetti: Maupassant. Espaces du roman. Droz, Genf 1993. (= Histoire des idées et critique littéraire; 320)
  • Gisela Haehnel: Bovarysme in der Flaubert-Nachfolge. Am Beispiel von "Une vie", "O primo Basílio" und "Une belle journée." Sisyphos, Köln 2004 ISBN 3-928637-33-9
  • Bettina Kopelke: Die Personennamen in den Novellen Maupassants. Peter Lang, Frankfurt 1990 (= Bonner romanistische Arbeiten, 34) ISBN 3-631-42868-5
  • Ulrike Mayer: Der Aspekt des Fantastischen in Maupassants "Contes et Nouvelles". Die Faszination der Grausamkeit. Peter Lang, Frankfurt 1990 (= Europäische Hochschulschriften, Reihe 13, 159) ISBN 3-631-43260-7
  • Paul Morand: Vie de Guy de Maupassant. Pygmalion, Paris 1998 ISBN 2-85704-549-2
  • Thierry Poyet: L'héritage Flaubert Maupassant. Kimé, Paris 2000 ISBN 2-84174-197-4
  • Jean Salem: Philosophie de Maupassant. Ellipses, Paris 2000 ISBN 2-7298-0343-2
  • Nadine Satiat: Maupassant. Flammarion, Paris 2003 ISBN 2-08-068494-9
  • Alberto Savinio: Maupassant und der "andere". Suhrkamp, Frankfurt 1988. (Reihe bs, 944) ISBN 3-518-01944-9
  • Dorothea Schurig-Geick: Studien zum modernen "conte fantastique" Maupassants und ausgewählter Autoren des 20. Jahrhunderts. Winter, Heidelberg 1970. (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; F. 3,11)
  • Christian Wehr: Imaginierte Wirklichkeiten. Untersuchungen zum 'récit fantastique' von Nodier bis Maupassant. Narr, Tübingen 1997 (= Romanica Monacensia, 52) ISBN 3-8233-4792-6
  • Simon Weipert: Die Novellen Maupassants. Versuch einer werkimmanenten Typologie. Peter Lang, Frankfurt 1989 (= Werkstruktur und Hintergrund, 2) ISBN 3-631-41823-X
  • Marianne Bury: Maupassant. Grandes oeuvres, commentaires critiques, documents complémentaires. Reihe Balises, Série Les écrivains, 10. Klett, Stuttgart & Nathan, Paris 1993. ISBN 3-12-592545-2 & ISBN 2-09-180234-4 In franz. Sprache

Weblinks

 Commons: Guy de Maupassant – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Website des Château de Miromesnil. Abgerufen am 13. März 2011.
  2. Clyde K. Hyder: Algernon Swinburne: The Critical Heritage. 1995, S. 185.
  3. die in dieser Bibliographie aufgelisteten Titel stellen eine Auswahl der Herausgeber dar; das Fehlen eines Sachindexes erschwert die Nutzung erheblich

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