Husain Borudscherdi

Husain Borudscherdi
Husain Ali Ahmadi Tabatabai Borudscherdi

Großajatollah Husain Ali Ahmadi Tabatabai Borudscherdi, auch Hossein Ali Ahmadi Tabatabai Borujerdi (persisch ‏آیت‌الله العظمی حسین طباطبایی بروجردی‎; * 1875 in Borudscherd, Lorestan, Iran; † 30. März 1961 [1] in Qom) war der letzte von allen schiitischen Geistlichen anerkannte Marja-e taqlid.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1875 wurde Husain Borudscherdi in Borudscherd geboren, woher der Name Borudscherdi rührt. Er studierte die islamische Jurisprudenz (Fiqh) und entwickelte durch seine eigenen Auslegungen und Rechtsprechungen einen großen Einfluss, der z.B. Morteza Motahhari aber auch viele andere Geistliche seiner Zeit prägte. Als herausragend gilt seine Hadith-Kritik auf wissenschaftlicher Basis. Ausgehend von der Untersuchung kleiner Perioden vollzieht er die Überliefererkette nach und stellt die Authentizität vieler Hadith in Frage.

Wirkung

Die Position des Marja war nach dem Tod von Großayatollah Hossein Haeri Yazdi 1941 vakant. Viele Religionsgelehrte wünschten sich Borudscherdi als Nachfolger. 1944, als sich Borudscherdi nach Teheran in ärztliche Behandlung begab, besuchte Schah Mohammad Reza Pahlavi Borudscherdi persönlich im Krankenhaus, eine seltene Geste des Monarchen. Der Besuch wurde als Zustimmung des Monarchen zu seiner Berufung als Marja gewertet.[2]

1949, nach dem Attentat auf Schah Mohammad Reza Pahlavi[3], und nachdem Borudscherdi als absolute Instanz (oder auch: Quelle der Nachahmung) von allen schiitischen Großayatollahs anerkannt worden war,[4] berief er mehr als 2.000 Religionsgelehrte zu einem Kongress nach Qom, um dort die quietistische Tradition der schiitischen Geistlichkeit anzumahnen und zu erneuern.[5] Solange Borudscherdi lebte, unterstützte er Schah Mohammad Reza Pahlavi mehrfach öffentlich. So beendete er nach dem Attentat auf den Schah im Februar 1949 seine Rede zu Gunsten des Schahs mit den Worten: "Möge Gott Ihr Königreich beschützen".[6]

Unter seiner Führung wurden die Studierenden in den Seminaren Qom angehalten, sich nicht aktiv politisch zu betätigen. So hat er Seyyed Mojtaba Mirlohi, besser bekannt unter dem Namen Navab Safavi und Seyyed Abdol-Hussein Vahedi, die Gründer der Fedajin-e Islam, aus dem Seminar in Qom wegen ihrer Verwicklungen in Mordanschlägen (Attentat auf Ahmad Kasravi, Attentat auf Abdolhossein Hazhir, Attentat auf Haj Ali Razmara) zwangsexmatrikuliert. Borudscherdi setzte auch Chomeini, der zu dieser Zeit ein unbedeutender Kleriker war, unter Druck, da Borudscherdi Chomeini für den geistigen Mentor der Fedajin-e Islam hielt. Aus dem selben Grund war auch die Beziehung zwischen Großayatollah Borudscherdi und Ayatollah Abol-Ghasem Kashani getrübt. Trotz der angespannten persönlichen Beziehungen setzte sich Borudscherdi für die Aufhebung der Verbannung von Kashani im Jahr 1950, seine Rückkehr in den Iran und für die Freilassung von Kashani im Jahr 1956 nach dem Sturz von Mossadegh ein.[7]

Borudscheri sah die Monarchie als Antithese zur säkularen Republik und dem kommunistischen Atheismus. Nachdem er in der Frage der Verstaatlichung der Ölindustrie und deren politischen Folgen Premierminister Mossadegh zunächst unterstützt hatte, rückte er im Laufe der Zeit zunehmend von Mossadegh ab. Er drohte Mossadegh sogar damit nach Najaf zu emigrieren, was das politische Ende seiner Regierung bedeutet hätte. Borudscherdi, der in dieser Zeit eng mit dem Parlamentspräsidenten Ayatollah Kashani zusammenarbeitete, unterstützte am Ende sogar die Ablösung Mossadeghs. Bereits am 13. Juni 1953, zum Fest des Fastenbrechens, brachte Kashani mehr Demonstranten gegen Mossadegh auf die Straße als die Anhänger Mossadeghs in einer Gegendemonstration eine Woche später.[8] Borudscherdi gilt daher nach neueren Forschungsergebnissen als entscheidender Faktor beim Sturz von Mossadegh am 19. August 1953, da es die Geistlichen waren, die die massiven Pro-Schah-Demonstrationen an diesem Tag organisiert hatten, die letztendlich Mossadegh zur Aufgabe seines Amtes zu Gunsten Fazlollah Zahedis zwangen.[9]

Es verwundert daher nicht, dass Borudscherdi nicht gegen die Verfolgung und das Verbot der Tudeh Partei und die aufkeimende Verfolgung der Bahai, jeweils in den Jahren 1954-1955, war. In einer Fatwa (1955) erklärte er Pepsi-Cola für verwerflich, weil der iranische Konzessionär ein bekennender Bahai war. [10]

Seine quietistische Einstellung hielt Boroudscherdi allerdings nicht davon ab, in wichtigen politischen Fragen seinen Einfluss geltend zu machen. Gegen die Frauenemanzipation und Landreform eingestellt erließ er am 16. Mai 1960 eine Fatwa gegen die Reformen des Schahs. Aus Rücksicht auf Boroudscherdi setzte der Schah erst nach dem Tod von Borudscherdi und nach einer Reihe von Konzessionen gegenüber der Geistlichkeit sein Reformprogramm um, das als "Weiße Revolution" in die Geschichte Irans eingehen sollte. So wurde der Islamunterricht in den Schulen ausgeweitet, Unterhaltungsveranstaltungen auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Einrichtungen während religiöser Feiertage verboten, die Verpflichtung des Schahs, für den Schiitischen Islam einzutreten, erneuert, die staatliche Unterstützung für den Bau von Moscheen erhöht und die Zahl der Pilger, die mit Unterstützung öffentlicher Mittel nach Mekka reisen konnten, gesteigert.[11]

Ayatollah Ruhollah Chomeini polemisierte 1970 nachträglich gegen Borudscherdi in seinem Traktat Hokumat-e eslami (Der islamische Staat) und bezeichnete ihn und andere als Pseudofromme:

„Denn sie bilden ein Hindernis auf dem Wege unserer Reformen und unserer Bewegung. Sie haben uns die Hände gebunden. Im Namen des Islam fügen sie dem Islam Schaden zu.“

Ajatollah Chomeini: Der islamische Staat. Übersetzung Nader Hassan und Ilse Itscherenska. Berlin 1983. Seite 164

Zitat

Husain Borudscherdi wird anlässlich des Sturzes von Mohammad Mossadegh im Jahr 1953 folgendes Zitat zugeschrieben:

Wir, die Geistlichkeit, sollen einen islamischen Staat gründen ? ... Wir wären hundertmal größere Verbrecher als die, die jetzt an der Macht sind.[12]

Siehe auch

Quellen

  1. Heinz Halm: Die Schia. Darmstadt 1988 Seite 155
  2. Darioush Bayandor: Iran and the CIA. New York, 2010, S. 78.
  3. Shahrough Akhavi: Religion and Politics in Contemporary Iran. State University of New York Press, 1980, S66.
  4. Heinz Halm: Die Schia. Darmstadt 1988. Seite 153
  5. Houchang Chehabi: Klerus und Staat in der Islamischen Republik Iran. 1993. Seite 19
  6. Darioush Bayandor: Iran and the CIA. New York, 2010, S. 78.
  7. Darioush Bayandor: Iran and the CIA. New York, 2010, S. 79f.
  8. Darioush Bayandor: Iran and the CIA. New York, 2010, S. 80.
  9. Darioush Bayandor: Iran and the CIA. New York, 2010, S. 147-154.
  10. Karl-Heinrich Göbel: Moderne Schiitische Politik und Staatsidee. 1984. Seite 171
  11. Shahrough Akhavi: Religion and Politics in Contemporary Iran. State University of New York Press, 1980, S.92.
  12. Bahman Nirumand u. Keywan Daddjou: Mit Gott für die Macht. Eine politische Biographie des Ayatollah Chomeini. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 1989, Seite 88

Literatur

Weblinks


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