Innergemeinschaftlicher Erwerb

Innergemeinschaftlicher Erwerb

Der innergemeinschaftliche Erwerb (kurz i.g.E.) ist das Gegenstück zur innergemeinschaftlichen Lieferung oder zum innergemeinschaftlichen Verbringen. Mit Hilfe dieser umsatzsteuerlichen Regelungen wird erreicht, dass Lieferungen unter Unternehmern grundsätzlich im Staat des Erwerbers versteuert werden (Bestimmungslandprinzip). Dieses Prinzip gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Ein innergemeinschaftlicher Erwerb kann auch durch Privatpersonen erfolgen, wenn neue Fahrzeuge aus einem anderen EU-Staat erworben werden.

Inhaltsverzeichnis

Begründung für die Besteuerung

Das Rechtsinstrument des innergemeinschaftlichen Erwerbs, korrespondierend mit der innergemeinschaftlichen Lieferung, hat das bis einschließlich 1992 in den einzelnen Mitgliedstaaten der damaligen europäischen Gemeinschaft geltende Zollrecht ersetzt. Es ist der steuerrechtlich bedeutsamste Teil des Europäischen Binnenmarktes, denn statt der Zollabfertigung an den Grenzen der Mitgliedstaaten ist durch den Tatbestand des steuerpflichtigen i.g.E. die (einfachere) Umsatzversteuerung durch den Erwerber getreten.

Rechtliche Grundlagen

Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb

In Deutschland wird der innergemeinschaftliche Erwerb in § 1a geregelt. Ein Geschäft muss folgende Voraussetzungen erfüllen, um einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu begründen:

Gelangensvoraussetzung

Der gelieferte Gegenstand muss physisch von einem Mitgliedstaat in den anderen gelangen. Wird der Gegenstand also vor der Grenze zerstört, liegt keine innergemeinschaftliche Lieferung/Erwerb vor. Besondere Bedeutung hat diese Regelung bei Reihengeschäften, wenn ein ausländischer Unternehmer zwischengeschaltet ist, aber der Gegenstand das Inland nicht verlässt.

Erwerbervoraussetzung

Der Erwerber, der den innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern hat, muss den Gegenstand für sein Unternehmen erwerben. Indem er dem Lieferanten seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mitteilt, signalisiert er, dass es eine geschäftliche Lieferung ist.

Grundsätzlich darf der Erwerber kein Kleinunternehmer sein oder nur steuerfreie Umsätze ausführen (z. B. Arzt). Diese sogenannten Halbunternehmer zahlen wie Privatpersonen die Umsatzsteuer des Landes des Lieferanten, und müssen sich dafür nicht um eine Versteuerung im Inland kümmern. Sobald diese Personengruppe aber mehr als jährlich 12.500€ Erwerbe aus dem europäischen Ausland hat (Erwerbsschwelle), fällt diese Vereinfachungsregelung weg und der Unternehmer muss eine USt-ID-Nummer beantragen und innergemeinschaftliche Erwerbe versteuern. Man kann auch freiwillig auf diese Vereinfachungsregelung verzichten, dieser Verzicht bindet den Unternehmer für zwei Jahre. Für die Ausübung des Verzichts reicht es, dem Lieferanten seine Umsatzsteuer-ID-Nummer vorzulegen. Diese Option ist sinnvoll, wenn die inländische Umsatzsteuer niedriger ist als der Umsatzsteuersatz des Lieferanten. Für andere Unternehmer haben die unterschiedlichen Steuersätze keine Auswirkung, da die Umsatzsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb sofort wieder als Vorsteuer abzugsfähig ist.

Die Erwerbervoraussetzung muss bei der innergemeinschaftlichen Lieferung neuer Fahrzeuge nicht geprüft werden, das heißt, auch Privatpersonen müssen in diesem Fall einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern (§ 1b).

Lieferantenvoraussetzung

Der Lieferant darf kein Kleinunternehmer sein und muss die Lieferung im Rahmen seines Unternehmens erbringen. Diese Voraussetzung bestätigt der Lieferant, indem er die Lieferung steuerfrei unter der Angabe seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erbringt.

Sonderfall Verbringen

§1a Abs. 2 UStG ist das Gegenstück zum innergemeinschaftlichen Verbringen. Ist ein Unternehmer in mehreren Ländern tätig, muss er einen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern, sobald er einen Gegenstand permanent in ein anderes EU-Land überführt, zum Beispiel weil er Artikel zu einer Messe fährt und dort verkauft. Der Unternehmer muss also in mehreren Mitgliedstaaten registriert sein und entsprechende Umsatzsteuer-ID-Nummern besitzen. Dieser Regelung liegt wieder das Bestimmungslandprinzip zugrunde.

Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs

Nach § 3d Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs dort, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet. Wird ein Gegenstand also von Frankreich nach Deutschland befördert, liegt der Ort in Deutschland, und der innergemeinschaftliche Erwerb muss in Deutschland befördert werden. Verwendet der Erwerber eine andere Umsatzsteuer-ID-Nummer als die deutsche, muss zusätzlich noch im Land der ID-Nummer ein Erwerb versteuert werden. Der innergemeinschaftliche Erwerb in Deutschland wird hiervon aber nicht überdeckt, er muss weiterhin besteuert werden. Für den zweiten Erwerb im Ausgabestaat der ID-Nummer ist nach neuester EuGH und BFH-Rechtsprechung kein Vorsteuerabzug mehr möglich[1]. So soll das Bestimmungsland-Prinzip durchgesetzt werden.

Steuerbarkeit, Steuerbefreiungen

Liegen alle Voraussetzungen vor, ist der Erwerb im Inland steuerbar nach §1 Abs. 1 Nr. 5 UStG. In seltenen Fällen ist der Erwerb steuerfrei nach § 4b, die Steuerbefreiungen des §4 UStG greifen nicht.

Bemessungsgrundlage, Steuersatz

Wie auch bei inländischen Lieferungen ist die Bemessungsgrundlage nach § 10 das Entgelt, beim Verbringen wird der Einkaufspreis angesetzt. Je nach Ware beträgt der Steuersatz in Deutschland 7 oder 19%.

Steuerentstehung, Steuerschuldner, Vorsteuerabzug

Die Steuer entsteht mit Ausstellung der Rechnung, spätestens im Monat, der auf die Lieferung folgt (§13 Abs. 1 Nr. 6 UStG). Der Erwerber schuldet die Steuer. Gleichzeitig kann der Erwerber die Umsatzsteuer wieder als Vorsteuer abziehen, wenn nicht Ausschlusstatbestände greifen (zum Beispiel, wenn die Waren für steuerfreie Umsätze verwendet werden). Hier gelten die gleichen Prinzipien wie beim normalen inländischen Vorsteuerabzug.

Einzelnachweise

  1. BFH: Innergemeinschaftliche Erwerbe auf dem Prüfstand - Kein Vorsteuerabzug bei Verwendung einer falschen USt-ID Nummer Deloitte Tax News vom 7. Februar 2011.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • innergemeinschaftlicher Erwerb — ⇡ Erwerbsteuer …   Lexikon der Economics

  • Innergemeinschaftlichen Erwerb — Als innergemeinschaftlicher Erwerb (kurz i.g.E.) wird ein eigenständiger Steuertatbestand des Umsatzsteuerrechts bezeichnet, nach dem der grenzüberschreitende (innerhalb der Europäischen Gemeinschaft) Erwerb von Gegenständen grundsätzlich im… …   Deutsch Wikipedia

  • Innergemeinschaftliche Verbringung — Als innergemeinschaftliche Lieferung wird ein Steuerbefreiungstatbestand des Umsatzsteuerrechts bezeichnet, nach dem eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft von der Umsatzsteuer im Staat des Lieferanten… …   Deutsch Wikipedia

  • Innergemeinschaftliches Verbringen — Als innergemeinschaftliche Lieferung wird ein Steuerbefreiungstatbestand des Umsatzsteuerrechts bezeichnet, nach dem eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft von der Umsatzsteuer im Staat des Lieferanten… …   Deutsch Wikipedia

  • Innergemeinschaftliche Lieferung — Als innergemeinschaftliche Lieferung wird ein Steuerbefreiungstatbestand des Umsatzsteuerrechts bezeichnet, nach dem eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der Europäischen Union (ursprünglich innerhalb der Europäischen Gemeinschaft) von… …   Deutsch Wikipedia

  • Entstehung der Umsatzsteuer (Deutschland) — Eine Steuer entsteht grundsätzlich schon dann, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen erfüllt hat, an die das Gesetz die Steuerpflicht knüpft. Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem eine Lieferung oder… …   Deutsch Wikipedia

  • Differenzbesteuerung — Die folgenden Ausführungen gelten nur für die Umsatzsteuer in Deutschland. Rechtsstand ist hierbei der 1. Januar 2007. Eine erschöpfende Darstellung des deutschen Umsatzsteuerrechts ist auf Grund seines Umfangs und seiner Komplexität im Rahmen… …   Deutsch Wikipedia

  • Istversteuerung — Die folgenden Ausführungen gelten nur für die Umsatzsteuer in Deutschland. Rechtsstand ist hierbei der 1. Januar 2007. Eine erschöpfende Darstellung des deutschen Umsatzsteuerrechts ist auf Grund seines Umfangs und seiner Komplexität im Rahmen… …   Deutsch Wikipedia

  • Märchensteuer — Die folgenden Ausführungen gelten nur für die Umsatzsteuer in Deutschland. Rechtsstand ist hierbei der 1. Januar 2007. Eine erschöpfende Darstellung des deutschen Umsatzsteuerrechts ist auf Grund seines Umfangs und seiner Komplexität im Rahmen… …   Deutsch Wikipedia

  • Reverse Charge — Das Abzugsverfahren (int.: Reverse Charge) ist eine Sondernorm im Umsatzsteuerrecht, die den Übergang der Steuerschuldnerschaft regelt. Nach derzeit geltendem Umsatzsteuergesetz muss ein Leistungserbringer die Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”