Lagrange-Multiplikator

Lagrange-Multiplikator
Visualisierung der Lagrange-Multiplikatorenregel. Die rote Linie stellt die Menge dar, auf der g(x,y) = c erfüllt ist. Die blauen Linien sind Höhenlinien f(x,y) = d für verschiedene Werte von d. An dem Punkt, an dem f unter der Nebenbedingung g = c maximal ist, verläuft g = c tangential zur Höhenlinie f(x,y) = d1. Die Pfeile stellen die Gradienten der Höhenlinien bzw. der Funktion g = c dar.
Dasselbe Problem wie oben, wobei die Funktionswerte von f auf der Höhenachse abgetragen sind.

Die Lagrange-Multiplikatorenregel (nach Joseph-Louis Lagrange) ist in der mathematischen Optimierung eine Methode, Optimierungsprobleme mit Nebenbedingungen umzuformulieren. Ein Optimierungsproblem mit Nebenbedingungen ist die Aufgabe, ein lokales Extremum einer Funktion in mehreren Veränderlichen mit einer oder mehreren Nebenbedingungen zu finden, wobei die Nebenbedingungen durch Setzen von Funktionen auf gegebene Werte definiert seien. Diese Methode führt eine neue unbekannte skalare Variable für jede Nebenbedingung ein, die Lagrange-Multiplikatoren, und definiert eine Linearkombination, die die Multiplikatoren als Koeffizienten einbindet. Das reduziert das Nebenbedingungsproblem auf ein Problem ohne Nebenbedingung. Dies kann dann beispielsweise mit dem Gradientenverfahren gelöst werden.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Zum Verständnis der Funktionsweise betrachten wir den zweidimensionalen Fall mit einer Nebenbedingung. Nehmen wir an, wir wollen eine Funktion f(x,y) unter einer Nebenbedingung g(x,y) = c für eine Konstante c maximieren. Beim Verfolgen der Höhenlinie g = c berühren oder kreuzen wir Höhenlinien von f. Ein gemeinsamer Punkt (x,y) der Nebenbedingung g(x,y) = c und einer Höhenlinie f(x,y) = d kann nur dann Lösung des Optimierungsproblems sein, wenn unsere Bewegung auf der Höhenlinie g = c tangential zu f(x,y) = d verläuft: Andernfalls könnten wir durch Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung auf der vorgegebenen g-Höhenlinie den Funktionswert von f vergrößern oder verkleinern, ohne die Nebenbedingung zu verletzen.

Ein bekanntes Beispiel kann man den Wetterkarten mit ihren Höhenlinien für Temperaturen und Druck entnehmen. Die Extrema unter der Nebenbedingung treten dort auf, wo sich beim Überlagern der Karten Linien berühren. Geometrisch übersetzen wir die Tangentenbedingung, indem wir sagen, dass die Gradienten von f und g beim Maximum parallele Vektoren sind.

Wir suchen also Punkte (x,y) mit g(x,y) = c und

\nabla_{x,y} f = - \lambda \nabla_{x,y} g.

Dabei wurden die folgenden Abkürzungen, bzw. Definitionen für die zugehörigen Gradienten benutzt:

 \nabla_{x,y} f := \left( \frac{\partial f}{\partial x}, \frac{\partial f}{\partial y} \right)

und

 \nabla_{x,y} g := \left( \frac{\partial g}{\partial x}, \frac{\partial g}{\partial y} \right)

Der konstante Lagrange-Multiplikator λ wird dabei benötigt, weil die beiden Gradienten zwar parallel sein sollen, aber als Vektoren unterschiedlich lang sein können. Um alle genannten Bedingungen zu einer Gleichung zusammenzufassen, ist es nützlich die folgende Lagrangefunktion zu verwenden:

 \Lambda(x,y,\lambda) := f(x,y) + \lambda \cdot \Big(g(x,y)-c\Big)

Die Lösung des oben beschriebenen Optimierungsproblems mit einer Nebenbedingung entspricht jetzt einem lokalen Extremum der Lagrangefunktion. Dieses Extremum kann über den Gradienten der Lagrangefunktion berechnet werden:

 \nabla_{x,y,\lambda} \Lambda(x , y, \lambda)=0.

Die ersten beiden Komponenten dieser Gleichung entsprechen dabei der Forderung nach Parallelität der zwei ursprünglichen Gradienten und die dritte Komponente \nabla_{\lambda} \Lambda(x , y, \lambda)=0 ist identisch mit g(x,y) = c.

Punkte, bei denen der Gradient der Lagrangefunktion verschwindet, werden auch kritische Punkte der Lagrangefunktion genannt. Da in manchen Fällen nicht jeder kritische Punkt der Lagrangefunktion das ursprüngliche Optimierungsproblem löst, liefert dieses Verfahren nur eine notwendige Bedingung für die Lösung des Optimierungsproblems.

Beispiel

Darstellung eines Optimierungsproblems mit einer Nebenbedingung

In diesem Beispiel soll die Funktion f(x,y) = x + y unter der Nebenbedingung x2 + y2 = 1 optimiert werden. Die Nebenbedingung entspricht also dem Einheitskreis. Mit Hilfe der Grafik kann das Maximum bei (\sqrt{2}/2,\sqrt{2}/2) sehr leicht berechnet werden. Das Minimum des Optimierungsproblems liegt bei (-\sqrt{2}/2,-\sqrt{2}/2).

Um die Methode der Lagrange-Multiplikatoren anwenden zu können sei g(x,y) − c = x2 + y2 − 1 und

Λ(x,y,λ) = f(x,y) + λ(g(x,y) − c) = x + y + λ(x2 + y2 − 1) = x + y + λx2 + λy2 − λ

Die Bedingung dΛ = 0 ergibt die folgenden drei Gleichungen:

\begin{align}
\frac{\partial \Lambda}{\partial x}       &= 1 + 2 \lambda x &&= 0, \qquad \text{(i)} \\
\frac{\partial \Lambda}{\partial y}       &= 1 + 2 \lambda y &&= 0, \qquad \text{(ii)} \\
\frac{\partial \Lambda}{\partial \lambda} &= x^2 + y^2 - 1   &&= 0. \qquad \text{(iii)}
\end{align}

Die dritte Gleichung (iii) entspricht dabei wie immer der geforderten Nebenbedingung. Mit \lambda \neq 0 kann (i) nach x aufgelöst werden. Dasselbe macht man für Gleichung (ii) und y. Man erhält somit x = − 1 / (2λ) = y. Wird das in (iii) eingesetzt, erhält man 2x2 = 1, also x=\pm \sqrt{2}/2. Die kritischen Punkte berechnen sich damit zu (\sqrt{2}/2,\sqrt{2}/2) und (-\sqrt{2}/2,-\sqrt{2}/2). Die zu optimierende Funktion f hat an diesen zwei Punkten die Werte \sqrt{2}, bzw. -\sqrt{2}.

Mehrere Nebenbedingungen

Es sei f eine in einer offenen Teilmenge U\subseteq \R^n definierte Funktion. Wir definieren s voneinander unabhängige Nebenbedingungen gk(x) = 0, k=1,\ldots,s und setzen

\Lambda(x, \lambda) = f + \sum_{k=1}^s \lambda_k g_k.

Wir schauen uns nun den kritischen Punkt von Λ an

\frac{\partial \Lambda}{\partial x_i} = 0,

was äquivalent ist zu

\frac{\partial f}{\partial x_i} = -\sum_{k=1}^s \lambda_k \frac{\partial g_k}{\partial x_i}.

Wir ermitteln die unbekannten Multiplikatoren λk mit Hilfe unserer Nebenbedingungsgleichungen und haben damit einen kritischen Punkt (d. h. \frac{\partial \Lambda}{\partial x_i} = 0,) von Λ gefunden. Dies ist eine notwendige Bedingung dafür, dass f ein Extremum auf der Menge der Punkte, welche die Nebenbedingungen erfüllen, hat.

Man beachte, dass es deshalb insbesondere falsch ist, davon zu sprechen, die "Lagrangefunktion zu maximieren". Die Lagrangefunktion ist unbeschränkt und besitzt deshalb keine globalen Extrema und kann somit nicht maximiert werden. Die Lagrangefunktion gibt lediglich die Werte an, für die die Zielfunktion bezüglich der Nebenbedingungen maximiert wird.

Bedeutung der Lagrange-Multiplikatoren in der Physik

Die Bedeutung der Lagrange-Multiplikatoren wird bei der Anwendung in der klassischen Mechanik sichtbar. Die Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik im Lagrange-Formalismus werden mit Hilfe der Lagrangefunktion und der Euler-Lagrange-Gleichung bestimmt. Der zusammen mit der Zwangsbedingung in die Lagrangefunktion eingefügte Lagrange-Multiplikator hat die physikalische Bedeutung einer Zwangskraft, die das durch die Bewegungsgleichung beschriebene Objekt zu dieser Bewegung unter der Zwangsbedingung führt. Das folgende Beispiel einer freien Punktmasse m, die sich in zwei Dimensionen auf einer Bahn mit konstantem Radius R bewegt, macht dieses klar:

Lagrangefunktion (kinetische Energie in Polarkoordinaten):

 L = \frac12 m (\dot{r}^2+r^2\dot{\varphi}^2)

Zwangsbedingung:

g = rR = 0

neue Lagrangefunktion:

L^\prime=L+\lambda g

Euler-Lagrange-Gleichung (Hier nur für die radiale Koordinate formuliert, da die Zwangsbedingung von dieser abhängt. Die Winkelkoordinate ergibt die Drehimpulserhaltung für diese Bewegung.):

\frac d{dt}\frac{\partial L^\prime}{\partial \dot{r}}-\frac{\partial L^\prime}{\partial r} = 0
m \ddot{r} - m r \dot{\varphi}^2 - \lambda =0

mit  \ddot{r}=0 und r = R, sowie \dot{\varphi}=\omega (Winkelgeschwindigkeit).

λ = − mRω2

Das entspricht der in Polarkoordinaten formulierten Zentripetalkraft, die die Punktmasse zur Bewegung auf eine Kreisbahn zwingt.

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