Malentwicklung

Malentwicklung

Die Malentwicklung ist die Entwicklung der kindlichen Fähigkeiten beim Malen und Zeichnen.

Verschiedene Stufenmodelle beschreiben die Entwickung der entsprechenden Fertigkeiten und der dazugehörigen Aspekte der Entwicklung der kindlichen Kognition, Persönlichkeit Schreibmotorik und visuellen Wahrnehmung.

Untersuchungen zur Malentwicklung von Kindern sind Teilgebiet der Entwicklungspsychologie und der Pädagogischen Psychologie.

Inhaltsverzeichnis

Phasen der Malentwicklung

Um die Entwicklungsstufen besser beschreiben zu können, werden die einzelnen Phasen herausgestellt. In der Praxis sind die Übergänge fließend.

Das Kleinkindalter (0–3 Jahre)

Kritzelphase (1,10 Jahre)

In der Kritzelphase schult das Kleinkind seine Wahrnehmung und seine motorischen Fähigkeiten durch Abtasten und Ablutschen der Umwelt. Mit ca. acht Monaten hinterlässt das Baby erste Schleif- und Schmierspuren z. B. mit Nahrung oder im Teppich. Wenn ein Kind z. B. mit seiner Hand den Grießbrei auf dem Tisch verschmiert, hat es die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen seiner Gebärde und der hinterbliebenen Spur auf dem Tisch zu erkennen.

Wenn das Spurenmachen bewusst wird, fängt das bildnerische Gestalten an.

Ist die Greiffähigkeit ausgeprägt, kann das Kind nun auch zu Stift, Pinsel etc. greifen. Geeignete Materialien sind: viel Papier (groß und stabil), Fingermalfarben, große Pinsel, gut greifbare Wachsmaler oder Buntstifte.

Die Farbauswahl spielt in dieser Phase noch keine Rolle. Die Entscheidung für eine Farbe geschieht zufällig oder aus praktischen Gründen (liegt am nächsten).

Die Malbewegungen kommen aus dem ganzen Körper und gehen über die Begrenzungen hinaus. Das Kind nimmt zum Beispiel einen Papierrand nicht als Grenze wahr.

Die Bilder wirken wild, expressiv und unkoordiniert.

Mit fortschreitender motorischer Entwicklung begrenzt sich die Maltätigkeit auf den Unterarm. Auf den Bildern sind nur vertikale und horizontale Linien, Zick-Zack- und Schlängellinien, sogenannte Hiebkritzel, Urkreuze und Urknäule zu erkennen.

Ein wichtiger Entwicklungsschritt ist es, die Gebärden zu verlangsamen. Wenn das Kind gewollt seine Malbewegungen verlangsamen kann, vermag es erste geometrische Formen, wie Halbkreise oder Kreise, abzubilden. Dies ist eine Grundvoraussetzung für erste realistische Muster (Quadrat = Haus oder Kreis = Sonne).

Meist malen Kinder in dieser Phase noch keine konkreten Dinge. Sie empfinden an der bloßen Tätigkeit Freude. Bildnerisches Gestalten ist vor allem Spiel und Experiment. Manchmal beschreibt ein Kind auch, was es gemalt hat. Dies kann aber spontan wechseln und kommt meist durch Beeinflussung von außen.

Das Vorschulalter (ca. 4–6 Jahre)

Kopffüßler

Mit zunehmender Auge-Hand-Koordination kontrolliert das Kind den Verlauf der Linien auf dem Malgrund. Erste reale Abbildungen entstehen. Meist sind es Menschen, Tiere oder Bäume, die abgebildet werden.

  • Menschen:

Zuerst werden Menschen als so genannte Kopffüßler abgebildet. Aus dem Kopf wachsen Arme und Beine, wobei die Gliedmaßen eher schemenhaft als Striche gemalt werden. Die Menschen werden meist von vorn abgebildet, wobei das Gesicht oft eine bedeutende Rolle spielt und schon differenziert gemalt wird. Ein Gesicht kann Gefühle, wie Freude Zorn und Trauer gut ausdrücken.

  • Tiere:

Tiere sieht man auf Kinderbildern im Gegensatz zum Menschenbild meist seitlich. Sie haben Kopf, Rumpf und Gliedmaßen. Die Anzahl der Gliedmaßen stimmt oft nicht. Ein Kind malt nicht von einem Vorbild ab, sondern es greift auf seinen Erfahrungsschatz zurück. So kann ein abgebildeter Vogel z. B. vier Beine haben, weil das Kind noch nicht bewusst erfahren hat, dass Vögel nur zwei Beine haben, weil sie sich meist fliegend fortbewegen.

  • Farbauswahl

Die Farbauswahl ist zunächst noch nicht realistisch, sie wird eher nach Neigung getroffen.

Es gibt verschiedene Arten von Bildern, die aber auch oft in Kombination vorkommen:

  • Streubilder: Eine Ansammlung von Gegenständen, die wie zufällig verstreut wirken.
  • Standlinienbilder: Hier gibt es eine Bodenlinie, auf der alles steht. In dieser Phase gibt es noch keinen *Hintergrund; es ist selbstverständlich, dass die weiße Fläche des Blattes Luft ist.
  • Simultanbilder: Sind der Versuch, mehrere Ansichten oder Raumgebilde in eine entsprechende Darstellung zu bringen (z. B. Draufsicht).
  • Röntgenbild: Hier sieht man eine äußere Hülle, von der das Innere abgebildet wird (z. B. Haus mit einzelnen Zimmern).
  • Bewegungsdarstellung: Hier sind Schwunglinien hinter sich bewegenden Gegenständen, oder sich bewegende Gliedmaßen sind eingeknickt.
  • Mehrphasenbild: Ein sich bewegender Gegenstand wird mehrmals in unterschiedlichen Perspektiven dargestellt (ähnlich einem Daumenkino); dies ist auch eine Form der Bewegungsdarstellung.
Nach der Kopffüßlerphase

Mit etwa fünf bis sechs Jahren entdeckt das Kind die Bedeutung der Flächenausmaße. Das Blatt Papier wird dann mit seinen Grenzen wahrgenommen. Es können Situationen bzw. Szenen dargestellt werden. Die Größenverhältnisse des Gemalten entsprechen noch nicht der Realität, sondern eher der Wichtigkeit. Die Beobachtungen und Erlebnisse der Kinder werden mit der Zeit genauer und intensiver. Die Wahrnehmung ist schon geschulter, und der Wissensstand erweitert sich. Die Darstellungen werden immer differenzierter und breiten sich über die gesamte Fläche des Blattes aus. Der Realismus der Abbildung wird immer ausgereifter.

Die gemalten menschlichen Körper nehmen anatomische Formen an. Es sind Kopf, Rumpf sowie unterschiedene Gliedmaßen wie Hände und Füße zu erkennen. Der einzelne Mensch wird auch klar definiert, und Eigenschaften wie groß, klein, männlich, weiblich, alt, jung usw. werden mit ihm abgebildet. Der Mensch wird auch in anderen Ansichten, z. B. Profilansicht, gemalt. Die Menschenabbildungen weisen Schmuck und Kleidung, aber auch mitgebrachte Gegenstände auf (Schleifen im Haar, Koffer, Röcke).

Das Grundschulalter (ca. 7–10 Jahre)

Perspektivischer Versuch

Bis zum achten Lebensjahr werden die vorangegangenen Bildformen und ihre Facetten auf so genannten Mischbildern (verschiedene Bildformen ineinander) zu sehen sein. Die Darstellungsweise wird immer detailgetreuer und präziser. Die Farbgebung, die Größenverhältnisse und die Details entsprechen der Realität mehr und mehr.

Das Kind entdeckt die Räumlichkeit und malt nun perspektivisch.

  • Schrägbild: Hier gibt es Linien, die schräg nach hinten verlaufen. Sie sollen die Raumtiefe signalisieren.
  • Luftbild: Ist eine Weiterentwicklung des Simultanbildes, in einer Art Stadtplanansicht.
  • Horizontalbild: Eine Weiterentwicklung des Standbildes. Hier treffen sich Himmel und Erde.

Mit der Schulzeit fängt oft auch eine Krise des bildnerischen Gestaltens an. Der Drang zur perfekten, realistischen Darstellung wird oft durch Zensurendruck in der Schule verstärkt. Nun malt das Kind nicht mehr nur aus Freude, sondern es möchte den eigenen und fremden Erwartungen gerecht werden und steht unter Leistungsdruck. Bei Abwertung bzw. Fehleinschätzung der ästhetischen Leistung z. B. durch eine schlechte Note kann es passieren, dass ein Kind die Freude am Malen verliert. Im schlimmsten Fall kann seine Persönlichkeit sich nicht voll entfalten. Kinder brauchen die bildnerische Darstellung auch als Ventil ihrer Emotionen, zur Dokumentation ihrer Wahrnehmung, zur Verarbeitung von Erlebnissen, sowie zur Darstellung von Fiktionen.

Literatur

  • Gert Beyer, Maximilian Knötzinger: Wahrnehmen und Gestalten, M. Knötzling Stam-Verlag, ISBN 3762300496
  • Andreas Cieslik-Eichert, Claus Jacke: Kreatives Handeln in Fachschulen für Sozialpädagogik, Verlag: Bildungsverlag E1NS; 2. Auflage (Oktober 2005), ISBN 3-8237-3466-0
  • Handbuch Kunst und Gestalten Therapie und Praxis für die Arbeit mit Kindergruppen, Dr. Braun Herder Verlag, ISBN 3451266172
  • Berliner Bildungsprogramm, Land Berlin Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Verlag das Netz, ISBN 3937785299

Siehe auch


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