My Favorite Things (Album)

My Favorite Things (Album)
My Favorite Things
Studioalbum von John Coltrane
Veröffentlichung 1961
Label Atlantic
Format LP, CD
Genre Jazz
Anzahl der Titel 4
Laufzeit 40:42 (LP)

Besetzung

Produktion Nesuhi Ertegün
Studio Atlantic Studio, New York City
Chronologie
Coltrane Jazz
(1960)
My Favorite Things Africa/Brass
(1961)

My Favorite Things ist ein Jazz-Album von John Coltrane, aufgenommen in New York City am 21., 24. und 26. Oktober 1960 und veröffentlicht im März 1961 auf Atlantic Records. Es wird von vielen Jazzkritikern als eine der bedeutendsten Aufnahmen des Modern Jazz bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte des Albums

Nachdem John Coltrane nach einer Europatournee endgültig[1] die Band von Miles Davis verlassen hatte, erneuerte er seine Anstrengungen zur Gründung einer eigenen Formation, zunächst mit Steve Kuhn, Steve Davis und Pete LaRoca.[2] Schließlich wechselte er für Kuhn im Sommer 1960 den Pianisten McCoy Tyner, für LaRoca im Herbst den Schlagzeuger Elvin Jones ein, mit denen er im Oktober 1960 dreimal für Atlantic ins Studio ging. Zunächst entstanden die Alben Giant Steps und Coltrane Jazz,.

Das Album

My Favorite Things, ist das dritte Album des Saxophonisten für Atlantic Records. Bei den Aufnahmen zu diesem Album führte er ein neues Quartett ein, bestehend aus dem Pianisten McCoy Tyner, dem Schlagzeuger Elvin Jones und Bassist Steve Davis.[3]

Das Album markierte deutlich den musikalischen Wandel Coltranes von Spielformen des Hardbop hin zu denen des modalen und dann des Free Jazz, was sich in den 1961 folgenden Aufnahmen für das Label Impulse! Records noch deutlicher ausprägen sollte. Das Album beginnt mit der harmonischen Umarbeitung des Broadway-Songs „My Favourite Things“ aus dem Musical The Sound of Music, komponiert von Richard Rodgers (auf einen Text von Oscar Hammerstein).

Gleichzeitig war dies die erste Aufnahme, die von Coltrane auf dem Sopransaxophon erschien; es war zu dieser Zeit als Jazz-Instrument ungewöhnlich.[4] Der Titel „My Favorite Things“ zeigt auf beeindruckende Weise die Neuaneignung des Instruments durch Coltrane. „Bei Coltrane wurde der Dreivierteltakt [des Songs] zum Metrum der Trance und das damals noch (ungewohnte) Sopransax zu einer Art arabischer Oboe.“[5]

Die Jazzkritiker Richard Cook und Brian Morton betonen in diesem Zusammenhang, Coltranes Bearbeitung sei als ein radikaler Umsturz (Subversion) eines populären Songs des Great American Songbooks zu betrachten.[6] Zudem gilt Coltranes Spiel auf Skalen als Integration von östlichen Idiomen, basierend auf Coltranes Interesse für die nordindische Musik von Ravi Shankar.[7] „Dem Thema des Walzers von Rodgers und Hammerstein hängte Coltrane eine lange Passage in E-Moll, bzw. nach Wiederholung des Themas in E-Dur an und improvisierte ausladend über beide Teile.“[8] Auch änderte er die Akkordfolge des Stücks. Das Stück wird jedoch nicht als Walzer gespielt, sondern hat eher einen 6/4 Takt mit einer Betonung der punktierten Halben, und auch die sequenzenhafte Wiederholung des Motivs kommt einer modalen Auffassung entgegen.

Diese Interpretation des Stücks durch Coltrane war „ein Meilenstein in mehrfacher Hinsicht: Sie brachte dem Saxophonisten den Durchbruch, sie machte sein Quartett (...) zur Formation der Stunde, sie etablierte das Sopransaxophon im modernen Jazz und sie erhob einen unbedeutenden Song aus einer sterbenden Musical-Kultur über Nacht zum Jazzstandard.“[5] Nach dieser Aufnahmesitzung spielte Coltrane größtenteils modal; in den folgenden Jahren wurde „My Favorite Things“ regelmäßiger Bestandteil des Liveprogramms des John Coltrane Quartetts, oft weit ausgedehnter und freier interpretiert als diese 13minütige, eher kontrolliert gespielte Urversion des Stücks.[9] Der Song ist später wenigstens achtzehn Mal aufgenommen und auf Alben Coltranes dokumentiert worden; dies blieb aber die einzige Studioversion, die Coltrane eingespielt hat.

Die weiteren Titel des Albums, die von George Gershwin komponierten StandardsSummertime“, „But Not for Me“ und Cole Porters „Everytime We Say Goodbye“ stehen ebenfalls unter dem Einfluss der modalen Spielweise der Miles Davis-Band, mit der Coltrane anderthalb Jahre zuvor den Klassiker Kind of Blue einspielte.

Die Ballade „Everytime We Say Goodbye“ wird von Coltrane ebenfalls auf dem Sopran mit weichen Tönen in den oberen Registern vorgestellt.[10] Die Coltrane-Biographen Filtgen und Außerbauer weisen auf das einfühlsame Solo von McCoy Tyner hin, der „mit fließender Melodik dem Thema neue Ebenen eröffnet.“ „Summertime“ hebt sich durch seinen energisch drängenden, im upbeat-Tempo gespielten Vortrag stark von der bekannten lyrischen Miles-Davis-Version von 1958 ab, die der Trompeter auf dem Album Porgy and Bess einspielte. Tyners Solo ist ebenso kräftig wie Coltranes und perkussiv angelegt. Filtgen und Außerbauer heben den Ausklang des Albums mit "But Not For Me" hervor; das Gershwin-Stück wird im mittelschnellen Tempo und ganz entspannt angegangen.

Bewertung und Wirkung des Albums

Die Woche im Oktober 1960 gilt nach Lewis Porter als bedeutendste in Coltranes Werk für Atlantic. Die Aufnahmen für My Favorite Things, insbesondere das Titelstück, brachten dem Saxophonisten eine breite Anerkennung beim Jazzpublikum; das Stück wurde in den Vereinigten Staaten ein Jazzhit.[11] Der Coltrane-Biograph Ashley Kahn bezeichnet Coltranes Stil um 1960/61, kurz vor seinem Wechsel zum neu gegründeten Jazzlabel Impulse Records, als den damals einflussreichsten des Modern Jazz; mit seinen harmonischen Veränderungen wurde er als der führende Innovator wahrgenommen bzw. verehrt.[12]

Richard Cook und Brian Morton, die in ihrem The Penguin Guide to Jazz sowohl die (spätere) Gesamtedition The Heavyweight Champion als auch die Original-LP mit der Höchstnote bewerteten, heben insbesondere den Titelsong als Kernstück des Coltrane-Repertoires hervor. Auch Brian Priestley hebt im Rough Guide Jazz das Album aus der umfangreichen Coltrane-Diskographie hervor und erwähnt die modale Improvisation des Titelstücks sowie die einfühlsame Ballade Everytime We Say Goodbye.[13]

Diskographische Anmerkungen

Das im März 1961 veröffentlichte Album enthielt die ersten Aufnahmen der drei Oktober-Sessions des John Coltrane Quartetts. Die weiteren, am 21., 24. und 26. Oktober 1960 eingespielten Titel erschienen erst, als der Saxophonist bei Impulse! Records unter Vertrag war; im Juli 1962 das Album Coltrane Plays the Blues (Atlantic 1382) und im Juni 1964 Coltrane’s Sound (Atlantic 1419). Die alternate takes der Oktober-Sessions wurden nach Coltranes Tod unter dem Titel The Coltrane Legacy (Atlantic 1553) im April 1970 und Alternate Takes (Atlantic 1668) im Januar 1975 veröffentlicht. Die kompletten Aufnahmen erschienen 1995 in der Reihenfolge ihrer Entstehung mitsamt der jeweils entstandenen alternate takes in der 6-CD-Edition The Heavyweight Champion – The Complete Atlantic Recordings.

Die Titel

  • John Coltrane Quartet – My Favourite Things (Atlantic 1361 (LP)/ 812275350-2 (CD))
  1. My Favorite Things (Richard Rodgers/Oscar Hammerstein) – 13:41 (21. Oktober 1960)
  2. Everytime We Say Goodbye (Cole Porter) – 5:39 (26. Oktober 1960)
  3. Summertime (George Gershwin) – 11:31 (24. Oktober 1960)
  4. But Not for Me (Gershwin) – 9:34 (26. Oktober 1960)

Die Oktober-Sessions in chronologischer Abfolge

  • 21. Oktober 1960, Atlantic Studios, NYC
  1. Village Blues (2 takes)
  2. My Favourite Things
  • 24. Oktober 1960, Atlantic Studios, NYC
  1. Central Park West
  2. Mr. Syms
  3. Untitled Original (Exotica)
  4. Summertime
  5. Body and Soul (2 takes)
  6. Blues to Elvin (2 takes)
  7. Mr. Day
  8. Blues to You (2 takes)
  9. Blues to Bechet
  10. Satellite
  • 26. Oktober 1960, Atlantic Studios, NYC
  1. Everytime We say Goodbye
  2. 26-2
  3. But Not for Me
  4. Liberia
  5. The Night Has Thousand Eyes
  6. Equinox

Literatur

  • Ian Carr, Digby Fairweather & Brian Priestley: Rough Guide Jazz, Stuttgart, Metzler 2004 (2. Auflage), ISBN 978-3-476-01892-2.
  • Richard Cook & Brian Morton. The Penguin Guide to Jazz on CD 6th edition. ISBN 0-14-051521-6.
  • Gerd Filtgen/Michael Außerbauer: John Coltrane. Oreos, Schaftlach, 1989.
  • Ashley Kahn: The House That Trane Build. The Story of Impulse Records. Norton, London/NYC 2004. ISBN 978-0-393-05879-6.
  • Lewis Porter: John Coltrane – The Atlantic Years. Liner Notes der Atlantic-Edition The Heavyweight Champion.

Weblinks

Anmerkungen/Quellennachweise

  1. Coltrane wirkte dann noch als Gastmusiker als den zwei Miles Davis Titeln „Teo“ und „Someday My Prince Will Come“ im März 1961 mit, erschienen auf dem Columbia-Album Someday My Prince Will Come.
  2. Vgl. L. Porter, S. 16. In dieser Formation trat er nach der Europa-Tournee Anfang Mai 1960 in der Jazz Gallery auf.
  3. Diesem sollten bald die Bassisten Reggie Workman und dann Jimmy Garrison folgen; letzterer komplettierte dann schließlich das klassische John Coltrane Quartet.
  4. Coltrane hatte das Instrument, nachdem er zuvor Steve Lacy auf dem Instrument erlebt hatte (vgl. Steve Lacy in einem Interview, es bei einigen Live-Auftritten verwendet und am 28. Juni bzw. am 8. Juli 1960 einige Stücke mit den Ornette Coleman-Musikern Don Cherry und Ed Blackwell aufgenommen, die aber erst später auf Atlantic veröffentlicht wurden. Vgl. Porter, S. 17.
  5. a b Hans-Jürgen Schaal (Hrsg.) Jazz-Standards. Das Lexikon; Bärenreiter, Kassel, 2004, S. 303
  6. vgl. hierzu auch die stilistische Analyse von Scott Anderson, The Evolution of My Favorite Things (Masterarbeit Gustavus Adolphus College, St. Peter, Minnesota 1996), die diese Version mit dem Original und drei späteren Versionen Coltranes vergleicht.
  7. Lewis Porter betont als weitere Vorbilder Coltranes Dizzy Gillespie Erforschungen der lateinamerikanischen Musik sowie Ahmed Abdul-Malik, Bassist von Thelonious Monk 1957, als Coltrane in dessen Band spielte, der sich mit der Musik des Mittleren Ostens beschäftigte; vgl. Porter, S. 21. Später kommen noch Bearbeitungen afrikanischer Musik seines Freundes, des Perkussionisten Babatunde Olatunji, hinzu, für den Coltrane seine Komposition Tunji schrieb.
  8. Zit. nach Filtgen/Außerbauer, S. 56.
  9. Auf dem Newport Jazz Festival 17 Minuten lang, in Stockholm 1961 zwanzig Minuten lang und im Village Vanguard sogar damals absolut unübliche 26 Minuten lang. Vgl. Schaal, a.a.O.
  10. zit. nach Filtgen/Außerbauer, S. 151.
  11. Vgl. Porter und Kahn.
  12. Vgl. Ashley Kahn, S. 46 f.
  13. Vgl. Brian Priestley, S. 132.

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