Als wir Waisen waren

Als wir Waisen waren

Als wir Waisen waren ist ein Roman des britischen Schriftstellers Kazuo Ishiguro. Das Buch ist 2000 unter dem Titel When We Were Orphans im Verlag Faber and Faber in London erschienen und wurde im gleichen Jahre von Sabine Herting ins Deutsche übersetzt.

Der Roman wurde für den höchsten britischen Literaturpreis, den Booker Prize nominiert.

In dem Buch geht es um den mühseligen Prozess des Ich-Erzählers, mit einem traumatischen Erlebnis in seiner Kindheit fertig zu werden. Als er 10 Jahre alt war, sind seine beiden Eltern in Shanghai innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf ungeklärte Weise verschwunden, er wird als Waise nach England zu einer Verwandten und später ins Internat geschickt und kehrt als Erwachsener mit dem festen Vorsatz nach Schanghai zurück, das größte Verbrechen, wie er es nennt, aufzuklären.

Schauplatz des Romans ist ein Schanghai in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, die Zeit vor der Revolution, als eine gemischte Gesellschaft von ausländischen Diplomaten und Geschäftsleuten luxuriös in einem ghettoartigen Ausländerviertel lebt, streng getrennt von einer im wirtschaftlichen Elend vegetierenden einheimischen Bevölkerung. Ein zweiter Schauplatz ist das London der 30er-Jahre, in dem eine vergnügungssüchtige Gesellschaft die Vorzeichen drohender kriegerischer Auseinandersetzungen in Europa und Asien ignoriert und schließlich im letzten Teil des Romans ein Schanghai, das unter dem Kanonenfeuer japanischer Kriegsschiffe liegt, wo Tschiang-Kai-schek und die Kommunisten um die Befreiung Chinas von fremder Herrschaft kämpfen und die heile Welt des internationalen Viertels in den Gräueln die Krieges zusammenbricht.

Inhalt

Christopher Banks, der Erzähler, wächst als einziges Kind eines englischen Ehepaars in einer Villa im Ausländerviertel Shanghais auf. Der Vater arbeitet für eine englische Firma, die in einen florierenden Opiumimport nach China involviert ist. Christophers Mutter, eine junge, schöne und sehr aufrichtige Frau, engagiert sich mit einer Gruppe gleichgesinnter Engländerinnen in einer Kampagne gegen den Opiumhandel, in dem sie eine Ursache des Elends der chinesischen Bevölkerung sieht. Unterstützt wird sie dabei von „Onkel Philipp", ein Freund der Familie. Spielkamerad Christophers ist der gleichaltrige Japaner Akira, mit dem er dramatische Fantasiespiele aufführt.

Als Christopher 10 Jahre alt ist, verlässt der Vater eines Morgens das Haus, um nicht mehr zurückzukehren. Wie allgemein angenommen wird, wurde er Opfer einer Entführung, chinesische Detektive fahnden vergeblich nach den Entführern. Wenig später, als er in Begleitung Onkel Philipps einen Ausflug macht, verschwindet auch die Mutter.

Christopher wird in Begleitung eines alten Obersts nach England zu einer Tante geschickt. Er gilt als Waise, wird aber diese Tatsache nicht für sich akzeptieren. Er fasst den Entschluss, Detektiv zu werden, nach Schanghai zurückzukehren, das Verbrechen aufzuklären und seine Eltern wiederzufinden. Nach dem Besuch eines Internats und dem Abschluss seines Studiums in Cambridge, wird er Privatdetektiv und klärt in England mehrere spektakuläre Verbrechen auf. Er macht eine Erbschaft, so dass er finanzielle unabhängig wird.

Britische Soldaten sichern Straßen in Shanghai, 1932
Sperren um das Europäerviertel in Shangai, 1932

1937 kehrt er in ein verändertes Schanghai zurück. Die Stadt ist demilitarisierte Zone. In China, das von einem expansionslüsternen Japan bedroht wird, kämpfen kommunistische Truppen und der Kuomintang um die Vorherrschaft, und Warlords richten sich lokale Herrschaftsgebiete ein. Japanische Kanonenboote nehmen Shanghai unter Beschuss, und die Bewohner des Ausländerviertels sind aufs höchste beunruhigt. Ein Gesprächsthema der Ausländerkolonie ist die Gelbe Schlange, in der man eins der Übel ihrer jetzigen Situation vermutet.

Christopher macht sich auf die Suche nach seinen Eltern, findet mit Hilfe eines chinesischen Detektivs, in seiner Kindheit von ihm bewundert und jetzt ein heruntergekommener Säufer, einen Hinweis auf ein Haus, in dem die Eltern angeblich festgehalten werden. Das Haus liegt zwischen den feindlichen Fronten, trotzdem macht er sich auf die Suche. Er findet sich in einem wahren Albtraum wieder, überall rauchende Trümmer, Leichen chinesischer Frauen und Kinder, verstümmelte japanische Soldaten. Er trifft auf einen japanischen Soldaten und meint, in diesem Akira zu erkennen. Der Japaner kann ihm zwar bei der − erfolgreichen − Suche nach dem Haus helfen, wird aber von japanischen Soldaten als Verräter verhaftet. Das Haus ist natürlich leer, von den Eltern keine Spur.

Erst ein von der chinesischen Geheimpolizei vermitteltes Gespräch mit „Onkel Philipp“ gibt ihm endlich Aufklärung über die Ereignisse bei dem Verschwinden der Eltern und die Wahrheit über deren Verbleib.

Ausgaben

Weblinks


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