Demut

Demut

Der Ausdruck Demut kommt aus dem althochdeutschen diomuoti („dienstwillig“, also eigentlich „Gesinnung eines Dienenden“) und wurde von Martin Luther zur Übersetzung der biblischen Ausdrücke tapeinophrosyne (griechisch) bzw. der lateinischen Übersetzung humilitas benutzt. Im christlichen Kontext bezeichnet es die Haltung des Geschöpfes zum Schöpfer analog des Verhältnisses von Knecht zum Herrn, allgemeiner die „Tugend, die aus dem Bewusstsein unendlichen Zurückbleibens hinter der erstrebten Vollkommenheit (Gottheit, sittliches Ideal, erhabenes Vorbild) hervorgehen kann“[1], möglicherweise auch die Ergebenheit, die in der Einsicht in die Notwendigkeit und im Willen zum Hinnehmen der Gegebenheiten begründet ist.[2]

Inhaltsverzeichnis

Begriffserklärung

Der Demütige erkennt und akzeptiert aus freien Stücken, dass es etwas für ihn Unerreichbares, Höheres gibt.

In Abhängigkeitssituationen kann Demut jedoch bis zur unfreien oder erzwungenen Selbstunterwerfung gehen. Vor allem hier ist zu unterscheiden zwischen innerer Einstellung und bloß äußerlichem Verhalten: Man spricht von falscher Demut, wenn es nur darum geht, den Eindruck der Demut zu erwecken; von unechter Demut, wenn Demut mit sklavischer Gesinnung einhergeht (vulgo: Kriechertum, vgl. auch Sklavenmoral).[3]

Zu unterscheiden ist so auch zwischen Demut und Demütigung als öffentliche Erniedrigung oder Beschämung, die der Starke dem Schwachen zufügt. Der im besten Sinne Demütige kann sich vom Mangel an Demut, dem Hochmut, gedemütigt finden; ebenso jedoch kann solche Demütigung als Waffe gegen den Hochmut gewendet werden.

Demut als Tugend und als Fehlhaltung in Religion und Philosophie

Die Demut bei den Griechen und Römern

Die Demut setzt wie die Unterwürfigkeit ein Herr-Knecht-Verhältnis voraus. Bei den Griechen und Römern war sie eine geringgeachtete Haltung.[4]

Die Demut als (jüdische und christliche) religiöse Grundhaltung

Demut bedeutet das Anerkennen der Allmacht Gottes. Demut beschreibt demnach die innere Einstellung eines Menschen zu Gott.

Die Demut spielt im jüdischen und christlichen Denken eine besondere Rolle. Im Alten wie im Neuen Testament ist Demut eine wesentliche Eigenschaft des wahren Gläubigen, desjenigen, der mit Gott im Reinen ist. Die Wurzel des verwendeten hebräischen Wortes enthält die Bedeutungen von „sich beugen“ oder „herabbeugen“. Demut wird im Alten Testament dem Hochmut entgegengesetzt (Sprüche 29, 23).

Gott demütigt Menschen, um sie zu ihm (zurück) zu bringen (z. B. Deuteronomium 8,2–3), und Menschen demütigen sich selbst vor Gott, um von ihm angenommen (akzeptiert) zu werden (z. B. 1. Könige 21,29; 2. Chronika 7,14).

„Demütig mit/vor seinem Gott zu wandeln“ vollendet Gottes Anspruch an den Menschen (Micha 6,8). „Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen.“ (Jesaja 57,15; vgl. Jesaja 66,2.)

Entgegen manchen Formen des religiösen Lebens, in denen eher Demütigung als Demut im Vordergrund stand, wird in der heutigen christlichen Spiritualität Demut nicht als ein sich klein Machen oder als Leugnen des eigenen Wertes gesehen, sondern als realistische Selbsteinschätzung des Menschen in seiner Position in der Welt: seiner eigenen Geringfügigkeit im Vergleich mit der Größe Gottes, aber zugleich seine Würde und seinen Wert als Geschöpf und Kind Gottes.

Für Christen bedeutet Demut gegenüber Gott, ihn anzubeten, ihn zu achten, zu ehren und zu loben, weil man erkennt, dass alles, was man ist und hat, von Gottes Gnade ist.

Beispiele für ein demütiges und letztendlich gesegnetes Leben sind in der Bibel im Alten Testament Ijob und in den Spätschriften Tobit. Aus diesen Begebenheiten können und sollten die Menschen, nach christlicher Auffassung, auch heute noch lernen. Ferner ist als Fazit aus solchen Erzählungen zu erkennen, dass im christlichen Glauben die Demut der Schlüssel zu allem ist. Nur der Demütige wird den Segen des Herrn empfangen.

Nach Meister Eckhart ist die Demut Grundvoraussetzung christlichen Lebens:

  • „Denn vollkommene Demut geht auf das Vernichten seiner selbst und stellt sich selber unter alle Kreaturen.“[5]
  • „Das sicherste Fundament, auf dem diese Vollkommenheit sich zu erheben vermag, das ist die Demut; denn wessen Natur hier in der tiefsten Niedrigkeit kriecht, dessen Geist fliegt auf zur höchsten Höhe der Gottheit.“[6]

Weitere Hinweise auf das Ziel des demütigen Menschen finden sich unter anderen bei Franz von Sales und besonders in seinem Werk Philothea sowie im Buch von der Nachfolge Christi, einer Schrift, die mehrheitlich Thomas von Kempen zugeschrieben wird.

Papst Johannes XXIII. schrieb unter anderem:

  • „Mein demütiges und nun langes Leben hat sich entwickelt wie ein Knäuel unter dem Zeichen der Einfachheit und Reinheit. Es macht mir nichts aus anzuerkennen und zu wiederholen, daß ich nichts bin und nichts gelte als ein reines Nichts. Der Herr ließ mich aus dem armen Volk geboren werden und hat an alles übrige gedacht. Ich habe ihn machen lassen.“[7]
  • „Solange jemand sein Ich nicht unter seine Füße gesetzt hat, ist er nicht frei.“[8]

Die Demut in der modernen Philosophie

Kant versuchte die Demut zu entchristlichen und definiert sie um:

  • „Das Bewußtsein und Gefühl der Geringfähigkeit seines moralischen Werts in Vergleichung mit dem Gesetz ist die Demut (humilitas moralis) (Metaphysik der Sitten, A 94)“[9]

„Für Nietzsche gehört Demut zu den gefährlichen, verleumderischen Idealen, hinter denen sich Feigheit und Schwäche, daher auch Ergebung in Gott verstecken.“[10]

Im philosophischen Kontext wird auch von Seinsdemut als „die Grundhaltung des echten Philosophen vor der Wirklichkeit“ gesprochen.[3]

Demut in der Psychologie

Nach Erich Fromm (Die Kunst des Liebens) ist Demut die der Vernunft und Objektivität entsprechende emotionale Haltung als Voraussetzung der Überwindung des eigenen Narzissmus.

Demut in der Ethologie

In übertragener Form werden Verhaltensweisen eines Tieres, die vom Beobachter als Signal für eine Hemmung der innerartlichen Aggressivität gedeutet werden, im Rahmen der Instinkttheorie der Ethologie als „Demutsgebärden“ bezeichnet.

Literatur

Quellen

  1. Schischkoff: Philosophisches Wörterbuch, 22. Aufl. (1991), ISBN 3-520-01322-3/Demut
  2. So Vorversion ohne Nachweis
  3. a b So Schischkoff, Philosophisches Wörterbuch, 22. Aufl. (1991), ISBN 3-520-01322-3/Demut m.w.N.
  4. Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), ISBN 3-7873-1738-4/Demut
  5. Meister Eckhart, Von der Abgeschiedenheit (Traktat 9), in: Ders., Vom Wunder der Seele [1990], S. 23 (24)
  6. Meister Eckhart, Von der Abgeschiedenheit (Traktat 9), in: Ders., Vom Wunder der Seele [1990], S. 23 (27)
  7. Papst Johannes XXIII., Geistliches Tagebuch, aus: Bühlmann, Johannes XXIII., 3. Aufl. [2000], S. 69
  8. Papst Johannes XXIII., aus: Bühlmann, Johannes XXIII., 3. Aufl. [2000], S. 75
  9. zitiert nach Regenbogen/Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe (2005), ISBN 3-7873-1738-4/Demut
  10. Schischkoff, Philosophisches Wörterbuch, 22. Aufl. (1991), ISBN 3-520-01322-3/Demut

Siehe auch

 Wikiquote: Demut – Zitate
Wiktionary Wiktionary: Demut – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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