Freudensteintunnel

Freudensteintunnel
Freudensteintunnel
Freudensteintunnel
Ostportal des Freudensteintunnels
Nutzung Eisenbahntunnel
Verkehrsverbindung Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart
Ort Stromberg
Länge 6.824 m
Anzahl der Röhren 1
Größte Überdeckung 101 m
Bau
Bauherr Deutsche Bundesbahn
Baubeginn 14. Januar 1987
Fertigstellung Anfang 1991
Betrieb
Betreiber DB Netz
Freigabe 2. Juni 1991
Lage
Freudensteintunnel (Baden-Württemberg)
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Koordinaten
Nordwestportal 49° 2′ 52,5″ N, 8° 47′ 46″ O49.0479258.796101
Südostportal 49° 0′ 32,8″ N, 8° 52′ 3,9″ O49.0091078.867759

Der Freudensteintunnel ist mit einer Länge von 6824 m (Streckenkilometer 62,10 bis 68,90[1]) der längste Eisenbahntunnel der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart. Der Tunnel unterquert etwa in seiner Mitte den Ortsteil Freudenstein der Gemeinde Knittlingen und trägt daher seinen Namen.

Das Bauwerk gilt als hydrologisch und geologisch schwierigster Tunnel der Neubaustrecke.[2]

Inhaltsverzeichnis

Verlauf und Lage

Westportal des Freudensteintunnels

Der zweigleisige und mit planmäßig mit bis zu 250 km/h befahrene Tunnel unterquert den Naturpark Stromberg, die so genannte Strombergmulde, im Bereich der Gemarkungen Oberderdingen (Landkreis Karlsruhe) und Knittlingen (Enzkreis).

Die Trasse verläuft Richtung Stuttgart in südöstlicher Richtung.[3] Sie verläuft dabei zunächst in einer Gerade und geht anschließend in eine Rechtskurve (Richtung Stuttgart) mit einem Bogenradius von 10.000 m[4] über, auf die eine weitere Gerade folgt.[3]

Die Gradiente steigt dabei zunächst mit rund einem Promille an und geht, bei km 64, in eine Steigung von 12,403 Promille über[5]. Die Überdeckung liegt bei bis zu 101 m[1], dem höchsten Wert der Neubaustrecke[6].

In der Nähe des Nordwestportals des Tunnels liegt, im Tunnel, die Überleitstelle Freudenstein. An das Südostportal des Tunnels schließt sich ein Einschnitt an[5].

Beim Kilometer 65,0 (49° 1′ 55″ N, 8° 49′ 43″ O49.0319444444448.8286111111111) führt ein Notausgang an die, an dieser Stelle rund 50 m über der Gleisachse liegende, Oberfläche, am östlichen Rand des Ortsteils Freudenstein. An das Südostportal schließt sich ein Trogbauwerk an.

Geschichte

Planung

Der Tunnel war in seiner heutigen Form nie vorgesehen und geht auf einen besonders intensiven Widerstand in den örtlichen Gemeinden zurück.[7]

Noch 1983 war eine Länge von 6.635 m für das Bauwerk geplant.[8][9] Die Portale sollten demnach bei den Streckenkilometern 62,100 und 68,735 entstehen.[6] Um 1984 war dagegen bereits eine Länge von 6.800 m geplant (km 62,100 bis 68,900). Die ersten rund 700 m östlichen Tunnelmeter sollten in offener Bauweise entstehen.[10]

Im Tunnel lag, bei km 65,698, die Grenze zwischen den Planfeststellungsabschnitten 10a (westlich) und 10b (östlich).[6]

Bau

Den Bauarbeiten ging ein Probevortrieb zwischen Oktober 1984 und dem Sommer 1987 voraus.[1]

Ab November 1984 wurde dazu, im Schutz einer Grundwasserabsenkung, vor der südöstlichen Anschlagsstelle ein Baugrube angelegt.[3]

Zur Erkundung des als schwierig geltenden Gebirges wurde am 29. Mai 1985 ein Erkundungsstollen zur intensiven Untersuchung der geologischen Verhältnisse angeschlagen.[11] Der Westabschnitt (Los 1) wurde dabei in Neuer Österreichischer Tunnelbauweise vorgetrieben, wobei nach wenigen hundert Metern (km 62,360 bis 62,654) der Querschnitt auf die Größe des geplanten Fahrtunnels aufgeweitet wurde. Dabei sollten unter anderem geeignete Querschnittsformen und Betondicken ermittelt werden. Im weiteren Verlauf wurden zwei weitere Untersuchungsbereiche (km 63,860 bis 64,090 und km 64,925 bis 65,540) in diesem Los angelegt. Im zweiten Los, auf der Ostseite, wurde auf einer Länge von rund 1200 m ein Maschinenvortrieb (Vollschnittmaschine) erprobt; dabei entstand zwischen den km 66,750 und 66,160 ein weiterer Untersuchungsbereich angelegt. Als Tunnelpatinnen fungierten Karin Kuhnhenn (Los 1) und Barbara Prommersberger (Los 2).[10]

Beim Vortrieb des Erkundungsstollens wurde beim km 62,814 ein seitlich abzweigender Stollen eingerichtet. Auf eine rund 80 m lange und mit 15 Prozent ansteigende Zufahrt folgt dabei der so genannte Untersuchungsbereich U1. In diesem etwa 120 m langen Versuchsstollen, wurden verschiedene Methoden zur Auslegung des Tunnels im quellfähigen Gebirge im Maßstab 1:2 erprobt. In mehreren Blöcken wurde dabei das so genannte Widerstandsprinzip getestet, bei dem der Tunnel dem Quell- bzw. Schwelldruck widerstehen soll. In weiteren Abschnitten wurde das Ausweichprinzip erprobt, bei dem der Tunnel mit einer „Knautschzone“ unter dem Sohlgewölbe versehen. Der gesamte Versuchsabschnitt entspricht im Maßstab 1:2 dem Fahrtunnelquerschnitt. Um Reaktionen des Gebirges bei Wasserzutritt zu prüfen, wurde Wasser durch etwa 560 Bewässerungsbohrungen von etwa 5 m Tiefe in das Gebirge geleitet, um Quell- und Schwellvorgänge anzuregen.[12]

Der Anschlag des Fahrtunnels erfolgte am 14. Januar 1987.[13] Der Bau des Tunnels war in drei Baulose unterteilt: auf das 4060 m lange Los West (km 62,100 bis 66,160) folgte das 2340 m lange Los Mitte (bis km 64,490) und schließlich ein kurzes Los Ost.[3][14] Die Patenschaften hatten Angela Schlee (Ehefrau des damaligen Innenministers Dietmar Schlee), für das Los West[12], und Irmhild Fein (Gattin des Leiters der Projektgruppe NBS Karlsruhe), für das Los Mitte[3], übernommen.[14]

Der Durchschlag wurde am 24. Juni 1988 gefeiert.[14]

Am 15. Juni 1990 wurde die Fertigstellung des Tunnels gefeiert. Das Bauwerk wurde als letzter Tunnel der Strecke fertiggestellt. Zu diesem Zeitpunkt war der Gleis- und Fahrleitungsbau bereits von beiden Seiten bis an die Tunnelportale vorgerückt.[15] Letzte Einbauten erfolgten erst Anfang 1991, wenige Monate vor Eröffnung der Strecke.[16]

Als letzten Tunnel der Strecke, wurden die Arbeiten an der Röhre erst wenige Monate vor der im Juni 1991 erfolgten Eröffnung der Neubaustrecke abgeschlossen.

Bei Baubeginn lagen die geplanten Baukosten bei 400 Millionen D-Mark (andere Quelle: 350 Millionen DM[1]).[13] Dabei entfielen auf das Los West Rohbaukosten von 102 Millionen DM[12], für das Los West wurden 168 Mio. DM geschätzt[14].

Bau und Geologie

Das Tunnelbauwerk quert in einem 4,8 Kilometer langen Abschnitt quell- und schwellfähiges Gebirge. Der 1985 angeschlagene Erkundungsstollen diente maßgeblich der Untersuchung dieser geologischen Formationen. Als problematisch erwiesen sich Anhydrit-führende Schichten im Gebirge, ein Gestein, das bei Kontakt mit Wasser um bis zu 64 Prozent ausdehnt. Bei einer Dehnungsbehinderung wurden im Labor Drücke bis acht MPa gemessen. In mehrmonatigen Versuchen und Messungen wurden verschiedene Tunnelprofile analysiert. Als Lösung wurde eine verstärkte Innenschale und in der Sohle eine 1,2 m dicke „Knautschzone“ aus komprimierbarem Füllmaterial (schaumig-glasig gebrannter Blähton) zur Reduzierung von Schwelldrücken entwickelt. Öffnungen in den Tunnelwänden im Abstand von 55 m führen außerdem das anstehende Grundwasser durch den Tunnel ab. Nach Bahnangaben handelte es sich dabei um ein bis dato einmaliges Verfahren.[11] Bei der Durchörterung des quellfähigen Gebirges flossen auch Erfahrungen aus dem Tunnel der S-Bahn Stuttgart und eines Großversuchs am Wagenburgtunnel in Stuttgart mit ein.[17] Der Erkundungsstollen verlief vom Westportal bis unweit des geplanten Ostportals, auf einer Gesamtlänge von 6.109 m.[6] Aufgrund der technischen Lösung des Schwellproblems wurde das Bauwerk im Jahre 1992 mit dem Ingenieurbau-Preis ausgezeichnet.

Zur Herstellung war ein Ausbruchsquerschnitt von bis zu 190 Quadratmetern notwendig geworden. Die rund 860.000 m³ Ausbruchsmassen wurden mittels einer vom Westportal aus errichteten Normalspur-Bahn abtransportiert.[14] Bis auf die ersten 400 m am Südostportal, die in offener Bauweise hergestellt wurden, erfolgte der Bau des Tunnels in nur 16 Monaten in bergmännischer Bauweise mit Vollschnitt- bzw. Teilschnittfräsen und wurde von mehreren Angriffspunkten vorangetrieben.

Insgesamt wurden drei Schächte zum Bau des Tunnels eingerichtet: Während der Schacht Burgstallbach (ca. km 65,0) heute als Notausgang verwendet wird, wurden die Schächte Hof Hermann (ca. km 66,9) und Bernhardsbach (ca. km 64,0) nach dem Abschluss der Bauarbeiten wieder verfüllt. Der Bau der Schächte war in der ursprünglichen Planung nicht vorgesehen. Die Schächte Bernhardsbach und Burgstallbach wurden aufgrund neuer Vorschriften zur Bewetterung errichtet, der Schacht Hof Herrmann diente zur Ableitung des während der Bauzeit angefallenen Grundwassers.

Literatur

  • Jörg Schlaich, Matthias Schüller: Ingenieurbauführer Baden-Württemberg. Bauwerk Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-934369-01-4.
  • Meldung Rohbauarbeiten am Freudensteintunnel beendet. In: Die Bundesbahn, Ausgabe 8/1990, S. 823.
  • Gerhard Prommersberger: Der Freudensteintunnel. edition coordination, Vaduz 1991, ISSN 0938-5355 (Ingenieurbauwerke – DB Neubaustrecke Mannheim-Stuttgart).
  • Dieter Kirschke, Gerhard Pommersberger: Der Freudensteintunnel – Ein neuer Maßstab für den Stand der Technik. In: Peter Koch, Rolf Kracke, Theo Rahn (Hrsg.): Ingenieurbauwerke der Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. Hestra-Verlag, Jahr, ISBN 3-7771-0240-7 (Archiv für Eisenbahntechnik. Band 44), S. 131–156.

Weblink

 Commons: Freudensteintunnel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Ernst Rudolph: Eisenbahn auf neuen Wegen: Hannover–Würzburg, Mannheim–Stuttgart, Hestra-Verlag, Darmstadt, 1989, 3-7771-0216-4, S. 60.
  2. Friedrich Schrewe, Leo Glatzel: Sind Eisenbahntunnel umweltschonend?. In: Die Bundesbahn, Jahrgang 65 (1969), Heft 7, ISSN 0007-5876, S. 603–606.
  3. a b c d e Deutsche Bundesbahn (Hrsg.): Freudensteintunnel Mitte. Vierseitige Broschüre, ca. 1986.
  4. Deutsche Bundesbahn, Projektgruppe Mannheim–Stuttgart (Hrsg.): Streckenkarte Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart 1:100 000. Faltkarte, Karlsruhe, Juni 1985.
  5. a b Rudolph (1989), S. 102.
  6. a b c d Projektgruppe M/S der Bahnbauzentrale (Hrsg.): Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart: Ein Konzept für uns alle. 28-seitige Broschüre von Januar 1986, Karlsruhe, 1986, S. 20 f.
  7. Hans-Wolfgang Scharf: Die Eisenbahn im Kraichgau. Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg 2006, ISBN 3-88255-769-9, S. 200.
  8. Bahnbauzentrale der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn (Hrsg.): Neubau- und Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn: Fragen & Antworten, Zahlen & Daten, Argumente & Ansichten. Broschüre (44 Seiten A4) mit Stand von Dezember 1983, Frankfurt am Main, 1983, S. 28.
  9. Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart. Übersichtskarte 1:100 000. Stand von Januar 1983.
  10. a b Deutsche Bundesbahn (Hrsg.): Erkundungsstollen Freudensteintunnel. Zweiseitiges Datenblatt, ca. 1984.
  11. a b Jahresrückblick 1988 – Neu- und Ausbaustrecken. In: Die Bundesbahn 1/1989, S. 58.
  12. a b c Deutsche Bundesbahn (Hrsg.): Freudensteintunnel West. Vierseitige Broschüre, ca. 1986.
  13. a b Meldung „Herzstück“ der Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart in Angriff genommen. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 36, Nr. 3, 1987, S. 116.
  14. a b c d e Meldung Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart: längster Tunnel durchgeschlagen. In: Die Bundesbahn. 1988, Nr. 8, S. 754 f.
  15. Meldung Freudensteintunnel fertiggestellt. In: Eisenbahn-Magazin, Heft 8/1990, ISSN 0342-1902, S. 7.
  16. Jürgen Hörstel, Marcus Niedt: ICE – Neue Züge für neue Strecken. Orell-Füssli-Verlag, Zürich/Wiesbaden 1991, S. 20–24, ISBN 3-280-01994-X.
  17. Joachim Seyferth: Die Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn. Josey-Verlag, Wiesbaden 1983, ISBN 3-926-66900-4, S. 39.

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