Halttheorie

Halttheorie

Die kriminologische Halttheorie (auch Bindungs- oder Kontrolltheorie) erklärt, weshalb Menschen sich konform und nicht abweichend bzw. kriminell verhalten. Sie wurde von drei US-amerikanischen Kriminologen (Albert J. Reiss 1951, Walter C. Reckless 1961, Travis Hirschi 1969) nacheinander entwickelt und ausgebaut.

Inhaltsverzeichnis

Halttheorie nach Reiss (innerer Halt)

Sozial konformes Verhalten hängt maßgeblich von intakter familiärer Erziehung ab. Kriminelles Verhalten hat folglich mit dem Versagen der Familie als der wichtigsten Sozialisationsinstanz zu tun. Wenn es nicht gelungen ist, dem Kind seine soziale Rolle verbindlich zu vermitteln und diese mit seinen Bedürfnissen in Einklang zu bringen, steigt die Wahrscheinlichkeit abweichenden Verhaltens. Der Theorieansatz greift auf psychoanalytische Kategorien zurück.

Halttheorie nach Reckless (äußerer Halt)

Reckless stellt dem Selbstkonzept (innerer Halt) den äußeren Halt zur Seite, den das Individuum durch Familie, Freunde usw. erfährt. Fehlt es am äußeren Halt, kann der innere Halt kriminelle Handlungen verhindern (und umgekehrt). Fehlen dagegen äußerer und innerer Halt, ist Straffälligkeit hoch wahrscheinlich.

Theorie der vier Bindungen nach Hirschi

Die Angepasstheit ist laut Hirschi vom Grad der Einbindung des Individuums in die Gesellschaft abhängig. Dabei sind nach seiner Auffassung besonders vier Bereiche von Bedeutung:

  • attachment to meaningful persons - die Bindungen, die ein Mensch zu seinen Bezugspersonen hat
  • commitment to conventional goals - eine Lebensplanung, die konventionellen Zielen verpflichtet ist (man hat etwas zu verlieren)
  • involvement in conventional activities - berufliche und freizeitliche Einbindungen in konventionelle Tätigkeiten lassen keine Zeit und keine Gelegenheit für abweichendes Verhalten.
  • belief in social rules - die Akzeptanz des konventionellen Wertesystems.

Literatur

  • Albert J. Reiss: Delinquency as the failure of personal and social controls. Bobbs-Merrill, Indianapolis, Ind. 1951.
  • Walter C. Reckless: The crime problem. Prentice-Hall, Englewood Cliffs, N.J. 1973, ISBN 0-13-192781-7.
  • Travis Hirschi: Causes of Delinquency. Transaction Publication, New Brunswick, N.J. 2006, ISBN 0-7658-0900-1. (Erstauflage: University of California Press, 1969).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bindungstheorie (Kriminologie) — Die kriminologische Halttheorie (oder auch Bindungstheorie; Theorie der sozialen Kontrolle) erklärt, weshalb Menschen sich konform und nicht abweichend bzw. kriminell verhalten. Sie wurde von drei US amerikanischen Kriminologen (Albert J. Reiss… …   Deutsch Wikipedia

  • Theorie der sozialen Kontrolle — Die kriminologische Halttheorie (oder auch Bindungstheorie; Theorie der sozialen Kontrolle) erklärt, weshalb Menschen sich konform und nicht abweichend bzw. kriminell verhalten. Sie wurde von drei US amerikanischen Kriminologen (Albert J. Reiss… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriminalsoziologie — ist mit der Kriminalität als gesellschaftlicher Erscheinung befasst. Die Kriminalsoziologie gilt in Deutschland als ein Teilbereich der Soziologie und eine Bezugswissenschaft der Kriminologie. Im Selbstverständnis der angloamerikanischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Kriminalsoziologen — In dieser Liste von Kriminalsoziologen werden Fachwissenschaftler aufgeführt, die das Phänomen Kriminalität ausschließlich mit sozialwissenschaftlichen Methoden untersuchen. In Deutschland ist die Kriminalsoziologie ein seltenes Fach, die… …   Deutsch Wikipedia

  • Albert J. Reiss — jr. (* 9. Dezember 1922 in Seattle, Washington; † 27. April 2006 in Hamden, Connecticut) war ein US amerikanischer Soziologe und Kriminologe. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Forschung …   Deutsch Wikipedia

  • Dipl.-Krim. — Kriminologie bedeutet wörtlich übersetzt Lehre vom Verbrechen. Die Kriminologie bedient sich verschiedener Bezugswissenschaften, wie Rechtswissenschaften und Psychiatrie, Soziologie und Pädagogik, Psychologie, Ethnologie und Anthropologie sowie… …   Deutsch Wikipedia

  • Einzelfallkriminologie — MIVEA steht für die Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse, einem Verfahren zur Erstellung von Kriminalprognosen. Die Anwendung der Methode setzt keine medizinischen oder psychologischen Fachkenntnisse voraus. Sie kann in allen …   Deutsch Wikipedia

  • Kriminologe — Kriminologie bedeutet wörtlich übersetzt Lehre vom Verbrechen. Die Kriminologie bedient sich verschiedener Bezugswissenschaften, wie Rechtswissenschaften und Psychiatrie, Soziologie und Pädagogik, Psychologie, Ethnologie und Anthropologie sowie… …   Deutsch Wikipedia

  • Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse — MIVEA steht für die Methode der idealtypisch vergleichenden Einzelfallanalyse, einem Verfahren zur Erstellung von Kriminalprognosen. Die Anwendung der Methode setzt keine medizinischen oder psychologischen Fachkenntnisse voraus. Sie kann in allen …   Deutsch Wikipedia

  • Walter C. Reckless — (* 1898; † 1988) war ein US amerikanischer Soziologe und Kriminologe. Er zählt zu den Pionieren der Kriminalsoziologie. Reckless war Schüler von Robert Park (Chicago School der Soziologie). Er lehrte 16 Jahre Soziologie an der Vanderbilt… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”