Hermann Stoll

Hermann Stoll

Hermann Stoll (* 13. Juni 1904 in Eschenau; † 10. Dezember 1944) war ein deutscher Geologe und Prähistoriker.

Stoll, aus einer schwäbischen Pfarrersfamilie stammend und seit dem 13. Lebensjahr in Kayh nahe Herrenberg aufgewachsen, studierte Geologie in Tübingen und Stuttgart und promovierte 1927 in Tübingen mit dem „Versuch einer stratigraphischen Gliederung des Stubensandsteins im westlichen Württemberg“. Seit 1929 war Stoll Hilfsassistent bei Robert Rudolf Schmidt am Urgeschichtlichen Forschungsinstitut in Tübingen. In dieser Zeit widmete er sich intensiv der Siedlungsgeschichte des Oberen Gäues, wo er neben Feldbegehungen auch einige Grabungen durchführte. Die 1932 publizierte Arbeit „Urgeschichte des Oberen Gäus“ gilt als wegweisend für die moderne Siedlungsarchäologie, da ein wesentliches Interesse Stolls den Zusammenhängen zwischen der Besiedlung und den natürlichen Rahmenbedingungen galt. In seiner Tübinger Zeit führte er die von Hans Reinerth begonnenen Forschungen zur vorgeschichtlichen Höhensiedlung auf dem Kirchberg bei Reusten fort und grub das alamannische Gräberfeld von Hailfingen aus, das er 1939 auch mustergültig publizierte. 1934 kam Stoll an das Rheinische Landesmuseum in Bonn. Er erarbeitete den sog. Frankenkatalog und führte Grabungen in der Colonia Ulpia Traiana bei Xanten sowie in der fränkischen Siedlung Gladbach bei Neuwied durch. Seit Anfang 1938 war Stoll Assistent der badischen Denkmalpflege für Vor- und Frühgeschichte in Freiburg im Breisgau. Von hier führt er verschiedene Grabungen durch, vor allem wiederum in merowingerzeitlichen Gräberfeldern (Lienheim, Grimmelshofen, Freiburg-St. Georgen). 1939 begann Stoll mit Grabungen im alamannischen Gräberfeld Grimmelshofen, die nach seiner Einberufung noch im August durch Dr. Ruprecht Gießler fortgeführt wurden.

Stoll war während des Zweiten Weltkrieges bei der Luftnachrichtentruppe in Schlesien eingesetzt, wo er weitere archäologische Forschungen durchführte. Zuletzt diente er in Rumänien und starb nach einer Kriegsverletzung im Dezember 1944 in russischer Kriegsgefangenschaft.

Stolls archäologische Arbeiten waren insbesondere im Bereich der Frühgeschichte wegweisend. Aus seinen siedlungsarchäologischen Interessen formulierte er Fragestellungen, die in der lange Zeit sehr antiquarisch geprägten Frühmittelalterforschung bis heute als innovativ zu gelten haben. Zugeständnisse an nationalistisches Gedankengut und eine entsprechende Terminologie – die im damaligen Tübinger Institut schon seit den 20er Jahren herrschten – finden sich in Stolls Werk nur auffallend selten. Stoll fragte nach der Relation zwischen Gräberfeld und Siedlung, nach den merowingerzeitlichen Siedlungsformen und den Bevölkerungszahlen. Stoll bemühte sich intensiv um einen interdisziplinären Ansatz und eine Diskussion mit der Landesgeschichte.

Publikationen (Auswahl)

  • Urgeschichte des Oberen Gäus. Veröff. Württ. Landesamt Denkmalpfl. 7. Öhringen 1933
  • Mittelalterliche Tonfeldflaschen aus Schwaben, Germania 17, 1933, 210–213
  • (mit K.H. Wagner): Fränkische Siedlung mit Friedhof bei Gladbach, Kreis Neuwied. Nachrbl. Dt. Vorzeit 13, 1937, 119–121
  • Die Alamannengräber von Hailfingen in Württemberg, Germ. Denkm. Völkerwanderungszeit 4. Berlin 1939
  • Die fränkische Besiedlung des Neuwieder Beckens, Rhein. Vorzeit in Wort und Bild 1939, 120 ff.
  • Neue Arbeiten zur Frühgeschichte der Alamannen, Bad. Fundber. 16, 1940, 119–128
  • Drei außergewöhnliche alamannische Gräberfelder und deren Deutung, Zeitschr. Württ. Landesgesch. 5, 1941, 1–18.
  • Bevölkerungszahlen aus frühgeschichtlicher Zeit, Welt als Geschichte 8, 1942, 69–74
  • Die Alamannengräber von Freiburg, Stadtteil St. Georgen. Ein Beitrag zur Datierung der alamannischen -hausen-Orte. Bad. Fundber. 18, 1948/50, 107–126

Nachruf

  • Zeitschrift für Württemberg. Landesgeschichte 8, 1947/48, 114–144 (P. Goessler)
    Mit Schriftenverzeichnis

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Stoll — ist der Familienname folgender Personen: Andrea Stoll (* 1960), deutsche Autorin und Dramaturgin Anna Katharina Stoll (* 1980), deutsche Schlagersängerin Arthur Stoll (1887–1971), Schweizer Biochemiker Brigitte Stoll (* 1927), deutsche… …   Deutsch Wikipedia

  • Stoll — is a surname, and may refer to:People* Cal Stoll, American football coach * Caspar Stoll, entomologist * Clifford Stoll, American astronomer * David Stoll, American anthropologist * Günther Stoll, German television actor * Heinrich Stoll… …   Wikipedia

  • Stoll Strickmaschinen — Stoll Rechtsform Kommanditgesellschaft Sitz Reutlingen Mitarbeiter 800 Umsatz 294 Mio. € Produkte Vollelektronisch gesteue …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Salinger — (* 1911 in Hopfing bei Wien; † 1970) war ein deutscher Politiker und Oberbürgermeister der Hansestadt Stralsund. Er lernte den Beruf des Industriekaufmannes. 1941 wurde er zum Kriegsdienst in der Wehrmacht einberufen. Am 6. Mai 1942 geriet er in… …   Deutsch Wikipedia

  • Arthur Stoll — Arthur Stoll, né à Schinznach Dorf le 8 janvier 1887 et mort à Dornach le 13 janvier 1971), est un chimiste suisse, fondateur du département pharmaceutique de l entreprise Sandoz (aujourd hui Novartis), entreprise dont il sera …   Wikipédia en Français

  • Werner Stoll — (* 1902 in Waltershausen) war ein deutscher Politiker. Werner Stoll stammte aus Thüringen. Er hatte Rechtswissenschaften studiert und war zunächst als zweiter Bürgermeister in Bamberg tätig. Ab 1930 war er in Coburg zusammen mit Franz Schwede für …   Deutsch Wikipedia

  • CA Hermann Aichinger — Voller Name Clube Atlético Hermann Aichinger Gegründet 20. September 1951 …   Deutsch Wikipedia

  • Clube Atletico Hermann Aichinger — Der Clube Atlético Hermann Aichinger, in der Regel nur kurz Hermann Aichinger genannt, ist ein Fußballverein aus der 17.000 Einwohner zählenden Stadt Ibirama im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina, der von der deutschen Einwanderung… …   Deutsch Wikipedia

  • Clube Atlético Hermann Aichinger — Der Clube Atlético Hermann Aichinger, in der Regel nur kurz Hermann Aichinger genannt, ist ein Fußballverein aus der 17.000 Einwohner zählenden Stadt Ibirama im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina, der von der deutschen Einwanderung… …   Deutsch Wikipedia

  • Clube Atlético Hermann Aichinger — Atlético Hermann Aichinger Full name Clube Atlético Hermann Aichinger Nickname(s) Capeta Founded …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”