Irmin

Irmin

Irmin (handschriftlich Hirmin) ist eine literarische Figur des Widukind von Corvey aus seiner historiographischen Schrift „Die Sachsengeschichte[1]

Mediävistische Forscher schlossen, in Verbindung mit der Irminsul, aus Widukinds Darstellung eine Variante oder Beinamen des Gottes Tiwaz/Saxnot, beziehungsweise als eine eigenständige Gottheit der Sachsen.[2] Heute wird Irmin als das Produkt von Widukinds kombinationsfreudiger und etymologisierender Gelehrsamkeit gewertet.[3]

Überlieferung

Der Abschnitt mit der Nennung von Irmin findet sich im Anfangsteil von Widukinds Bericht, in der mythischen, beziehungsweise historisch schriftlosen Urzeit der Herausbildung des Sachsenstammes des 5. – 6. Jahrhunderts, des auch besonders literaturgeschichtlich so bezeichneten Heldenalters. In der Schlacht bei Burgscheidungen im Jahr 531 besiegen die merowingischen Franken die Thüringer unter Irminfried durch die Beihilfe sächsischer Kontingente. Nach der siegreichen Schlacht feiern die Sachsen ein dreitägiges Fest, errichten eine Irminsul[4] und einen Opferaltar.

„Mane autem facto ad orientalem portam ponunt aquilam, aramque victoriae construentes secundum errorem paternum sacra sua propria veneratione venerati sunt: nomine Martem, effigie columnarum imitantes Herculem, loco Solem, quem Graeci appelant Apollinem. Ex hoc apparet aestimatonem illorum utcumque probabilem, qui Saxones originem duxisse putant de Graecis, quia Hirmin vel Hermis Graece Mars dicitur; quo vocabulo ad laudem vel ad vituperationem usque hodie etiam ignorantes utimur“

„Als es Tag geworden war, legten sie am Osttor den Adler nieder und errichteten einen Siegesaltar, um nach den Irrglauben der Väter das ihnen Heilige mit jeweils eigener Verehrung zu verehren: mit dem Namen den Mars, mit der Nachbildung von Säulen den Herkales und mit der Wahl des Ortes den Sol, den die Griechen Apollo nennen. Daraus geh hervor, dass auf jeden Fall die Meinung derjenigen glaubwürdig ist, die der Ansicht sind, dass die Sachsen von den Griechen abstammen, denn Hirmin oder Hermis ist der griechische Name des Mars; und bis zum heutigen Tage gebrauchen wir dieses Wort zur Bekräftigung im lobenden oder im tadelnden Sinne, wenn auch unwissentlich.“

Widukind, Res gestae Saxonicae 1, 12. Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit, Seite 41

Etymologisch lässt sich für Irmin das germanische *(e)irmanaz für groß, gewaltig ansetzen. Dieses Lexem findet sich in anderen frühmittelalterlichen Textzeugen wieder, beispielsweise im Hildebrandslied in den Kompositen Irmin-deot[5] und Irmin-got, und in Personennamen wie oben bei Irmin-fried.[6]

Literatur

  • Widukind von Corvey: Res gestae Saxonicae. H. E. Lohmann u. P. Hirsch (Hrsg.), A. Bauer, R. Rau (Übersetzung). In: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Bd. 8, 1971, S. 1-183.
  • Widukind von Corvey: Res gestae Saxonicae / Die Sachsengeschichte. Ekkehardt Rotter, Bernd Schneidmüller (Übersetzung und Hrsg.). Reclam, Stuttgart, 1992. ISBN 3-15-007699-4
  • Heinz Löwe: Die Irminsul und die Religion der Sachsen. In: Deutsches Archiv zur Geschichte des Mittelalters, Bd.5, Edmund E. Stengel (Hrsg.). Böhlhaus, Weimar 1942.
  • Bernhard Maier, Matthias Springer: Irminsul. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 15, Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.). de Gruter, Berlin – New York, 2000. ISBN 3-11-016649-6
  • Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie. Stuttgart (3. Aufl.) 2006. ISBN 978-3-520-36803-4.
  • Matthias Springer: Die Sachsen. Kohlhammer, Stuttgart, 2004. ISBN 3-17-016588-7
  • Norbert Wagner: Irmin in der Sachsen-Origo. Zur Arbeitsweise des Widukind von Corvey. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, Bd.28 N.F., 1978.

Einzelnachweise

  1. Widukindi monachi Corbeienis Rerum gestarum Saxonicarum libri tres 1, 9-12
  2. Simek: S.222 ; Wagner: S. 386 Fußnoten 16, 17
  3. Wagner: S. 385
  4. Hier abweichend zur Beschreibung der Irminsul bei Rudolf von Fulda als effigie columnarum imitantes Herculem. Karl Helm: Altgermanische Religionsgeschichte, 2,2 S.183
  5. Ebenso Heliand: Fitte 5. Zeile 340; alla thesa irminthiod Übers. über alle diese (großen/ganzen) Völker
  6. Umfassend dazu: Rosemarie Lühr: Studien zur Sprache des Hildebrandsliedes - Teil 2, Kommentar. Verlag Peter Lang, Frankfurt/M, 1982. S. 456ff., 551f.

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