Menagerie

Menagerie
Der von Jean Nicolas Jadot entworfene und 1759 erbaute Pavillon der Menagerie des Habsburger Hofes, des heutigen Tiergartens Schönbrunn in Wien.

Die Menagerie ist eine historische Form der Tierhaltung und als solche der Vorläufer des zoologischen Gartens, der sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte. Der Begriff Menagerie stammt aus dem Französischen und ist, dem bäuerlichen Wortschatz entlehnt, seit dem 17. Jahrhundert als Bezeichnung für eine höfische Tierhaltung belegt. Die Encyclopédie Méthodique von 1782 definiert Menagerie als „établissement de luxe et de curiosité“. Erst später wurde der Begriff auch auf Wanderausstellungen (Wandermenagerie), die durchs Land zogen und auf Jahrmärkten gastierten, übertragen.

Inhaltsverzeichnis

Höfische Menagerien

Die höfische Menagerie im Schlosspark von Versailles zur Zeit König Ludwig XIV.

Eine höfische Menagerie war direkt an den Hof eines Aristokraten oder eines Herrschers angegliedert. So befand sie sich meist im Garten eines größeren Anwesens oder, ähnlich wie Fasanerien und Orangerien, in einem Schlosspark.

Die höfischen Menagerien unterscheiden sich von zoologischen Gärten dadurch, dass sie von Adeligen getragen und nicht primär wissenschaftlich ausgerichtet waren. Sie dienten zur Demonstration von Macht oder Reichtum und gaben der adeligen Gesellschaft die Möglichkeit zur Zerstreuung. Nur vereinzelt wurden sie auch zu Orten wissenschaftlicher Studien. Zoologische Gärten hingegen waren in den meisten Fällen Gründungen des Bürgertums und wurden von Verantwortlichen getragen, die einen wissenschaftlichen und pädagogischen Anspruch vertraten.

Bereits im Mittelalter gab es höfische Menagerien. Die wohl bedeutendste war die königliche Menagerie im Tower of London, die 1235 unter Heinrich III. von England (1207–1272) ihren Anfang nahm, unter anderem mit einem Elefanten. Im 16. Jahrhundert begann auch die italienische Aristokratie, in den Gärten ihrer Residenzen am Rande der Städte exotische Tiere zu halten. Dazu gehörte vor allem auch die Villa von Kardinal Scipione Caffarelli-Borghese (1576–1633) bei Rom. Das Wildgehege König Manuels I. von Portugal im Schloss zu Ribeira in Lissabon wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Europa bestaunt wegen der kolossalen Dickhäuter, die Manuel aus Indien zu importieren pflegte und von denen der Elefant Hanno und Dürers Rhinozeros als Geschenke an Papst Leo X. berühmt wurden.

Zu einer regelrechten Blüte kamen die Menagerien, seit Ludwig XIV. (1638–1715) den Jagdpavillon im Schlosspark von Versailles 1662 zu einem Komplex aus Gehegen für exotische Tiere ausbauen ließ, in denen er von 1668 bis 1681 auch einen seltenen Elefanten hielt. Diese in einem symmetrischen Rondell gestaltete Barockanlage wurde zum Vorbild vieler anderer höfischer Menagerien, auch für die 1752 entstandene Menagerie im Schlosspark von Schönbrunn. Sie ist die einzige noch bestehende Menagerie, die sich heute zu einem wissenschaftlich orientierten Zoo entwickelt hat. Aufgrund seiner örtlichen Kontinuität wird der heutige Tiergarten Schönbrunn vielfach als ältester Zoo der Welt bezeichnet.

Höfische Menagerien aber folgten in ihrer Architektur nicht unbedingt nur dem französischen Vorbild, sondern später entstanden auch Menagerien im englischen Gartenstil, wie etwa die Menagerie des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) auf der Pfaueninsel in Berlin-Wannsee. Die Leidenschaft vieler Fürsten für die Haltung exotischer Tiere ging jedoch mit der Zeit zurück. Auch durch den Aufstieg des Bürgertums wurden die höfischen Menagerien allmählich verdrängt und die bürgerlichen zoologischen Gärten traten an ihre Stelle.

Wandermenagerien

Johann Geyer: Das Innere einer Tierbude, 1835; Öl auf Leinwand, 56,3×70,3 cm; Museum der bildenden Künste, Leipzig

Hauptartikel: Wandermenagerie

Seit etwa Mitte des 18. Jahrhunderts zogen in Mitteleuropa so genannte Wandermenagerien mit ihren Tierbuden von Ort zu Ort und befriedigten die Sensationslust der Bevölkerung, indem sie dieser exotische Tiere zur Schau darboten. Die Wandermenagerien sind von den höfischen Menagerien zu unterscheiden. Ihre Betreiber, die Menageristen, gehörten zum fahrenden Volk und damit zu den gesellschaftlichen Außenseitern. Erst später gelangten einige durch ihre Tierschauen zu Ansehen und Reichtum. Teilweise führten sie selbst große Tiere wie Elefanten oder Giraffen mit sich und erregten dadurch die Aufmerksamkeit der Bevölkerung, die solche Tiere nicht kannte. Eine der bedeutendsten Wandermenagerien in Europa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die der niederländischen Brüder van Aken. Die Darbietungen des Berliner Tierschaustellers Garnier wurden in ganz Europa bekannt, als in den Jahren 1819 und 1820 zwei Elefanten aus seiner Menagerie durch Kanonenkugeln getötet wurden. Der Elefant Baba zum Beispiel war zwischen 1824 und 1840 so populär, dass die Wandermenagerien ihre Dickhäuter zuweilen unter demselben Namen vorführten. In den USA kam die Menagerie Van Amburgh zu großer Berühmtheit, zumal sie eine der wenigen war, die den amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) überlebte. Ende des 19. Jahrhunderts machte P. T. Barnum den Elefanten Jumbo mit einer Tournee durch die Vereinigten Staaten weltberühmt.

Menagerien heute

Vor allem die höfischen Menagerien sind ein historisches Phänomen und als solche heute nicht mehr in Funktion. Diese historische Form der Tierhaltung ist mittlerweile vollständig durch moderne Zoos – sowohl in ihrer programmatischen Ausrichtung als auch in ihrem architektonischen Erscheinungsbild – abgelöst worden. In Versailles beispielsweise sind im Park des Versailler Schlosses nur noch die architektonischen Reste und der architektonische Grundriss zu besichten. Auf der Pfaueninsel in Berlin existieren zwar noch einzelne Volieren, doch die königlich-preußische Menagerie besteht nicht mehr in ihrer Gesamtheit. Allein im Tiergarten Schönbrunn werden auch in den historischen (der modernen Zootierhaltung angepassten) Menageriegebäuden weiterhin exotische Tiere gehalten. Seinem Namen, seinem Selbstverständnis und auch der Definition eines Zoos nach ist er heute ein wissenschaftlich ausgerichteter Zoologischer Garten und keine höfische Menagerie mehr. Trotzdem kann das barocke Ensemble noch immer einen guten Eindruck von der Architektur höfischer Menagerien nach dem Vorbild von Versailles vermitteln.

Eine einzige Institution trägt den Namen „Menagerie“ noch heute. Dies ist die Ménagerie du Jardin des Plantes in Paris, die allerdings bereits von ihrer Entstehung an den modernen, bürgerlichen Zoologischen Gärten zuzurechnen ist. So entstand sie 1793 als Gründung des Bürgertums und bot namhaften Naturwissenschaftlern die Möglichkeit, exotische Tiere zu erforschen.

Literatur

  • Annelore Rieke–Müller, Lothar Dittrich: Der Löwe brüllt nebenan. Die Gründung Zoologischer Gärten im deutschsprachigen Raum 1833–1869. Böhlau Verlag, Köln u. a. 1998, ISBN 3-412-00798-6.
  • Eric Baratay, Elisabeth Hardouin–Fougier: Zoo. Von der Menagerie zum Tierpark. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2000, ISBN 3-803-13604-0. (Aus dem Französischen; französischer Originaltitel: Zoos)
  • Mitchell G. Ash, Lothar Dittrich (Hrsg.): Menagerie des Kaisers – Zoo der Wiener. 250 Jahre Tiergarten Schönbrunn. Pichler, Wien 2002, ISBN 3-85431-269-5.
  • Daniel Hahn: The Tower Menagerie. Being the amazing true story of the Royal collection of wild and ferocious beasts. Simon & Schuster, London 2003, ISBN 0-7432-2081-1. (Englisch)

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Menagerie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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  • Menagerie — (menascherih), Sammlung lebender wilder Thiere …   Herders Conversations-Lexikon

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