Mord von Potempa

Mord von Potempa

Der als Mord von Potempa bezeichnete Mordfall im Sommer 1932 fand inmitten der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen vor und nach der Reichstagswahl im Juli 1932 ein starkes Echo in der deutschen Presse, weil sich die aus den Wahlen als stärkste Partei hervorgegangene NSDAP und ihr Vorsitzender Adolf Hitler mit den Mördern öffentlich solidarisierten. Die Mordtat und die Solidaritätserklärungen führten am 13. August 1932 zu Reichspräsident Paul von Hindenburgs erneuter Ablehnung einer Regierungsbildung unter Hitler und zum zeitweiligen Abbruch der Gespräche über eine Regierungsbeteiligung der Nationalsozialisten.

Inhaltsverzeichnis

Mordfall und Nachwirkung

In der Nacht vom 9. auf den 10. August 1932 drangen in dem oberschlesischen Dorf Potempa (heute Teil der Landgemeinde Krupski Młyn) fünf uniformierte SA-Leute in die Wohnung des Arbeiters und Gewerkschafters Konrad Piecuch (Pietzuch, Pietczuch) ein und prügelten ihn in Anwesenheit seiner Mutter zu Tode.

Die Reichsregierung unter Reichskanzler Franz von Papen hatte am 9. August die Notverordnung „Verordnung des Reichspräsidenten gegen politischen Terror“ (RGBl. I, S. 403) erlassen, die für politisch motivierte Totschläge die Todesstrafe vorsah.[1] Dies schien unter anderem nach der Aufhebung des SA-Verbots im Juni 1932 geboten. Die Mörder – der Gastwirt Paul Lachmann, der Elektriker Reinhold Kottisch, der Grubenarbeiter Rufin Wolnitza, der Häuer August Gräupner und der Markenkontrolleur Helmut Josef Müller – wurden von einem Sondergericht in Beuthen am 22. August 1932 zum Tode verurteilt.

Hitler nannte von Papen daraufhin öffentlich einen „Bluthund“ und schickte den Tätern am 22. August ein Telegramm folgenden Inhalts:

„Meine Kameraden! Angesichts dieses ungeheuerlichen Bluturteils fühle ich mich Euch in unbegrenzter Treue verbunden. Eure Freiheit ist von diesem Augenblick an eine Frage unserer Ehre. Der Kampf gegen eine Regierung, unter der dies möglich war, unsere Pflicht!“

Auf Empfehlung des Justizministers Franz Gürtner wandelte Reichspräsident Hindenburg am 2. September 1932 die Strafe in lebenslängliche Gefängnishaft um, da die am Vortag der Mordnacht erlassene Notverordnung noch nicht öffentlich verkündet worden war und den Tätern daher nicht bekannt gewesen sein konnte.[2] Die Regierung Hitler ließ die Mörder am 23. März 1933 frei.[3]

Die evangelischen Pfarrer Karl Steinbauer und Paul Rohrbach nahmen Hitlers Solidaritätserklärung an die Mörder von Potempa zum Anlass, sich von der NSDAP endgültig abzuwenden, weil sie ihre rechtsstaatlichen Überzeugungen und Hoffnungen auf die NSDAP durch sie abgrundtief verletzt sahen.

Vorangegangene Auseinandersetzungen

  • Ohlauer Blutsonntag am 10. Juli 1932 mit 2 Toten
  • Altonaer Blutsonntag am 17. Juli 1932 (18 Tote)
  • Gewalttaten von Königsberg in der Nacht auf den 1. August 1932 (Gustav Sauf ermordet[4])

Literatur

  • Paul Kluke: Der Fall Potempa. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, München, 5 (1957), S. 279 ff.
  • Heinrich Hannover, Elisabeth Hannover-Drück: Politische Justiz 1918–1933. Fischer, Frankfurt a. M. 1966 (Neuauflage 1987: ISBN 3-88977-125-4)
  • Richard Bessel: The Potempa Murder. In: Central European History, Atlanta, 10 (1977), Heft 3, S. 241 ff.
  • Gotthard Jasper: Die gescheiterte Zähmung. Wege zur Machtergreifung Hitlers 1930–1934. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1986. ISBN 3-518-11270-8 (zur Schlüsselbedeutung des Mordes von Potempa vgl. S. 111 ff.)
  • Klaus Rüffler: Vom Münchener Landfriedensbruch bis zum Mord von Potempa: Der „Legalitätskurs“ der NSDAP. Lang, Frankfurt/Berlin 1994. ISBN 3-631-47213-7 (Dissertation, Universität Mainz, 1993)
  • Dirk Blasius: Weimars Ende. Bürgerkrieg und Politik 1930–1933. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005. ISBN 3-525-36279-X

Zeitgenössische Propagandaschriften

  • Gerhard Pantel: Potempa – Beuthen. Ein Signal für alle deutschen Deutschen. Eher, München 1932 (Flugschrift der NSDAP)
  • Ernst Schneller: Potempa. Die Ermordung des Arbeiters Pietczuch. Internationaler Arbeiter-Verlag, Berlin 1932 (Flugschrift der KPD; Microfiche-Ausgabe 1992, ISBN 3-628-00709-7)
  • Robert Venzlaff: Der Schuldige: Die Mordnacht von Potempa. Tribunal-Verlag W. Pieck, Berlin 1932 (Flugschrift der Roten Hilfe Deutschlands)

Einzelnachweise

  1. Ministerbesprechung vom 9. August 1932
  2. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums vom 2. September 1932
  3. Scared to Death (Zeitgenössische Berichterstattung aus der TIME, 27. März 1933)
  4. Helga Kutz-Bauer: Die aufrechten Roten von Königsberg (Spiegel Online)

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